Wer zahlt schon gern Steuer unter Palmen?

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Zum Austrocknen von Steueroasen wie Panama braucht man entweder koordinierten politischen Druck, oder Steuersysteme, die diese Form der „Steuerschonung“ sinnlos machen. Letzteres ist erfolgversprechender.

Der Wirbel um die Panama-Papers hat nun allerorten den Ruf laut werden lassen, man möge endlich die Steueroasen „austrocknen“. Sorry, das wird so nichts. Man muss sich nur einmal die politisch und wirtschaftlich stärksten Blöcke dieses Globus ansehen: Die USA betreiben selbst ein paar sehr lukrative Oasen. Detto die EU, deren Kommissionspräsident selbst Ex-Regierungschef einer Steueroase ist. Der russische Präsident und die halbe chinesische Führung sind offenbar zumindest indirekt in den Panama-Skandal verwickelt. Und Japan mit seiner enormen Intransparenz ist ja selbst eine (weitgehend noch unentdeckte) Oase.

Auch wenn – beispielsweise in Sachen Geldwäsche – einiges geschieht: Hier geht es eher darum, unliebsame Konkurrenz auszuschalten, als den Laden wirklich dichtzumachen. Das hätte, wenn man wollte, ja längst geschehen können. Die Amerikaner haben beim flotten Knacken des Schweizer Bankgeheimnisses für US-Bürger schon gezeigt, was politische Macht, gezielt eingesetzt, da bewirken kann. Also: Wenn die wichtigsten Wirtschaftsregionen dieser Welt wirklich wollten, würde es längst keine Steueroasen mehr geben. Sie wollen nur nicht so recht.

Wenngleich der Kampf gegen illegale Steuerhinterziehung und legale Steuervermeidung auch technisch nicht ganz einfach ist. Was ursächlich mit den immer komplexer und unübersichtlicher werdenden Steuersystemen der meisten Industrieländer zusammenhängt.

Dabei kennt die Wirtschaftswissenschaft längst ein radikal einfaches Steuersystem, das einen Großteil der derzeit diskutierten Probleme löst und gleichzeitig Steueroasen völlig überflüssig macht: Die Konsumsteuer.

Die Idee dahinter: Nachdem ohnehin alle Steuern und Abgaben, die entlang der Wertschöpfungskette anfallen, im Endpreis enthalten sein müssen (sonst geht nämlich der Hersteller pleite), verlegt man die Besteuerung komplett zu diesem Endpreis. Konkret: Alle Steuern und Abgaben werden durch eine einzige Steuer, die Mehrwertsteuer, ersetzt.

Diese muss dann natürlich stark angehoben werden. Legt man die Staatseinnahmen und das derzeitige Steueraufkommen zugrunde, auf deutlich über 100 Prozent, wenn das Steueraufkommen insgesamt nicht sinken soll. Der Konsumentenpreis selbst muss dadurch aber nicht steigen: Die versteckten Steuern und Abgaben, die entlang der Wertschöpfungskette anfallen, im Endpreis aber unsichtbar sind, fielen dann ja weg.

Das Ganze würde eine Reihe von Problemen lösen, über die international gerade heftig diskutiert wird.
• Wenn die Steuer ausschließlich dort anfällt, wo das Geschäft getätigt wird, ist das Problem der provokanten Steuervermeidungsstrategien von Google, Apple, Ikea und Co. gelöst. Einen nicht zu versteuernden Gewinn muss niemand in Oasen verschieben.
• Auch illegale Steuervermeidung von Privatpersonen ergibt dann keinen Sinn mehr. Es existiert ja keine Einkommen- und Zinsertragssteuer, die man hinterziehen kann.
• Die Exportwirtschaft wird deutlich konkurrenzfähiger, weil ja die hohen Lohnsteuern und Lohnnebenkosten abgeschafft sind.
• Die Steuereinhebung wird für den Staat erheblich billiger, ebenso die Betrugsbekämpfung. Es gibt ja nur noch eine Möglichkeit, Steuer zu hinterziehen: Den Pfusch ohne Rechnung. Der Anreiz dafür, das ist der Wermutstropfen, steigt bei den benötigten Steuersätzen allerdings ins Unermessliche.
• Die immer komplexere Lohnverrechnung in den Unternehmen wird zum unbürokratischen Kinderspiel.

Das Modell hat natürlich auch ein paar gravierende Schönheitsfehler.
• Exportüberschüsse würden sich schlecht auf die Staatskasse auswirken und Importe würden deutlich teurer, solange die Herkunftsländer nicht umgestellt haben.
• Das Modell wirkt stark degressiv, das heißt, der effektive Steuersatz auf das Einkommen sinkt umso mehr, je höher dieses ist.
• Die jetzt schon problematische Vermögenskonzentration wird wegen der dann eintretenden Steuerfreiheit für Vermögenserträge noch stark angeheizt.


Degression ist aber leicht zu beheben. Am besten nicht durch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, die im Endeffekt zu einer Art staatlicher Preisregelung führen würden. Sondern durch eine einheitliche Steuergutschrift, die naturgemäß niedrige Einkommen prozentuell stärker begünstigt. Damit wären wir dann bei einer Art bedingungslosem Grundeinkommen (BGE), weshalb die Konsumbesteuerung derzeit vor allem von den Vertretern der BGE-Idee favorisiert wird. Der Zusammenhang ist aber nicht zwingend, weil die Steuergutschrift ja keineswegs so hoch sein muss, dass man davon leben kann.

Schwieriger wird es bei der forcierten Vermögenskonzentration, die sehr schnell zum explosiven Gesellschaftsproblem werden kann. Aber auch hier gibt es Mittel und Wege über ergänzende Besteuerung (beispielsweise von Transaktionen) einzugreifen.

Das klingt alles sehr utopisch, aber allein das Faktum, dass diese Form der Besteuerung im Hintergrund von seriösen Wirtschaftswissenschaftlern seit Längerem diskutiert wird zeigt, dass Substanz dahinter ist.

Die Steuerschraube beginnt in vielen Industrieländern wegen der Komplexität der Systeme durchzudrehen, und die Einzelstaaten finden nicht nur für das Problem der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung keine Lösung. Sondern auch für die Probleme, die sich durch legale Steuerschonungsstrategien von Konzernen ergeben. Da sollte man Alternativmodelle zumindest einmal breit zu diskutieren beginnen. Das hier ist eines.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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