Ein paar Fragen an die Pyramidenspieler

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Nicht die griechische Schuldenkrise ist das größte Problem, sondern die offensichtliche Hilflosigkeit und Ratlosigkeit der Euro-Politiker im Umgang damit. Die Herrschaften wirken, als hätten sie keinen Plan.

Die jüngsten Turbulenzen um die De-facto-Pleite des griechischen Staates lassen einen schlimmen Verdacht aufkommen: Die existenzbedrohende Schuldenkrise, mit der sich Athen herumschlägt, wäre für Europa schon zu stemmen. Aber wohl nicht mit diesem politischen Personal. Man muss sich nur die Fakten anschauen: Kein ernst zu nehmender Experte glaubt noch, dass Griechenland mit dem Finanzschlamassel, in dem es steckt, allein zurechtkommt. Und kein ernst zu nehmender Experte glaubt, dass das mit dem Hineinschütten von immer neuen Milliarden aus den anderen Euroländern, die dann sofort wieder für Zinszahlungen draufgehen, zu planieren ist.

Natürlich glaubt auch kein europäischer Finanzpolitiker daran, und schon gar kein Notenbanker. Aber die Herrschaften üben sich im Verharmlosen und Vertuschen, halten Geheimkonferenzen ab und wirken wie ein vom Fuchs aufgescheuchter Haufen Hühner, die panisch und planlos über den Hühnerhof rennen.

Ein Kommunikationsdesaster allererster Güte. Und das ist die eigentliche Katastrophe: Die Herrschaften wirken, als hätten sie keinen Plan. Und sie agieren so, als wäre dieser Eindruck auch treffend. Das, und nicht der griechische Schuldenstand, ist der Hauptgrund dafür, dass Griechenland gerade jetzt serienweise Abstufungen von Ratingagenturen erhält.

Die Höhe der Schulden ist für die Ratingagenturen nichts Neues. Das haben sie auch schon vor einem halben Jahr gewusst. Und dass sich ein derartiger Rucksack ohne Schuldenschnitt oder extreme Schuldenstreckung (was de facto auf dasselbe hinausläuft) nicht tragen lässt, auch. Was die Ratingexperten wirklich nervös macht, ist die Ratlosigkeit, mit der EU und EZB da ans Werk gehen.

Dabei ist die Griechenlandkrise ja längst eine europäische Bankenkrise. Vor allem eine der EZB. Denn die Euronotenbank hat bereits Euroanleihen über 76 Mrd. Euro im Portfolio. Der überwiegende Teil davon besteht aus Griechen-Bonds. Ein pyramidenspielartiges In-sich-Geschäft, das dadurch, dass es die amerikanische Fed noch viel ausgedehnter betreibt, auch nicht besser wird.

Griechenland braucht einen Schuldenerlass von mindestens 50 Prozent, um wieder zu eigenem finanziellen Atem zu kommen. Bei diesem (von der Finanzwelt relativ fix erwarteten) „Haircut“ hätte die EZB also ein „Loch“ von annähernd 35 Mrd. Euro. Das wohl von den Euromitgliedern im Verhältnis ihrer EZB-Anteile aufgefüllt werden müsste.

Österreich ist an der EZB mit 2,86 Prozent beteiligt, wir müssten dafür also eine runde Milliarde „pecken“. Zusätzlich zu den 1,2 Milliarden, die bei einem solchen „Haircut“ auf jene 2,3 Mrd. Euro entfielen, die als direkte Hilfe in Form von Krediten vergeben wurde.

Falls sich die EU dazu entschließt, Griechenland- und Bankenrettung in einem Aufwaschen zu machen, indem man der Rettungsschirm-Zweckgesellschaft erlaubt, griechische Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt (also von den Banken) zu kaufen, ändert sich daran nichts: Auch am Rettungsschirm zahlt Österreich ja anteilig mit.

Wir werden die Malaise also bezahlen. Und hätten da jetzt ein paar Fragen an die Beschwichtigungs- und Vertuschungshofräte in Brüssel und den Euroland-Hauptstädten:
Erstens: Wie stellen Sie sich eine tragfähige Lösung der Griechenland-Misere (und der bald folgenden in Portugal) konkret vor? Gibt es einen Plan und wenn ja, was sieht der für den vorerst zumindest in Griechenland unausweichlichen Schuldenschnitt vor?
Zweitens: Wer soll das bezahlen? Die Steuerzahler in den Euroländern, schon klar. Aber wie hoch wird der Anteil der Banken sein, die auf den Griechen-Bonds sitzen? Die sehr erfolgreichen Bankenlobbys haben in Europa ja schon die – von vielen bereits eifrig nachgeplapperte – Parole ausgegeben, dass man die Banken bei einem „Haircut“ nicht „enteignen“ könne, weil diese bisher nicht damit rechnen konnten, dass ihre griechischen Staatsanleihen auch mit Risiko behaftet seien.

Das ist natürlich blanker Unsinn: Natürlich mussten sie damit rechnen. Und sie haben das auch getan. Indem sie hohe „Risikoaufschläge“ verlangten. Risikoaufschläge ohne Risiko – das wäre wohl ein klarer Fall von Zinswucher, der den Banken gehörige Mitschuld an der Griechenlandkrise geben würde. Aber, wie gesagt: Das Risiko war den Bankern ja bewusst, wie die Risikoaufschläge beweisen.
Drittens: Was gedenkt „Euroland“ zu tun, um die Ansteckung anderer Länder mit dem Griechenland/Portugal/Irland-Virus zu verhindern? Es gibt ja klare Anzeichen dafür, dass einige Euro-Finanzminister und Regierungschefs den Ernst der Lage noch immer nicht erkannt haben und in einer Art finanztechnischem Wolkenkuckucksheim leben. Darunter leider auch die österreichische Regierungsspitze, die ja keinerlei Reformbedarf mehr sieht, weil es ohnehin so gut läuft. Vielleicht kann einmal ein Experte der heimischen Regierung vorrechnen, dass auch Österreich aus der Schuldenfalle – die sich durch steigende Zinsen bald verschärfen wird – mit ein bisschen Wachstum und ein paar neuen Steuern nicht mehr herauskommt.

Noch muss man nicht den vermögensvernichtenden „Reset“-Knopf drücken: Ein Euro-Crash ist freilich auch keine Option, und die Krise ist derzeit noch nicht so tief, dass sie für die Euro-Mitgliedsländer nicht mehr beherrschbar wäre. Aber mit Lügen, Beschwichtigen und Probleme-vor-sich-Herschieben wird das nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2011)

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