IHS: Wirtschaftsforscher, ganz forsch

Felderer, Kramer
Felderer, Kramer (c) Die Presse - Clemens Fabry
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Das Institut für Höhere Studien wird reformiert. Ökonomen des Hauses schlagen Alarm: Ihre Abteilung wird abgeschafft. Sie wittern den Versuch der Politik, „sich ein Forum für Ideologien zu schaffen“. Roter Ideologien.

Das waren noch Zeiten. Journalisten erinnern sich gern daran. An die Pressekonferenzen nämlich, bei denen seinerzeit österreichische Konjunkturprognosen präsentiert wurden. Vor rund 15 Jahren, zum Beispiel. Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo war Helmut Kramer, das Institut für Höhere Studien (IHS) führte Bernhard Felderer.
Die Konjunkturprognosen damals: ganz großes Kino. Der wortgewaltige Felderer hatte dem IHS nach und nach große Bekanntheit verschafft – und irgendwie konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren: Jede der gemeinsam abgehaltenen Pressekonferenzen war so etwas wie ein Kampf um die Wortführerschaft. Es gab ein regelrechtes Feuerwerk pointierter Formulierungen. Und heftiger Diskussionen.
Unter Kramers Nachfolger, Karl Aiginger, war das nicht anders. Doch 2012 verließ Felderer das IHS. Ihm folgte der wesentlich ruhigere Christian Keuschnigg. Auch er ist seit Ende 2014 im IHS Geschichte. Jetzt macht Sigurd Höllinger den Job. Interimistisch, wohlgemerkt. Er war einst Sektionschef im Unterrichtsministerium und ist 75 Jahre alt.
Von Höllinger hört man in der Öffentlichkeit so gut wie gar nichts. Die Konjunkturprognosen seines Instituts präsentiert er nicht selbst. An seiner statt tritt IHS-Ökonom Helmut Hofer vor die Journalisten. Ein profunder Kenner der Materie. Aber kein scharfer Formulierer.
Die Konjunkturprognosen sind also zu einer einigermaßen müden Veranstaltung verkommen. Und das liegt beileibe nicht an den Wirtschaftsdaten, die dort veröffentlicht werden.
Was sagt uns also der kurze Ausflug in die Vergangenheit? Sehr viel, weil die Sache eine tiefe Symbolik hat. Der neue öffentliche Auftritt des IHS spricht Bände. Denn um die ökonomische Expertise des IHS ist es sehr still geworden. Und das ist kein Zufall.
Seit geraumer Zeit tobt im IHS so etwas wie ein Machtkampf zwischen Ökonomen und Soziologen – und so wie es aussieht, ziehen die Ökonomen gerade den Kürzeren. Sie hätten es kommen sehen müssen: Als der damalige IHS-Chef Christian Keuschnigg im Herbst 2014 sein Reformkonzept für das wirtschaftlich problembehaftete Institut präsentierte, wurde es vom Kuratorium des Instituts abgelehnt. Es sah eine Konzentration auf die Ökonomie vor. Keuschnigg ging, Höllinger kam. Ein Soziologe. Und der hat vor wenigen Tagen sein Reformkonzept präsentiert.
Seitdem geht es im IHS rund. Der Grund: Es sieht vor, dass auch die renommierte Abteilung Ökonomie aufgelassen wird, die Mitarbeiter werden (wie alle anderen auch) auf Forschungsgruppen aufgeteilt – etwa Gesundheit, Arbeitsmarkt, Bildung, europäische Integration. Eingestellt werden auch die bestehenden Lehrprogramme – das eigentliche, international anerkannte Steckenpferd des 50 Jahre alten IHS.
Grund genug für den langjährigen IHS-Ökonom Klaus Ritzberger, die Stimmung im Haus mittels eines geharnischten Briefs dem Wissenschaftsministerium von Reinhold Mitterlehner zu vermitteln. Das sechsseitige Schreiben liegt der „Presse“ vor. Und es spart nicht mit pointierten Formulierungen. Wie in guten, alten Zeiten.
Einige Kostproben: Es hätten „anscheinend einige Politiker beschlossen, der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung am IHS den Garaus zu machen und das Lebenswerk Bernhard Felderers abzutragen“. Und: „Es ging nie um eine Reform des IHS, sondern von Anfang an darum, die erfolgreichen Ökonomen am IHS loszuwerden“. Es handle sich um einen „Versuch der Politik, sich ein Forum für Ideologien zu schaffen“.

Zum besseren Verständnis: Im altehrwürdigen Institut grassiert die Angst, dass es „von der ÖVP im Stich gelassen wird“. Das IHS galt lange Zeit quasi als politisches Korrektiv zum nach links abgedrifteten Wifo. Ist es damit vorbei? Wohl sitzt der einstige IHS-Chef Felderer auf Wunsch von ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling seit Kurzem im IHS-Kuratorium. Man könnte das aber auch so deuten: Schelling hat genug Zores am Hals und will sich dadurch der IHS-Probleme entledigen. Derweil macht die SPÖ das Beste daraus. Höllinger ist der roten Reichshälfte zuzuordnen. Und scheint – so argwöhnen einige – das Ziel zu haben, die „neoliberale Stimme des IHS“ zum Schweigen zu bringen.
Was Sigurd Höllinger vehement bestreitet: Wohl werde die Abteilung Ökonomie aufgelöst, aber die mehr als 50 Ökonomen des Hauses würden „selbstverständlich“ bleiben. Deswegen habe auch der Betriebsrat des Hauses dem Reformkonzept „ausdrücklich zugestimmt“. Im Übrigen sei das Konzept den Mitarbeitern bei einer Betriebsversammlung vorgestellt worden, „und es hat viel Applaus gegeben“, sagt Höllinger. Die „wenigen“, die skeptisch seien, „werden wir schon noch überzeugen“.
Mag sein. Oder auch nicht. Ritzberger vertritt in seinem Brief jedenfalls einen klaren Standpunkt: Die Ökonomie im IHS „abzuschaffen und stattdessen auf Themen zu setzen, demonstriert nur Unkenntnis über die Praxis der Forschung. Diese unterscheidet sich nämlich von anderer Arbeit durch ihre inhärente Unvorhersehbarkeit.“ Und: „Forscher öffnen immer wieder Türen, ohne zu wissen, was dahinter ist.“ Für diese Arbeit brauche es „ein inspirierendes Umfeld von kompetenten Kollegen“. Dies zu eliminieren, „bedeutet, ernsthafte Forschung zu verhindern“.
Ob sein Hilferuf in der Politik Gehör findet? Man wird sehen. Höllinger ist jedenfalls dabei, seinen Plan zu verwirklichen: Bis Ende Oktober sollen die Vorschläge seiner Reformkommission in die Tat umgesetzt werden.

Die Kommission, der mehrere Universitätsprofessoren angehörten, hat weitreichende Umstrukturierungen vorgeschlagen. Weil, wie aus ihrem Papier hervorgeht, die Situation am IHS einigermaßen bedrohlich ist: Das Institut leidet ja bekanntlich unter einer ansehnlichen Finanzierungslücke. Doch eine zeitgemäß strukturierte Unternehmensführung (Governance) gibt es dort nicht – was die Berater als „besorgniserregend“ bezeichnen. Die letzte Evaluierung der Unternehmensabläufe habe 2001 stattgefunden.
Vorgeschlagen wird, dass das Kuratorium durch einen Aufsichtsrat ersetzt wird – mit eindeutiger unternehmerischer Verantwortung des IHS-Direktoriums.
Auch dort soll es zu Änderungen kommen. Der künftige IHS-Chef wird einen Generalsekretär zur Seite gestellt bekommen, der sich um Kaufmännisches und Administratives kümmern wird. Weil ein wissenschaftlicher Leiter eben nicht beides bewältigen kann. Wer dieser Leiter sein wird, soll zum Jahresende feststehen. Die Stelle wird im Oktober ausgeschrieben.
Der scheidende WU-Rektor Christoph Badelt wird schon länger als möglicher IHS-Chef genannt. Seit Neuestem im Gespräch ist aber auch Gottfried Haber, junger Professor an der Donau-Uni Krems. Bekannt aus Funk und Fernsehen, weniger aufgrund seiner wissenschaftlichen Reputation. Aber zumindest das eingangs beschriebene Problem wäre mit ihm gelöst.

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