Wenn sich der Staat mit den Vermögen der Bürger saniert

(c) AP (Eugene Hoshiko)
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Jetzt droht Defizitfinanzierung aus der Notenpresse. Das hat Ende der Zwanzigerjahre zu Hyperinflation geführt – und war deshalb seither ein absolutes Tabu.

Überall in Europa – von Spanien über Deutschland bis Österreich – erleben wir derzeit Diskussionsvorstöße in Richtung höherer Steuern, mit deren Hilfe die explodierenden Staatsschulden nach der Krise wieder abgetragen werden könnten. Und überall in Europa werden diese Vorstöße von den jeweils Regierenden vergleichsweise empört zurückgewiesen. Die deutsche CDU macht sich derzeit sogar mit den Versprechen von Steuersenkungen nach der Wahl zur Lachnummer.

Dabei ist die Sache ernst: Bankenrettung und Konjunkturprogramme kosten eine Menge Geld, was die Budgets praktisch aller Staaten schwer durcheinanderbringt. Österreich beispielsweise wird in den nächsten Jahren mindestens 26 Mrd. Euro an zusätzlichen Schulden machen müssen, Deutschland allein heuer 80 Mrd.

Diese Schulden müssen nach dem Ende der Krise irgendwie zurückgeführt werden. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Instrumente:

• Sparmaßnahmen und Verwaltungsreformen: Das ist die unwahrscheinlichste Variante. Zwar gibt es in der Verwaltung, im Gesundheitswesen und in anderen Sektoren gewaltige rechnerische Potenziale, an deren politischer „Hebung“ sind bisher aber noch alle Regierungen kläglichst gescheitert. Selbst wenn der derzeitigen überraschenderweise ein paar Reförmchen gelingen, reden wir von Einsparungen von ein paar hundert Millionen. Damit kann man keinen Berg von 26 Mrd. an zusätzlichen Schulden beseitigen.

• Neue und höhere Steuern: Diese Variante kommt mit Sicherheit, nicht nur in Österreich. Allerdings sind auch hier die Potenziale überschaubar: Österreich gehört schon jetzt zu den Hochsteuerländern. Man kann also vielleicht ein bisschen an der Mehrwertsteuer drehen, da oder dort auf bisher noch unversteuerte Vermögenszuwächse zugreifen, aber dann ist bald Schluss. Auch auf diese Art ist vielleicht die eine oder andere Milliarde aufzutreiben, aber niemals die Summe, die man zur Krisenbewältigung bräuchte.

• Bleibt die dritte Variante: Inflationierung. Für Politiker eine verlockende Art, kurzfristig Schulden wegzubekommen (langfristig funktioniert die Methode ohne Währungsreform weniger gut, weil die Altschulden ja durch die Aufnahme von Neuschulden entwertet werden).

Diese Variante hat derzeit das größte Gefahrenpotenzial. Nicht gleich, denn bei unausgelasteten Kapazitäten gibt es keine wirkliche Inflation. Aber in ein paar Jahren, wenn die Wirtschaft wieder läuft.

Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan hat diesen Zeitpunkt in einem Kommentar für die „Financial Times Deutschland“ auf ungefähr 2012 taxiert. Außer es tritt der sehr unwahrscheinliche Fall ein, dass die Notenbanken ihre „aufgeblasenen Bilanzen“ bis dahin in den Griff bekommen.

Derzeit sieht es leider nach der anderen Richtung aus: Notenbanken beginnen, Staatsanleihen direkt aufzukaufen. Die Staaten finanzieren ihre Defizite also direkt aus der Notenpresse. Das hat Ende der Zwanzigerjahre zu Hyperinflation geführt – und war deshalb seither ein absolutes Tabu. Dass dieses Tabu jetzt durchbrochen wird, ist ein Hinweis darauf, dass die Staaten beim Schuldenabbau den bequemsten Weg gehen wollen – den, sich an den Vermögen der Staatsbürger zu sanieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2009)

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