Mit Konkursverschleppung ist in Griechenland niemandem geholfen

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Die Weichei-Politik von EZB und Euro-Finanzministern ist eine Einladung an alle Spekulanten, Staaten-Domino zu spielen. Solche praktisch risikolosen Gewinnchancen hat man schließlich nur einmal im Spekulantenleben.

Jetzt ist also Portugal wieder dran. Nach der Weicheierei von EZB und Euro-Finanzministern um die Griechenland-Krise war das freilich zu erwarten: Was hier auf die Athener Bühne gebracht wurde, ist eine goldumrandete Einladung an alle Finanzspekulanten dieses Globus, es mit einem Euroland nach dem anderen zu versuchen. Solche praktisch risikolosen Gewinnchancen – die Rechnung begleichen so gut wie ausschließlich die Steuerzahler – hat man schließlich nur einmal im Spekulantenleben.

Bisher sind rund 110 Mrd. Euro nach Griechenland geflossen, nach dem zweiten, gerade verhandelten Rettungspaket werden es wahrscheinlich 230 Milliarden sein. Das sind dann rund 650 Euro pro Euroland-Bewohner, Kinder und Greise mitgerechnet.

Ein verschmerzbarer Betrag, wenn damit ein Problem gelöst würde. So viel Pro-Kopf-Spende verjausnen die ÖBB ja in einem Jahr. Es wird aber keines gelöst: Das Geld dient ausschließlich zur Refinanzierung alter Schulden, ist also weg. Und am Ende der verpulverten 210 Milliarden steht das Land genau dort, wo es vorher war: am Abgrund, mit einem nicht zu schulternden Schuldenrucksack. Das Geld der europäischen Steuerzahler ist dann längst wieder auf den Konten der Gläubigerbanken.

Natürlich wissen das alle, auch die politischen Akteure. Dass sie aus Furcht, die bittere Wahrheit könnte allgemein bekannt werden und ihnen die Jobs kosten, nicht danach handeln, sondern die gesamte Eurozone immer tiefer ins Schlamassel reiten, ist so gesehen eine Art von Konkursverschleppung – also eigentlich kriminell.

Am Beginn aller Lösungsversuche für die Staatsschuldenkrise kann nur die schonungslose Wahrheit stehen. Die Karten müssen auf den Tisch. Bitte sehr:

•Griechenland ist seit 2010 pleite. Der „Default“, um den jetzt so herumgeeiert wird, ist längst eingetreten. Es ist ausgeschlossen, dass Griechenland seine Schuldenlast aus eigener Kraft abbaut. So viel Wirtschaftswachstum kann es (noch dazu bei drastischen Sparmaßnahmen) einfach nicht geben. Die einzige Möglichkeit, das Land wieder auf die Beine zu stellen, ist ein Schuldenschnitt um mindestens 50 Prozent. Dann kann man frisches Geld in die Hand nehmen, um dem Land beim wirtschaftlichen Wiederaufbau zu helfen. Auch der jetzt geplante „Rollover“ der Schulden mit einer Endlosstreckung auf 30 Jahre ist ja nichts anderes als ein „sanfter“ Schuldenschnitt. Wieso gibt das niemand zu? Ohne Schuldenschnitt wird Griechenland jedenfalls zum daueralimentierten Intensivpatienten. Je früher dieser Schnitt geschieht, desto besser.

•Gläubiger müssen zahlen. Eine der größten politischen Katastrophen ist das Weichei-Gelabere darüber, ob man private Gläubiger an der Griechenland-Rettung „beteiligen“ solle. Und wenn ja, ob freiwillig oder nicht. Entschuldigung: Wer sonst als der Gläubiger, der sich sein Risiko mit Zinsen abgelten lässt, soll dieses tragen? Marktwirtschaft funktioniert seit sehr langer Zeit sehr gut auf der Basis von Anreizsystemen der Marke „Zuckerbrot und Peitsche“. Setzt man diese außer Kraft, dann passiert etwas, was man sich im europäischen Agrarsystem sehr schön anschauen kann: Nichts funktioniert mehr und der Steuerzahler „brennt“.

Das Risiko, Geld zu verlieren, ist schließlich ein wesentlicher Anreiz für den Geldgeber, sich seine Schuldner genau anzuschauen. In diesem Fall hätte Griechenland schon vor Jahren kein Geld mehr geliehen bekommen? Genau: Und die folgende Rettung wäre deutlich billiger geworden. So wie es jetzt aussieht, müsste man allen eigentlich raten, massiv griechische, portugiesische, irische und andere Problemanleihen zu kaufen. Hohe Zinsen bei null Risiko bekommt man als Privater ja nicht allzu oft.

•Ratings werden überschätzt. Ratingagenturen haben in der Finanzwirtschaft vielfach die Funktion, die Unternehmensberater in der „realen“ Wirtschaft haben: Man kann Verantwortung abschieben und sich, wenn ein Investment schiefgeht, sehr einfach hinter der Bewertung der „Externen“ – die selbst wiederum keine reale Verantwortung übernehmen – verstecken. Angenehm! Dass Ratings nicht in Stein gemeißelt und vom Berg Sinai verkündet sind, hat ja die EZB selbst gerade erst durchblicken lassen. Mit dem Statement nämlich, dass sie griechische Staatsanleihen auch dann noch als Sicherstellung annehmen würde, wenn zwei der drei Agenturen die Wahrheit sagen und Griechenland auf „Default“ setzen. Warum also übernimmt man nicht selbst Verantwortung, sondern macht kommerzielle Unternehmen, wie das Ratingagenturen nun einmal sind, zu Herren über die Eurozone?

•Ein Staatsbankrott ist kein Weltuntergang. In den vergangenen 20 Jahren hat es eine Reihe von echten Staatspleiten gegeben. Von Argentinien bis Russland, wobei Russland von der Dimension her doch ein bisschen größer als Griechenland war. Dabei haben Gläubiger, auch private, eine Menge Geld verloren und die Märkte haben vorübergehend ein wenig verrückt gespielt. Aber die Welt ist nicht eingestürzt. Seither hat die umfassende Globalisierung der Finanzbranche die Dinge ein bisschen komplizierter gemacht, weil sie sich nicht mehr ganz so einfach regional eingrenzen lassen. Aber was die Bankenlobby derzeit an Horrorszenarien für den Fall ausmalt, dass der de facto bereits eingetretene Griechenland-Default offiziell wird, ist doch sehr durchschaubar.

Natürlich geht ein schneller Schuldenschnitt nicht ohne Blessuren ab. Unterbleibt er aber, dann wird es richtig teuer: Die Einladung an die Finanzbranche, das Griechenland-Spielchen mit Portugal, Irland, Belgien, vielleicht auch mit Italien weiterzuspielen, die würde die Eurozone tatsächlich ernsthaft gefährden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2011)

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