Wenn Roboter die Arbeit übernehmen

Landarbeiter 4.0: Weitgehend autonom arbeitende Maschinen, wie dieser Bosch-Feldroboter, werden bald die Hälfte aller Jobs übernehmen.
Landarbeiter 4.0: Weitgehend autonom arbeitende Maschinen, wie dieser Bosch-Feldroboter, werden bald die Hälfte aller Jobs übernehmen. (c) REUTERS
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Alle reden von den Jobverlusten durch Roboter, aber niemand über die notwendigen Konsequenzen.

Diese Woche hat die OECD in einer Studie Entwarnung gegeben: Nur jeder zehnte Job ließe sich durch die zunehmende Roboterisierung der Wirtschaftswelt (Industrie 4.0) in den nächsten 20 Jahren durch Maschinen ersetzen. Sehr beruhigend, aber leider unrealistisch, weil zu sehr dem Ist-Zustand verhaftet. Eine Oxford-Studie sagt für denselben Zeitraum den Wegfall von 47 Prozent aller Arbeitsplätze voraus. McKinsey meint, die Digitalisierung werde 45 Prozent aller Jobs wegfegen. Plus weitere 13 Prozent, wenn es zur Implementierung künstlicher Intelligenz komme.

Natürlich sind alle diese Zahlen Hausnummern, weil niemand verlässlich in die Zukunft blicken kann. Aber angesichts der Rasanz der Entwicklung – wer hätte vor fünf Jahren etwa selbstfahrende Autos im normalen Straßenverkehr für realistisch gehalten? – dürfte sich die Realität wohl eher an die Obergrenze halten. Und wir bewegen uns da erstmals auf eine industrielle Revolution zu, in der wegfallende Arbeitsplätze nicht mehr oder nur in sehr geringem Ausmaß durch neu entstehende ersetzt werden. Einfach gesagt: Der Hufschmied wird nicht mehr zum Automechaniker, sondern durch eine weitgehend autonom arbeitende Maschine ersetzt.

Kurzum: Wir müssen uns auf eine Wirtschaft einstellen, in der Produktivität und Wohlstand weiter wachsen, sich aber auf eine immer kleinere Bevölkerungsschicht – die Roboterbesitzer – konzentrieren. Das ist mit der heutigen Organisation der Wirtschaft und der Gesellschaft nicht zu schaffen. In der derzeitigen Form führt diese Entwicklung schnurstracks zuerst in Massenverelendung, danach zum Zusammenbruch der auf Massenkonsum aufgebauten Wirtschaft und schließlich zur Implosion der Gesellschaftsordnung.

Angesichts dieses Szenarios ist es doch verwunderlich, dass unter Ökonomen und Politikern noch derartige Ruhe, fast könnte man schon sagen Ignoranz herrscht. Schließlich geht es um eine absehbare Entwicklung, die sich mit herkömmlichen Modellen nicht einfangen lässt. Und Zeithorizonte von 20, 30 Jahren sind nicht wirklich viel, wenn eine Gesellschaft radikal umgebaut werden muss.

Intensiv befassen sich derzeit vor allem private Initiativen mit den Folgen der unaufhaltsamen Digitalisierung. Zum Beispiel der Austroamerikaner Bill Price, ein Ökonom und ehemaliger IAEA-Diplomat, der in seinem Council for a 21st Century Progressive Economy in Wien eine beeindruckende Expertenrunde um sich geschart hat. Dort hat man erst einmal ein paar Fragen formuliert, mit denen sich die Politik befassen sollte.

► Beispielsweise die Frage zur künftigen Arbeitsorganisation. Festzustehen scheint, dass die rund 200-jährige Geschichte fester Arbeitsverhältnisse zu Ende geht. Und zwar quer durch den Garten, denn die Roboterisierung macht keineswegs nur niedrig qualifizierte menschliche Arbeit in der Industrie obsolet. Es entsteht also eine „freelance economy“, in der die Grenzen zwischen (derzeit) bezahlter und (derzeit) unbezahlter Arbeit verschwimmen. Gibt es da schon Konzepte, wie man so etwas organisiert?

► Wenn fast die Hälfte der Arbeitnehmer den Job (im heutigen Sinn) verliert, sind wir auch ganz schnell bei der derzeit rein auf die Besteuerung menschlicher Arbeit aufgebauten Finanzierung der Sozialsysteme. Das heißt, das gesamte Steuer- und Sozialversicherungssystem ist nicht zukunftssicher. Wir sollten also deren Umbau diskutieren. Und da sind wir dann auch recht flott bei der Besteuerung von Wertschöpfung (Robotersteuer) oder Ressourcen. Wird da – abseits des aktuellen dümmlichen Maschinensteuer-Ideologiehickhacks – schon ernsthaft über einen tragfähigen Systemumbau zur Finanzierung einer Zivilgesellschaft (wozu übrigens auch eine Form von Basiseinkommen gehört) diskutiert?

► Danach reden wir vom Bildungssystem: Wenn lernfähige Maschinen immer größere Teile der Arbeit auch im „White Collar“-Bereich erledigen, wenn es also zu einer „Entkopplung von Qualifikation und Produktivität“ kommt, dann stellt sich die Frage, ob die derzeit genau auf diese Kopplung abgestellten Bildungsinhalte für die Anforderungen der menschlichen Arbeit noch passen. Diese Diskussion wird aber wohl anderswo geführt werden, denn hierzulande drehen sich Bildungsreformen ja noch primär um die Frage, wer die Parteibücher der Lehrer kontrollieren darf.

► Schlussendlich ist noch die Mensch-Roboter-Relation interessant, für die es derzeit keinen legistischen Rahmen gibt. Dieser wird aber notwendig, sobald künstliche Intelligenz (laut Tesla-Chef Elon Musk, der damit in seinen Autopilot-Teslas ja schon experimentiert, eine der „größten Gefahren für die Menschheit“) einen gewissen Level überschreitet.

Das klingt jetzt alles sehr utopisch. Aber wir werden mit diesen Problemen sehr viel schneller konfrontiert sein, als uns lieb ist. Und da reicht es eben nicht mehr, klassische Arbeitsmarktprogramme zu fahren, Strukturen arbeitsrechtlich einzubetonieren und im übrigen den Kopf in den Sand zu stecken. Einige hochrangige Sozialpartnervertreter machen im Council mit. Sie könnten sich um das Land verdient machen, wenn sie ihre Organisationen dazu bringen könnten, zu diesem Thema stärker politischen Druck zu machen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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