Facebook: Die Abzocker und ihre „Greater Fools“

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Mit den kleinen und großen Gaunereien rund um den gefloppten „Börsengang des Jahrhunderts“, haben die US-Emissionsbanken dem Börsengedanken einen schlechten Dienst erwiesen.

Drei Tage nach dem Börsengang schon auf Verlusten zwischen 18,4 und 31,1 Prozent zu sitzen (je nachdem, ob man am Freitag zum Höchst- oder Tiefstkurs gekauft hat), das muss den Facebook-Neoaktionären erst einmal jemand nachmachen. Auch wenn es gestern erstmals nach einer Kursgegenbewegung aussah – der Börsengang des „Social Networks“ kann vorerst einmal den Wanderpokal für den „Börsenflop des Jahrtausends“ für sich beanspruchen.

„Presse“-Leser waren ja hoffentlich nicht dabei. In der „Presse am Sonntag“ war schon am 6. Mai folgende Empfehlung zu lesen gewesen: „...bedeutet nicht, dass Facebook-Aktien ihren Haltern mittelfristig nicht Freude machen können. Aber vorerst werden sie wohl nur eine Gruppe von Altaktionären um Firmengründer Mark Zuckerberg reich machen. Die Empfehlung lautet in diesem Fall also: den Anfangshype abwarten und erst zuschlagen, wenn sich nach dem Platzen der üblichen IPO-Blase ein sichtbarer Aufwärtstrend etabliert.“

Basis dieser Einschätzung war eine simple Schlussrechnung, die jeder anstellen kann: Vergleicht man die Basis-Fundamentaldaten (Umsatz, Gewinn, Wachstumserwartungen, Stellung im Markt etc.) mit denen von Tech-Unternehmen in derselben Liga (Google, Apple etc.) und setzt die in Relation zu den aktuell in dieser Liga gängigen Börsenbewertungen, dann kommt man auf einen „Wert“ von rund zehn Dollar je Facebook-Aktie. Das ist doch ein wenig entfernt von den 38 Dollar, die die Emissionsbanken der Zuckerberg-Partie beim IPO zugeschoben haben.

Bei hochgehypten Unternehmen wie Facebook kommt natürlich noch ein gewisser Glamour-Faktor dazu. Und das Faktum, dass es sich noch nicht um ein etabliertes Unternehmen in einem satten Markt (wie etwa Microsoft), sondern um ein aggressiv wachsendes mit noch reichlich Wachstumspotenzial handelt, gibt natürlich ordentlich zusätzliche Kursfantasie. Die erste Ziffer des Emissionspreises hätte seriöserweise also durchaus ein „Zweier“ sein können. Mehr aber nicht.

Allerdings: Die Börsen ticken anders. In einem Hype, wie er um Facebook entfacht wurde, zählt Fundamentales nicht. Da wirkt die von John Maynard Keynes beschriebene „Beauty Contest Theorie“: Aktien werden von Anlegern demnach nicht nach ihren fundamentalen Werten „gepreist“, sondern danach, wie sie glauben, dass andere diese Aktien bewerten würden. Die Vulgärvariante dieses Aktien-Keynesianismus an der Börse heißt Greater-Fool-Prinzip. In einem Satz zusammengefasst: Man kauft objektiv völlig überteuerte Aktien in der Hoffnung, einen noch größeren Idioten zu finden, der sie einem noch teurer abkauft.

Das ist exakt das, was die Emissionsbanken (also die Crème der amerikanischen Investmentbanken) bei Facebook praktiziert haben. Zumindest versucht. Denn geklappt hat nur der erste Teil. Den Altaktionären wurden Aktien um 38 Dollar je Stück abgenommen. Ein, wie schon ausgeführt, mehr als ambitionierter Preis, der ihnen 16 Mrd. Dollar beschert hat.

Beim Weiterverkauf an die „Greater Fools“ haben die Banker und ihre „zugeteilten“ Freunde dann aber gepatzt: Wohl im Wissen um den wahren Wert der Papiere haben sie diese am ersten Tag offenbar nach dem Motto „rette sich, wer kann“ an der Nasdaq abgeladen. Immerhin wurden am ersten Tag mehr Stücke gehandelt, als überhaupt auf dem Markt sind, was auf gewisse Panik schließen lässt.

Die potenziellen „Greater Fools“, also kleinere „Institutionelle“ und vor allem Privatinvestoren, haben da, anders als bei früheren Tech-Börsengängen, nicht ausreichend, vor allem aber nicht zu ausreichenden Preisen zugegriffen. Ein hoffnungsvolles Zeichen, das für ihre Reife spricht.

Dumm gelaufen, liebe Investmentbanker, könnte man da sagen. Wenn jetzt nicht noch eine Reihe von unschönen Dingen bekannt geworden wäre. Die Investmentbanken, allen voran Morgan Stanley, haben nämlich nicht nur die übliche „Greater Fool“-Abzocke versucht, sondern offenbar ausgewachsene Investmentbanker-Gaunereien begangen. Etwa im Vorfeld bekannt gewordene schlechtere Prognosen für Facebook nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt oder realistische Einschätzungen der Aktie nur einem ausgesuchten Kreis von Freunden und Großkunden zugänglich gemacht.

Das ist das genaue Gegenteil von Börsenethik – und wird hoffentlich zu rechtlichen Konsequenzen führen. Erste Klagen von sich geprellt fühlenden Anlegern gibt es ja schon.

Der Sache, nämlich der wichtigen Kapitalaufbringung durch Aktien, hat das jedenfalls den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen. Wer immer noch Facebook-Aktionär werden will: Langfristig sind die Chancen gut. Und Einstiegskurse um oder unter 30 könnten durchaus profitabel werden. Aber der Lehrsatz, sich als Privatanleger vom eigentlichen Börsengang fernzuhalten, hat sich bestätigt.

Den sollte man übrigens im Hinterkopf behalten: Noch im Juni gibt es den nächsten Glamour-IPO, wenn die Formel 1 an die Börse geht. In Singapur, wo die Transparenzbestimmungen für börsenotierte Unternehmen besonders lasch sind. Vollgas-Greis Bernie Ecclestone und seine Equity-Fonds-Kumpels werden sich bei dieser Wahl etwas gedacht haben. Also Vorsicht!


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2012)

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