Verschwendung: Denn sie wissen nicht, was sie tun

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Bund, Länder und Gemeinden geben 19 Milliarden für Förderungen aus, ohne sich dafür zu interessieren, was sie damit bewirken. Ein Chaos, das die Staatsfinanzen gefährdet.

Wien hat also eine halbe Milliarde für die Förderung privater Kindergärten ausgegeben, ohne sich groß dafür zu interessieren, wer das bekommt und was mit dem Geld gemacht wird. Die Folge war unter anderem, dass ein mutmaßlicher Betrüger 1,8 Millionen Euro für islamische Kindergärten offenbar selbst eingesackt hat.

Jetzt könnte man sagen: Okay, Wien halt. Die wissen ja auch sonst nicht, was in ihren Kindergärten vorgeht, zumindest den islamischen, die zwar gefördert wurden, von deren Existenz aber die zuständigen Stadträtinnen anscheinend erst vor Kurzem erfahren haben. Die Frau Fauenberger hat deren Existenz jedenfalls neulich im „Presse“-Interview noch bestritten. Wien ist eben nicht umsonst derzeit der Schulden-Problembär unter den Ländern. Nirgendwo sonst steigt die Verschuldung in so atemberaubendem Tempo.

Aber die Sache mit den Förderungen ist leider eine Spur komplexer. Wien ist nämlich überall. Der Rechnungshof hat in einer „Problemanalyse Förderungswesen“ schon vor einigen Jahren, ungefähr zur Zeit der abenteuerlichen Wiener Kindergartenförderung, folgenden Befund über das gesamtösterreichische Förderwesen abgegeben: Es gibt keine Gesamtstrategie und keine konkreten Förderziele, es gibt keine Abstimmung über Ziele und Maßnahmen zwischen den Gebietskörperschaften, es fehlen Daten über die Wirkung der Förderung, es fehlt an Transparenz, die Kontrolle ist unzureichend, und es gibt ein Missverhältnis zwischen Förderungseffekt und Verwaltungsaufwand.

Kurz zusammengefasst: ein Sauhaufen der Sonderklasse.

Aber ein verdammt teurer: Laut dem jüngsten Förderungsbericht der Bundesregierung beträgt das Volumen der direkten und indirekten Förderungen im Land 19,25 Milliarden Euro. Im Jahr. Angesichts des obigen Rechnungshofbefunds heißt das: Bund und Länder pulvern mehr als 19 Milliarden Euro, also ungefähr das Volumen des gesamten Hypo-Schadens, in ein Förderwesen, ohne einen wirklichen Überblick zu haben und ohne dass es sie interessiert, ob und was sie damit überhaupt bewirken.

19 Milliarden Euro entsprechen rund 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die übrigen EU-Länder geben im Schnitt 2,3 Prozent ihres BIPs für Förderungen aus. Also deutlich weniger als die Hälfte. Ohne dass das deshalb Förderungswüsten wären. Unser Förderungssystem ist also nicht nur extrem teuer, sondern auch extrem ineffizient. Wobei das eine durchaus mit dem anderen zu tun hat. Vor allem auch deshalb, weil mangelnde Transparenz und fehlende Kontrolle zu zahlreichen Doppel-, Dreifach- und Mehrfachförderungen führen.

Wir haben kürzlich an dieser Stelle dargelegt, dass ein Pendler, der sich auskennt und am richtigen Ort wohnt, bis zu sechs Pendlerförderungen nebeneinander kassieren kann. Bauern werden auf vier Ebenen gefördert (EU, Bund, Land, Gemeinde), wobei vor allem im unteren Bereich so manche unhinterfragte Förderung durchaus Kabarettcharakter besitzt. Etwa die in vielen Orten noch ausbezahlte Gemeinde-Abschlagszahlung für den fehlenden Gemeindestier.

Das sind aber noch gar nicht die krassesten. Denn vielfach wird nicht nur parallel gefördert, die Förderungen überschneiden einander auch noch. Förderwahnsinn eben.

Und jetzt überlegen wir einmal, was das bedeutet in einem Land, in dem der Finanzminister schon Reserven von Staatsbetrieben wie der Münze Österreich ausräumen muss, um ein brauchbares Budget zustande zu bringen, während auf der anderen Seite das Geld im Fördersystem mit beiden Händen hinausgeschaufelt wird.

Da wäre relativ viel zu holen. Niemand verlangt, das System auf den EU-Schnitt zurückzufahren. Aber bei einer Evaluierung der Förderungen, bei Zielüberwachung, bei Beseitigung von Mehrgleisigkeiten müssten locker fünf, sechs Milliarden Euro relativ kurzfristig zu heben sein.

Damit könnte man beispielsweise die Lohnsteuer um ein sattes Fünftel senken. Oder das Budgetdefizit wegzaubern. Oder sonst was Sinnvolles machen.
Voraussetzung wäre aber der Wille der Almosenverteiler, auf die Staatsfinanzen zu schauen, statt politisches Kleingeld zu schlagen. Denn natürlich wären dabei alle, die ungerechtfertigt Mehrfachförderungen beziehen, Verlierer.

Vor allem aber bräuchte man dazu Transparenz. Und davon halten die Länder leider gar nichts. Die groß angekündigte Transparenzdatenbank, mit der man einen Überblick über die Subventionsströme bekommen könnte, existiert zwar seit ein paar Jahren. Aber nur als Fragment. Sie wird von Ländern und Gemeinden nämlich nicht bzw. nur sehr lückenhaft befüllt. Besonders auf der Bremse steht übrigens Wien. Das wundert angesichts der eingangs dargestellten Zustände allerdings wenig.

Aber, wie gesagt: Das Förderwesen hat ein milliardenteures Föderalismusproblem. Dass das die finanzielle Gesundheit des Staates insgesamt ramponiert, wird den Herrschaften aber wohl egal sein.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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