Steuern erhöhen ist noch keine Staatskunst

Taschenrechner und Eurogeld
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Die Republik hat ihr strukturelles Beinahe-Nulldefizit überwiegend mit Steuererhöhungen erkauft, strukturelle Ausgabenreformen gab es in den vergangenen Jahren praktisch nicht. Ein Armutszeugnis für die Budgetpolitik.

Die gute Nachricht: Die drei Sparpakete, die die Regierung seit 2011 geschnürt hat, haben budgetär gewirkt. Ihr Netto-Einsparungseffekt belief sich 2015 schon auf bis zu 11,4 Mrd. Euro. Hätte es diese Pakete nicht gegeben, hätte Österreich also keine Chance gehabt, seine Defizitziele einzuhalten. Und jetzt die schlechte Nachricht: Von Nachhaltigkeit war bei dieser Budgetkonsolidierung keine Spur zu finden. Die „Einsparungen“ waren in der Realität überwiegend Steuer- und Abgabenerhöhungen. Den Rest steuerten im Wesentlichen die kalte Progression (also die Nichtanpassung der Steuerstufen an die Inflation) und EZB-Chef Draghi mit seiner Niedrigzinspolitik bei. Letztere verbilligte nämlich die Staatsschuldenzinsen trotz steigender Staatsschuld um 1,6 Mrd. Euro.

Die gesicherte Erkenntnis, dass die Budgetsanierung, wie fast immer, per „einnahmenseitigem Sparen“ überwiegend von den Steuerzahlern geschultert werden musste, verdanken wir einer aktuellen Studie des Budgetdienstes des Parlaments („Umsetzung der Konsolidierungspakete und Offensivmaßnahmen ab 2011“). Und die enthält durchaus einige höchst unangenehme Dinge.

So etwa das Faktum, dass die Konsolidierungspakete die Steuerquote zwischen 2001 und 2015 von 41 auf 43,9 Prozent des BIPs hochgetrieben haben. Klingt harmlos, heißt auf Basis des 2015er-BIPs aber, dass Private und Unternehmen in diesem Jahr mit knapp zehn Mrd. Euro (Steuern und Sozialbeiträge) mehr belastet werden mussten, damit der Finanzminister seine Budgetvorgaben erfüllen konnte. In der Zwischenzeit hat es zwar eine als Steuerreform verkaufte Tarifanpassung gegeben, die aber nur rund die Hälfte dieser Mehrbelastung wieder kompensiert hat.

Der Schwerpunkt lag laut Budgetdienst bei „Steuererhöhungen insbesondere bei den Verkehrs- und Verbrauchssteuern, bei der Körperschaftsteuer und bei der Einkommensteuer“. Dazu kamen noch Erhöhungen von Sozialbeiträgen, unter anderem durch eine außerordentliche Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage.
Während die Staatseinnahmenquote solcherart um 2,3 Prozentpunkte hochschnalzte, ging die Staatsausgabenquote nur um einen Prozentpunkt zurück. Und das überwiegend durch die niedrigeren Zinsen trotz höherer Staatsschuld und durch eine Beamten-Nulllohnrunde.

Übrigens: Zinsen und kalte Progression haben zur „Konsolidierung“ 2015 zusammen 3,8 Mrd. Euro beigesteuert. Den Rest besorgten zum großen Teil eben Steuererhöhungen. Strukturelle Einsparungen sucht man vergeblich. Die Budgetexperten des Parlaments kommen demgemäß zu einem eher ernüchternden Schluss: „Das Ziel der Budgetkonsolidierung wurde weitgehend erreicht“, heißt es da. Aber: „Die Konsolidierung erfolgte in hohem Ausmaß durch Steuererhöhungen und war durch das niedrige Zinsumfeld begünstigt, größere ausgabenseitige Strukturreformen erfolgten kaum beziehungsweise trugen nur in einem geringen Ausmaß zur Konsolidierung bei.“ Das Parlament stellt da der Regierung ein ziemliches Armutszeugnis aus. Denn den Leuten mehr Steuer abzupressen, ist wirklich noch nicht die hohe Kunst der Staatssanierung. Probleme werden damit nur – zu hohen Kosten für die Steuerzahler – ein paar Jahre weitergeschoben.

Finanzminister Schelling (der für diese lang vor Beginn seiner Amtszeit geschnürten Konsolidierungspakete übrigens nicht verantwortlich ist) hat jetzt zwar ein wenn schon nicht saniertes, dann doch zumindest EU-kompatibles Budget. Aber gelöst ist damit gar nichts, solange die großen Kostentreiber in diesem Land nicht eingebremst werden. Bildlich gesprochen: Solange die Löcher im Budgetfass nicht gestopft sind, können die Steuerzahler oben noch so viel Geld hineinschütten, es wird einfach wieder herausrinnen.

Bezeichnend, dass diese übrigens vom sehr aktiven grünen Budgetsprecher Bruno Rossmann beauftragte, eigentlich vernichtende Budgetstudie bisher keine wirklich erkennbaren parlamentarischen oder regierungsamtlichen Aktivitäten ausgelöst hat. Im Gegenteil: Im Budgetausschuss haben ein paar Experten – wohl wider besseres Wissen – Lob und Hudel über die tolle Budgetpolitik verbreitet. Offenbar wird der Budgetdienst des Parlaments im eigenen Haus nicht ernst genommen. Deshalb wiederholen wir hier noch einmal: Das Budget ist von nachhaltiger Sanierung Lichtjahre entfernt. Und: Die Regierung soll endlich ihre Arbeit machen und in die Ausgabenstrukturen gehen. Steuern erhöhen allein ist noch keine Staatskunst.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

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