Geschichten von den grünen Bundesbahnen

(c) APA (ANDREAS TROESCHER)
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Mindestens 10 Mrd. Euro fließen in die Bereiche Landwirtschaft und Bahn. Vieles davon unter dem Titel „Leistungsabgeltung“. Es würde sich lohnen, diese Leistungen und deren Honorierung auf Sinnhaftigkeit abzuklopfen.

In der Diskussion um den seltsamen rot-schwarzen Abtausch „Pensionshunderter“ gegen Sozialversicherungsrabatt für die Bauern ist eine interessante Zahl ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten: Der Agrarsektor bekommt nicht nur knapp zwei Mrd. Euro an direkten Zuwendungen aus diversen Budgets (EU, Bund, Länder, Gemeinden), sondern auch noch 2,3 Mrd. Euro an Bundesmitteln für seine Sozialversicherung, die ja einen jämmerlichen Beitragsdeckungsgrad von gerade einmal 28,4 Prozent aufweist.

Der Agrarsektor mit einem Gesamtproduktionswert von gerade einmal 6,8 Mrd. Euro wird also insgesamt mit gut 4,3 Mrd. Euro aus öffentlichen Geldern alimentiert und erreicht damit fast schon das Zuwendungsniveau der Bundesbahnen. Wir verwenden hier absichtlich nicht das Wort „Subvention“, denn auch andere Sozialversicherungen beziehen Zuschüsse (wenn auch in viel geringerem Ausmaß), und vieles in diesen beiden Bereichen läuft offiziell unter dem Titel „Abgeltung für erbrachte Leistungen“.

Was aber nichts daran ändert, dass an die zehn Mrd. Euro aus öffentlichen Mitteln in die zwei Sektoren Landwirtschaft und Bundesbahnen fließen. Und dass Reformen hier besonders schwierig sind, weil es sich um jeweilige Kernwählerzonen von ÖVP und SPÖ handelt. Es herrscht ausgabenmäßig also eine Art Gleichgewicht des Schreckens nach dem Motto „Haust du meine Eisenbahner, hau ich deine Bauern“. Da bleibt man lieber ruhig.

Deshalb fragt auch keiner nach, ob man die manchmal fragwürdige Performance dieses Mitteleinsatzes (zum Beispiel anhaltendes Bauernsterben trotz Milliardenzuwendungen) durch Effizienzsteigerung und das konsequente Hinterfragen von Ausgaben nicht aufpeppen könnte.

Die Bundesbahnen beispielsweise erlösen insgesamt rund eine Milliarde Euro im Jahr, indem sie Personentransportleistungen an Bund, Länder und Verkehrsverbünde (beispielsweise für das Aufrechterhalten von unrentablen Strecken) verkaufen. Das ist auch gut so, denn sie sind keine Caritas auf Rädern, sondern eine gewinnorientierte Aktiengesellschaft, die eigentlich nur rentable Strecken betreiben sollte. Davon gibt es in Österreich eigentlich nur eine: die zwischen Wien und Salzburg. Wer also will, dass auch anderswo Personenzüge fahren, muss zahlen.

Die Frage ist, ob der Preis für diese Leistungen angemessen ist. Oder ob man in einem immer stärker liberalisierten europäischen Eisenbahnmarkt nicht Anbieter fände, die das günstiger hinbekommen oder zumindest mittels Konkurrenz den lokalen Platzhirsch unter Preisdruck setzen.

Diese Frage lässt sich nicht klären, weil diese Leistungen hierzulande (ganz gesetzeskonform übrigens) nicht ausgeschrieben, sondern in der Regel freihändig an die ÖBB vergeben werden. Wir haben es ja, und auf die eine oder andere verplemperte Million kommt es nicht an. Schließlich sind wir, bezogen auf die Pro-Kopf-Verbindlichkeiten, erst das neunthöchst verschuldete Land dieses Globus. Haben also noch Luft nach oben.

Dieses Motto gilt offenbar auch im landwirtschaftlichen Bereich, der mit 4,3 Mrd. Euro offensichtlich nicht auskommt und deshalb jetzt einmalig auch noch seine weitgehend von Nichtlandwirten finanzierte Sozialversicherung für zusätzliche Förderungen anzapfen darf.

Auch hier werden die eingesetzten Mittel ganz augenscheinlich nicht evaluiert. Bei den Agrariern ist die Sache freilich ein bisschen komplizierter, weil der größere Teil der Förderungen den Umweg über Brüssel macht. Da Österreich EU-Nettozahler ist, stammt natürlich auch die EU-Hilfe zu 100 Prozent aus heimischen Steuerkassen, aber ein Teilverzicht auf diese EU-Mittel würde nicht den österreichischen EU-Beitrag verringern, sondern heimisches Geld in ausländische Agrartöpfe umleiten. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

Man könnte aber nachsehen, ob es, wenn man für Bauernhilfen schon die Sozialversicherung plündern muss, nicht sinnvolle Umschichtungen geben könnte. Schließlich geht beim Betrachten der Agrar-Transparenzdatenbank selbst vielen Bauern die Hutschnur hoch. Und zwar deshalb, weil sehr viele dieser „Bauernförderungen“ nicht bei Bauern ankommen.

Wir haben an dieser Stelle schon bei der Veröffentlichung der jüngsten Transparenzdatenbank-Daten auf diese Schieflage hingewiesen. Und darauf, dass in der Liste der größten Agrarhilfeempfänger der erste Bauer (der Gutsbetrieb Hardegg) erst auf Platz 45 kommt. Davor findet man seltsame „Landwirte“ wie etwa die Indianerdorf Errichtungs GmbH & Co. KG, eine EVN-Wärmetochter, die Mostviertel Tourismus GmbH etc.

Der Kärntner Landwirt Hermann Kulterer hat sich die Mühe gemacht, die Datenbank auszuwerten und hat dabei herausgefunden, dass von den 1,93 Mrd. Euro an öffentlichen Förderungen nur 1,43 Mrd. Euro bei Bauern ankommen. Eine satte halbe Milliarde fließt anderswo hin.

Zum Beispiel an sechs Landesregierungen für „Kompetenzzentren“ und an den Subventionsverteiler AMA selbst, der mit insgesamt 29 Mio. Euro praktischerweise gleich selbst der größte Subventionsnehmer ist. Kulterer nennt das zu Recht „Ämterselbstbedienung“. Zweitgrößter „Landwirt“ ist, gemessen an den Subventionen, die Telekom Austria, die sich den Breitbandausbau mit 19,5 Mio. Euro aus dem Bauernförderungstopf bezahlen lässt. Dann halten noch diverse Interessenvertretungen (Biene Wien, Bio Austria etc.) ebenso die Hand auf wie das Umweltbundesamt, der Umweltdachverband, der WWF, verschiedene Tourismusverbände, jede Menge Energieversorger, ein paar Kulturvereine etc. Selbst Kuriositäten wie die Arge Heiraten im Salzkammergut oder das Straßenbahnmuseum Mariazell verjausnen Bauerngeld.

Da sollte man einmal wirklich die Sinnhaftigkeit diskutieren. Wenn Ihnen demnächst ein Landwirtschaftskammerfunktionär erklärt, die Agrarsubventionen seien für die kleinen Bauern da, dann gehen Sie mit ihm am besten gemeinsam diese Transparenzdatenbank durch. Auch die letzten Seiten, auf denen die wirklichen Kleinbauern stehen. Beispielsweise jener anonymisierte Landwirt aus Allerheiligen bei Wildon, bei dem die Agrarbürokratien in Brüssel und Wien rotiert haben, um ihm für das entsprechende Jahr genau einen Cent zuzusprechen. Als „Abgeltung für Umweltmaßnahmen“. Und dann fragen Sie noch einmal nach, ob dieses teure Absurditätenkabinett wirklich ernst gemeint sein kann.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

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