Staatsschulden: Wer ist hier wirklich pleite?

(c) AP (Pablo Martinez Monsivais)
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Die USA, die wirtschaftliche Führungsmacht des Globus, steuern auf eine Budgetkatastrophe zu, heißt es. Aber sie geben anteilig immer noch weniger für Schuldenzinsen aus als Österreich.

In den vergangenen Tagen sind wir mit Katastrophenmeldungen aus den USA überhäuft worden: Die Staatsschulden liegen dort schon über 14 Billionen Dollar und werden wahrscheinlich schon in den nächsten Monaten die Grenze von 100 Prozent des BIPs durchschlagen. Sie wachsen katastrophal schnell, sodass die Zinskosten für die Staatsschuld bis 2016 von derzeit 1,7 Prozent auf 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts explodieren könnten.

Mit anderen Worten: Die wirtschaftliche Führungsmacht des Globus steht wohl vor dem Staatsbankrott. Gut, dass wir solche Probleme hier bei uns im Euroraum in dem Ausmaß nicht haben. Oder wie?

Holen wir einmal ganz kurz, aber tief Luft und schauen wir uns die Vergleichsdaten an: 3,1 Prozent des BIPs nur für Zinsen ist tatsächlich ein Horrorwert. Nur: Hier in Österreich standen wir mit Zinszahlungen von 7,74 Mrd. Euro schon im Vorjahr bei annähernd 2,7 Prozent des BIPs. Gemessen an der Wirtschaftsleistung war die Zinsbelastung für die Staatsschuld also um fast 60Prozent höher als in den angeblich bankrotten USA.

Und Österreich ist innerhalb der Eurozone ein budgetärer Musterknabe mit vergleichsweise sehr guten Daten. Bevor also die USA pleite gehen, würde wohl die Mehrzahl der Euroländer (samt dem budgetär auch sehr nackt dastehenden Nichteurostaat Großbritannien) den Bach hinunterrauschen.

Man kann die derzeit bei uns so gerne gewälzten US-Katastrophenszenarien also getrost einmal unter „Ablenkungsmanöver“ ablegen. Und sich auf die eigenen Hausaufgaben konzentrieren.

Da hat es zuletzt ein paar alarmierende Vorfälle gegeben. Die Nachricht, dass die Steuereinnahmen besser als erwartet sprudeln, hat auf der Stelle eine politische Diskussion ausgelöst, wo man dieses Geld denn am besten gleich wieder verbraten könnte. Und das Faktum, dass die Krankenkassen Überschüsse erzielen, hat den Gesundheitsminister gleich darüber philosophieren lassen, welche zusätzlichen Leistungen man damit in einem der teuersten Gesundheistssysteme der Welt noch finanzieren könnte.

Es gibt in der fidelen Regierungsmannschaft also ganz offenbar kein Gefühl dafür, wie verfahren der Karren ist. Natürlich: Es gibt sehr schöne Projektionen, wie die Staatsschuldenquote in den nächsten Jahren wieder in die Nähe der von niemandem eingehaltenen und deshalb obsoleten Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIPs zurückgefahren werden kann. Sie sind nur das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Denn sie gehen von geschönten Zahlen aus, denen zufolge die Staatsschuld derzeit bei annähernd 70 Prozent des BIPs liegt.


Sie liegt natürlich viel höher. Rechnet man die etwa bei den ÖBB, der Asfinag, BIG etc. geparkten „ausgelagerten“ Schulden dazu, dann stehen wir knapp unter 90Prozent. Dazu kommen noch Haftungen im hohen zweistelligen Milliardenbereich, die teilweise auch Drohpotenzial beinhalten. Und von den „expliziten“ Staatsschulden, die beispielsweise ungedeckte Pensionsverpflichtungen für kommende Jahre beinhalten, reden wir da noch gar nicht.

Bleiben wir bei den offiziellen Zahlen: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat ausgerechnet, dass das österreichische Budget fünf Jahre lang einen Primärüberschuss von 5,1Prozent oder 20 Jahre lang einen Primärüberschuss von zwei Prozent aufweisen müsste, um die Staatsschuldenquote auf das Vorkrisenniveau zurückzubringen und dort zu stabilisieren. Wir haben aber einen negativen Primärsaldo von 1,7 Prozent, der heuer deutlich über zwei Prozent steigen wird. Mit anderen Worten: Um auf den BIZ-Konsolidierungspfad zu kommen, fehlen uns heuer mindestens elf Mrd. Euro.

Der Primärsaldo ist das Budgetergebnis ohne Zinszahlungen. Ein negativer Primärsaldo bedeutet, dass man selbst für die Zinsen der Staatsschuld zusätzliche Kredite aufnehmen muss.

So schaut's aus. Bevor wir uns für die USA zu Tode fürchten, wäre es also wohl gescheiter, der eigenen, extrem reformunwilligen Regierung den entscheidenden Reformkick zu verpassen.


E-Mails:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2011)

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