Finanztransaktionssteuer: Gelebte Realitätsverweigerung

(c) Dapd (Patrick Sinkel)
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Die Finanztransaktionssteuer ist vorerst tot, und damit klafft im Sparpaket eine weitere Milliardenlücke. Überraschend ist dabei höchstens das Tempo, mit dem diese Regierungs-Seifenblase geplatzt ist.

Schnell ist es gegangen: Das Sparpaket ist vom Parlament noch gar nicht beschlossen, da klafft schon die erste reale Milliardenlücke: Seit dem dienstägigen EU-Finanzministertreffen steht nämlich ziemlich sicher fest, dass es die im heimischen Budget zwischen 2014 und 2016 mit kumuliert 1,5Mrd. Euro schon fix eingeplante Finanztransaktionssteuer so nicht geben wird. Und wenn doch, dann wird ihr Erlös nicht ins heimische Budget fließen. Denn diese Steuer, die europaweit 57 Mrd. Euro im Jahr einspielen sollte, ist ja bereits mehrfach verplant.

Die Ökosoziale Fraktion wollte damit ursprünglich die Entwicklungshilfe dotieren, Finanzminister würden damit gerne ihre bedrohlichen Budgetlöcher stopfen. Und die EU hätte das Konstrukt gerne zur ersten Gemeinschaftssteuer gemacht. Wenn die Steuer, wonach es derzeit so gar nicht aussieht, tatsächlich kommt, dann wird es wohl die Gemeinschaftssteuer werden. Dass die Lektion „Das Budget ist kein Traumbüchlein, in das man flott ein paar Fantasiezahlen schreibt“ so schnell und heftig kommt, hat die Regierung wohl nicht erwartet.

Häme ist aber nicht angebracht: Erstens wird sich die Regierung für die jetzt wohl fehlenden 1,5Milliarden (und für ein paar andere auf dem Prinzip Hoffnung beruhende Sparpaket-Positionen) andere Finanzierungsquellen suchen müssen, was Steuerzahler durchaus als gefährliche Drohung auffassen könnten.

Und zweitens wäre eine intelligent gestaltete Finanztransaktionssteuer gar nicht so dumm: Ein Satz von 0,1Prozent bei Aktien und Anleihen wäre beispielsweise bei „normalen“ Investitionen kaum spürbar, würde aber mitunter destabilisierende Auswüchse wie etwa den automatisierten Hochfrequenzhandel unrentabel machen.

Allerdings nur dann, wenn die Steuer (was völlig unrealistisch ist) global eingeführt wird. Oder wenn sie EU-weit so gestaltet ist, dass ein Ausweichen auf exotische Börsenplätze unmöglich gemacht oder extrem erschwert wird. Auch das ist nicht gerade eine Variante, auf deren Realisierung man hohe Summen wetten sollte.

National lässt sich eine Finanztransaktionssteuer nicht verwirklichen. Schon gar nicht in einem kleinen Land mit einer Nebenbörse wie Österreich. Außer man will den ohnehin schon mit genug Problemen kämpfenden heimischen Aktienmarkt gänzlich kaputtmachen. Das Geschäft wäre in diesem Fall nämlich schneller weg, als die Finanzministerin „Finanztransaktionssteuer“ sagen kann.

Das wird also nichts. Am ehesten wird sich wohl das machen lassen, was unter den Euro-Finanzministern jetzt als „Kompromiss“ gehandelt wird: Eine Ausweitung der britischen „Stamp Duty“ auf die gesamte Eurozone, vielleicht auch auf die gesamte EU. Das ist dann allerdings wirklich nur eine reine Geldbeschaffungsaktion: Die „Stempelsteuer“, die als „Börsenumsatzsteuer“ auch hierzulande lange Usus war, bringt zwar auch Geld, ist aber beim besten Willen nicht mit gewünschten Lenkungseffekten – etwa der Einschränkung des Hochfrequenzhandels oder von bestimmten Derivatspekulationen – argumentierbar.

Während nämlich die Finanztransaktionssteuer (mit unterschiedlichen Steuersätzen) so gut wie alle Finanzinstrumente einschließlich der Derivate umfasst, beschränkt sich die „Stempelsteuer“ auf börsengehandelte Anleihen und Aktien. Also auf die Instrumente, die die wenigsten Probleme machen. Und auch da wird die Steuer großflächig umgangen: In Großbritannien boomt das stempelsteuerfreie Geschäft mit sogenannten Differenzkontrakten, bei dem die Marktteilnehmer nur noch so tun, als würden sie echte Aktien handeln – und am Ende dann einander die Differenz verrechnen, die bei einem echten Geschäft angefallen wäre. Auch eine Methode, um aus Wertpapiermärkten Wettbüros zu machen.

Dass kleine Länder auch eine Börsenumsatzsteuer nicht einfach autonom einführen können, haben übrigens die Schweden schmerzhaft erfahren:. Ein entsprechender Versuch endete mit großflächigen Verlagerungen ins Ausland, für den Fiskus blieb unter dem Strich nur ein Zwanzigstel der erwarteten Einnahmen zurück. Kein Wunder, dass die Schweden heute bei den Gegnern der Transaktionssteuer sitzen.

Dass ein ähnlicher Versuch vor knapp 20Jahren in der Schweiz ganz schnell wieder abgebrochen wurde, weil man das Knallen der Champagnerkorken aus luxemburgischen Finanzhäusern bis an den Zürichsee hören konnte, sei hier nur am Rande erwähnt.

Kurz gesagt: Auch wenn es durchaus Argumente für eine Besteuerung von Finanztransaktionen gibt – sehen werden wir eine solche auf EU-Ebene realistischerweise nicht so schnell. Eine solche ließe sich nur einstimmig beschließen. Und so naiv zu glauben, dass Großbritannien, Schweden und fünf weitere strikte Gegner nach ein bisschen Streicheln gleich zustimmen werden, wird hoffentlich niemand sein.

So naiv ist natürlich auch unsere Finanzministerin nicht. Was zum Teufel hat die Regierung also geritten, in dieser krassen Form gelebte Realitätsverweigerung zum Inhalt eines Budgetsanierungspakets zu machen? Nicht auszudenken, wenn sich der restliche Inhalt des Pakets als ähnlich realitätsbezogen herausstellt. Überraschen würde das aber leider wohl niemanden mehr.


E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2012)

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