Warten auf die nächste Bankenkrise

European Central Bank President Mario Draghi attends a meeting with German lawmakers in Berlin
European Central Bank President Mario Draghi attends a meeting with German lawmakers in Berlin(c) REUTERS (AXEL SCHMIDT)
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Die europäischen Banken sind in einem schlechten Zustand – und Österreich gilt als besonders risikoreicher Bankenmarkt. Dazu baut sich bei Immobilien das nächste Problem auf.

Die nächste Bankenkrise kommt bestimmt – und Österreich wird als einer der laut EZB „riskantesten Bankenmärkte“ Europas wohl mit im Auge des europäischen Banken-Hurrikans stehen: Das ist kurz zusammengefasst die Diagnose, die ein österreichischer Top-Banker (der in diesem Zusammenhang nicht genannt werden will, offiziell herrscht ja Friede, Freundschaft, Eierkuchen) neulich in kleinem Kreis stellte.

Beunruhigend. Dass das europäische Bankenwesen acht Jahre nach dem Beginn der Bankenkrise von echter Sanierung weiter entfernt ist denn je, sieht man zwar mit freiem Auge. Allerdings würde man die größten Probleme eher anderswo verorten. Bei den italienischen Banken beispielsweise, deretwegen das erst zu Jahresbeginn in Kraft getretene Bail-in-Verbot gleich einmal umgangen werden musste, womit es das Schicksal so gut wie aller EU-Bestimmungen erlitt. Oder in Deutschland, wo mit der Deutschen Bank gerade ein Institut schlingert, dessen Bilanzsumme allein fast zwei Drittel des deutschen BIPs erreicht.

Auch an den Börsen merkt man, dass die Branche kränkelt: Seit Jahresbeginn haben die Banken der OECD-Länder gut 430 Mrd. Dollar an Börsenwert verloren. Und der Schwerpunkt der Krise liegt in Europa: Während die US-Bankaktien nur um ein paar Prozent unter Wasser gerieten, verloren die europäischen Bankaktien annähernd ein Viertel an Wert.

Darin spiegelt sich auch die unterschiedliche Herangehensweise: Während der Bankensektor in den USA nach dem Ausbruch der Krise mit harter Hand saniert wurde, ist dieser Schritt in Europa ausgeblieben.

Von selbst finden die Institute aus der Malaise nicht heraus. Zumal ihnen EZB und Regulierungsbehörden das Leben nicht gerade leichter machen: Die Nullzinspolitik führt dazu, dass die Banken im Schnitt schon seit Jahren ihre Kapitalkosten nicht mehr verdienen. Und die Regulierung sei, um noch einmal den eingangs erwähnten Banker zu zitieren, „widersprüchlich und marktmanipulierend“ und verleite letztendlich zur Untreue.

Letzteres deshalb, weil die Liquiditätsbestimmungen die Institute zwingend verpflichten, in hohem Maß in Produkte zu investieren, die sie bei klarem Verstand nicht kaufen würden. Etwa negativ rentierende Staatsanleihen, deren Minuszinsen Substanzverluste hervorrufen.

Das sind Probleme, die auf allen europäischen Banken lasten. Österreich hat aber noch ein paar spezielle Probleme zu bieten. Das großer Banküberkapazitäten beispielsweise oder etwa das der Non Performing Loans (NPL), also der notleidenden Kredite. Die stammen in geringerem Maß aus Österreich, in höherem Maß aus Osteuropa, wo die heimischen Institute ja überproportional vertreten sind.

Die sogenannte NPL-Ratio (sie misst den Anteil der Non Performing Loans an der Gesamtkreditsumme) sieht hierzulande nicht dramatisch aus. Sie ist in vielen europäischen Ländern (siehe Grafik) deutlich höher, etwa in Italien, Portugal und Irland, von Zypern und Griechenland ganz zu schweigen.
Allerdings: Die NPL-Ratio sagt für sich noch nicht viel aus. Wenn für Kreditausfälle bilanziell Vorsorgen getroffen wurden, dann ist ihnen der Giftzahn gezogen: Fällt der Kredit endgültig aus, dann wird das Loch durch die entsprechende Rückstellung gefüllt.

Tatsächlich relevant ist also die Deckung der notleidenden Kredite durch solche Vorsorgen. Und da zeigt Österreich ein eher erschreckendes Bild: Es existiert eine Deckungslücke von immerhin knapp 16 Prozent. Und: In Europa sind die notleidenden Kredite nur in Slowenien noch weniger gedeckt als in Österreich. Etwas salopper formuliert: Ein großflächiger Ausfall der notleidenden Kredite würde in den Bilanzen griechischer oder zypriotischer Banken weniger Verheerung anrichten als in denen heimischer Institute.

Apropos gefährdete Kredite: Die heimischen Institute sind dabei, bei der Immobilienfinanzierung den für viele Kreditnehmer sehr teuren Franken-Kredit-Fehler zu wiederholen, indem sie Risken (beim Franken das Währungsrisiko, jetzt das Zinsrisiko) weitgehend ausblenden – und sich damit möglicherweise ein neues Problem schaffen: In Österreich werden (im Gegensatz zum übrigen Europa, siehe Grafik) fast ausschließlich variabel verzinste Wohnungs- und Hauskredite vergeben. Weil die im Augenblick günstiger sind als langfristig fix verzinste.

Bei Immobilienkrediten gehen Kreditnehmer sehr häufig an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit – und das bei Rekordniedrigzinsen. Sollte sich das Zinsniveau wieder normalisieren, was einen Anstieg um zumindest zwei bis drei Prozentpunkte bedeuten würde, dann werden wohl viele von ihnen ins Schwimmen geraten. Und den Banken die nächste selbst verschuldete Kreditkrise bescheren.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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