Budget: Mit hohem Tempo in die Nebelwand

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Die bereits beschlossenen künftigen Schuldenaufnahmen haben mit 193 Mrd. Euro fast schon den Stand der gesamten bestehenden Staatsschuld erreicht. Für seriöse Finanzsteuerung fehlen dem Staat aber die Instrumente.

Vorige Woche haben die heimischen Parlamentarier einen bemerkenswerten Akt höchster Verantwortungslosigkeit gesetzt: Sie haben die (wörtlich) „Belastung zukünftiger Finanzjahre“ mit rund 33Mrd. Euro beschlossen, ohne im Detail wirklich zu wissen, wofür.

Für (höchst umstrittene) Eisenbahninvestitionen und -zuschüsse, schon klar. Aber der detaillierte Rahmenplan, auf dessen Basis der Ministerrat diese enorme Belastung künftiger Generationen durchgewunken hat, ist dem Parlament trotz Verlangens der Opposition nicht vorgelegt worden. Weder im Budgetausschuss, noch im Plenum.

Unnötig zu sagen, dass die Parlamentarier der Regierungsparteien gar nicht wissen wollten, was sie da genau beschließen. Wozu auch? Sagt eh der Klubobmann, wann die Hand zu heben ist und wann nicht.

Ein Einziger, der ÖVP-Abgeordnete Ferry Maier, wollte sich nicht zum Abstimmungskasperl machen lassen und hat dagegen gestimmt. Unnötig zu sagen, dass ihn seine eigene Partei daran gehindert hat, das im Plenum zu begründen. Und dass er demnächst Ex-VP-Abgeordneter ist.

Jetzt könnte man natürlich über das enorme Sparpotenzial witzeln, das in der Verkleinerung des Parlaments auf fünf Abgeordnete (für jede Partei einen) liegt. Denn das Märchen vom „freien Abgeordneten“ ist von der Praxis ohnehin längst widerlegt. Und mindestens 8000Euro im Monat mal 183 ist ein bisschen teuer für ferngesteuerte Handaufheber.

Aber gerade der Anlassfall ist ein bisschen ernst für seichte Witzchen. Denn im Posten „Belastung künftiger Finanzjahre“ baut sich ganz unbeobachtet von der Öffentlichkeit ein enormes Schuldendesaster auf. Zusammengefasst werden darunter finanzielle Ausgaben für Vorhaben, die bereits fix geplant sind (wie etwa die Tunnelorgie), für die die entsprechenden Darlehen aber erst aufgenommen werden müssen. Es sind also sozusagen für die Zukunft fix eingeplante zusätzliche Schulden.

Laut Rechnungshof ist das die mit Abstand am schnellsten wachsende Position im Staat. Zwischen 2007 und 2011 etwa sind die Nettofinanzschulden des Bundes um 36,3Prozent gestiegen, die staatliche Gesamtverschuldung (wegen der finanziellen Eskapaden der Länder und Gemeinden) um 53,8Prozent.

Die „Belastung künftiger Finanzjahre“ hat aber um 55,8Prozent auf 160,6 Mrd. Euro zugenommen. Jetzt sind noch einmal 33Milliarden für die Bahn dazugekommen, sodass die Summe der bereits fix geplanten zusätzlichen Schulden beinahe schon den Stand der bestehenden Gesamtverschuldung erreicht. In absoluten Zahlen: Die Republik ist derzeit mit rund 220Mrd. Euro verschuldet (das sind rund 73Prozent des BIPs) und hat weitere Schulden in Höhe von 193Mrd. Euro (das sind rund 64Prozent des BIPs) per Parlamentsbeschluss bereits fix eingeplant.

Das sind ordentliche Brocken, deren „Handling“ hohe Anforderungen an staatliches Finanzmanagement stellen würde. Dafür fehlen aber die Instrumente, wie der Präsident des Rechnungshofs, Josef Moser, erst diese Woche wieder bekrittelte. Vor Wirtschaftsprüfern in der Österreich-Zentrale von PricewaterhouseCoopers sagte Moser, das praktizierte Rechnungswesen liefere dem Staat keine ausreichenden Steuerungsgrundlagen. Einzelne Abschlüsse seien nicht miteinander vergleichbar, durch die angewendete Kameralistik seien „wichtige Ergebnisgrößen nicht erkennbar“, weil ausgegliederte Einheiten in staatlichen Vermögens- und Ergebnisrechnungen nicht konsolidiert seien, gebe es „keine getreue Darstellung der finanziellen Lage“. Speziell bei Ländern und Gemeinden, wo ja besonders massiv ausgelagert wurde.

Etwas einfacher ausgedrückt: Die öffentliche Hand ist finanziell unterwegs wie ein Autofahrer, der mit 100km/h in eine Nebelwand rast. Wie sehr hier verschleiert und vernebelt wird, demonstriert Moser anhand der steirischen Gemeinde Fohnsdorf: Die hatte per 31.12.2009 offiziell 21,56Mio. Euro Schulden. So steht es im Rechnungsabschluss, und so weist das auch die Statistik Austria aus.

Der Rechnungshof hat dort aber etwas tiefer gebohrt. Und da kommen noch Leasingverbindlichkeiten über 4,14Mio. Euro und „bereinigte“ Kassenkredite über 2,8Mio. Euro ans Tageslicht, sodass sich die „tatsächlichen“ Schulden auf 28,5Mio. Euro belaufen. Aber, und jetzt kommt der Hammer, die Gemeinde hat auch hurtig ausgegliedert. Nimmt man die Schulden der Ausgliederungen (für die ja auch die Gemeinde geradesteht) dazu, dann schnellt die Gesamtverbindlichkeit auf 57,8Mio. Euro hoch.

Da ist weniger die absolute Zahl interessant (an den paar Millionen geht die Republik nicht zugrunde) als die Relation: Die tatsächlichen Verbindlichkeiten sind hier fast drei Mal so hoch wie die offiziell ausgewiesenen.

Wenn das auch nur halbwegs repräsentativ sein sollte, dann gute Nacht. Dann hat dieses Land ein Finanzproblem, von dem Ratingagenturen und Anleihegläubiger besser nichts erfahren sollten.

Angesichts solcher finanzieller Gruselszenarien sollte man Parlamentarier, die mehrstellige zukünftige Milliardenbelastungen einfach ohne großes Hinterfragen durchwinken, schon fragen, ob ihnen auch wirklich klar ist, was sie da tun.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2012)

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