Dem Budget droht „Griechisierung“

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Nicht die Verwaltungsreform, sondern die Budgetsanierung über Steuererhöhungen ist eine Illusion gegen die sich immer mehr Widerstand formiert. Es brodelt unter der Decke ganz gewaltig

Wie es mit dem Heben des offenbar reichlich vorhandenen Effizienzpotenzials dieses Landes weitergeht, wissen wir seit dieser Woche: Aus der ÖVP-Spitze hören aufmerksame Beobachter immer lauteres Murren über Parteifreund Christoph Leitl und dessen Vorschläge für „diese populistische Verwaltungsreform“, die der Wirtschaftskammerpräsident unter dem Slogan „Erneuern statt Steuern“ unermüdlich propagiert. Und Bundeskanzler Faymann hat der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt, dass er „eine Verwaltungsreform, die die Staatskassen füllt“ für eine „Illusion“ hält und es „eine Verwaltungsreform, bei der man den Ländern Geld wegnimmt, um das Budget zu sanieren“, einfach „nicht geben“ wird.

Danke für die Klarstellung. Wir warten also offenbar, bis uns EU oder IWF irgendwann die Sache mit der Sanierung des Budgets aus der Hand nehmen und die absehbare (wenn auch noch ein bisschen entfernte) „Griechisierung“ der heimischen Staatsfinanzen extern stoppen.

In der Zwischenzeit nehmen wir zur Kenntnis, dass die Befassung zahlreicher Experten (unter anderem von den beiden Wirtschaftsforschungsinstituten und vom Rechnungshof) mit einer Staatsreform, die es „nicht geben“ wird, reine Beschäftigungstherapie zum Dampfablassen war. Dass man also die Verbesserungsvorschläge dieses Gremiums samt des vorgeschlagenen nachhaltigen Einsparungspotenzials von mehreren Milliarden Euro dem urösterreichischen Schicksal der „Schubladisierung“ zuzuführen gedenkt.

Man ist ja mit Wichtigerem beschäftigt. Zum Beispiel mit der staatstragenden Frage, ob das Verpackungspapier mit der Wurst mitgewogen werden darf (darf es nicht, da soll noch einer sagen, diese Regierung hätte keine Lösungskompetenz). Oder mit dem „Abschleifen“ der Härten des (trotz monatelanger Bedenkzeit offenbar unausgegorenen) Loipersdorfer Steuerbelastungspakets. Wenn dort alle „Härten“ für Familien, Langzeitstudenten, Fonds etc. „abgeschliffen“ und die Überweisungen an die Länder abgezogen sind, wird wohl nicht mehr viel übrig bleiben als eine sinnlos erhöhte Steuerquote ohne jeglichen nachhaltigen Sanierungseffekt. Gute Arbeit, alle Achtung!

Freilich: Die Vorstellung, die Koalition könnte sich mit solchem Pfusch still und leise über den nächsten Wahltermin retten, könnte sich tatsächlich als Illusion herausstellen. Das zeigen jedenfalls die Reaktionen auf die in der Vorwoche an dieser Stelle erschienene „Bilanz“ („Plädoyer für einen Volksaufstand“), in der es geheißen hat, die Regierung müsse „von unten“ zu Reformen gezwungen werden, wenn sie diese selbst nicht in die Hand nehme: eine bisher nicht gekannte Flut0 an Zuschriften mit einem durchgängigen Tenor: „Wo kann ich unterschreiben, wo kann ich mitmachen, wer nimmt die Sache in die Hand?“

Da brodelt es unter der Decke ganz gewaltig und es beginnt sich einiges zu formieren. Wir werden darüber berichten. Besonders erstaunlich: Unter den Unzufriedenen befinden sich viele honorige Unternehmer, denen es nach eigenen Worten bisher nie eingefallen wäre, auf die Barrikaden zu steigen, die es aber nun leid sind, ständig für die Finanzierung der Lebenslügen dieser Republik „pecken“ zu müssen.

Zu diesen Lebenslügen gehört etwa die Vorstellung, der sündteure Austro-Föderalismus mit neun gesetzgebenden Körperschaften, neun Bauordnungen etc. diene den Interessen der Menschen „da draußen“. Und nicht den Machtfantasien regionaler politischer Eliten, die unterdessen lieber den Staatsbankrott riskieren, als auf die Verfügungsgewalt über Pöstchen zu verzichten. Oder die stolze Ansage, Österreich habe eine besonders niedrige Arbeitslosenrate. Ohne dazu zu sagen, dass die Differenz zum europäischen Durchschnitt in besonders hohen (und teuren) Frühpensionsraten versteckt ist.

Oder gar die Behauptung, Österreich habe seine Staatsschulden im Griff, wenn bald 40 Mrd. Euro (also zwei Drittel der Steuereinnahmen eines Jahres) außerbudgetär versteckt sein werden.

Da hat übrigens vor Kurzem ein (eher dubioses) Schweizer Institut für ganz Europa Entwarnung gegeben: Die Vermögen der Europäer seien viel größer als die Staatsschulden. Man möge also einfach 20 Prozent der Privatvermögen „einziehen“ – und schon sei die Schuldenkrise gelöst. Das ist natürlich eine Möglichkeit (und, über Geldentwertung, eine nicht einmal unwahrscheinliche). Für eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen verdient, sollte es aber noch andere (wenn auch unbequemere) Varianten geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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