Hypo: (K)eine Frage der Objektivität

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Das Millionenhonorar für Dietrich Birnbacher: Seinerzeit hatten gleich drei Gutachter keine Bedenken. Durchaus renommierte, wohlgemerkt. Die Branche der Sachverständigen gerät in Verruf.

Die Causa Birnbacher – da zittern viele: Nach dem Geständnis des Villacher Steuerberaters Dietrich Birnbacher, beim Verkauf der Kärntner Hypo doch ein wenig zu üppig verdient zu haben, wird es für einige recht ungemütlich. Für den Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz zum Beispiel. Und für die beiden Vorstände der Kärntner Landesholding, Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander.

Nicht zu vergessen: die Gutachter. Nämlich jene, die seinerzeit im Auftrag der Landesholding die Angemessenheit von Birnbachers Millionenhonorar zu beurteilen hatten. Höflich könnte man es so formulieren: Die Gutachten fielen nicht sonderlich kritisch aus. Weniger wohlmeinend: Es waren reine Gefälligkeitsgutachten.

Einwände gab es damals jedenfalls keine – und das führte auch prompt zur Einstellung des Verfahrens gegen Birnbacher. Erst als sich die Korruptionsstaatsanwaltschaft nach einer Anzeige der Grünen einschaltete – und einen deutschen Gutachter bestellte –, kam Licht ins Dunkel: Birnbacher stehe ein Honorar von rund 240.000 Euro zu, hieß es da. Und nicht sechs Millionen – geschweige denn zwölf Millionen, die ihm ursprünglich zugesagt worden waren.

Schon eigenartig, zu welch unterschiedlichen Schlüssen Gutachter kommen können. Und somit ist die angeblich so unbestechliche, objektive Branche der Sachverständigen wieder einmal arg in Verruf geraten. Für die drei Birnbacher-Gutachter besonders gravierend: Ihnen drohen nun strafrechtliche Konsequenzen – wegen Beihilfe zur Untreue. So etwas hat es noch nie gegeben.

Für alle Beteiligten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Doch die Optik ist ungünstig. Wir schreiben Anfang 2008, und in der Kärntner Landesholding ist Feuer am Dach: Gerade erst ist ärgerlicherweise öffentlich geworden, dass Steuerberater Birnbacher ein Millionenhonorar für ein sechsseitiges Gutachten zum Verkauf der Hypo Alpe Adria erhalten hat. Und die Landesholding ergreift die Flucht nach vorn: Sie beauftragt gleich drei Gutachter, die Angemessenheit von Birnbachers Honorar zu überprüfen. Nicht irgendwelche Gutachter, wohlgemerkt, es sollen durchaus namhafte sein.

Gerhard Altenberger wird angerufen. Ein echter Kapazunder der Branche: Altenberger wurde in prominenten Wirtschaftscausen wie WEB, Riegerbank, Eybl International, Immofinanz und Kommunalkredit als Sachverständiger herangezogen. Darüber hinaus wird er immer wieder von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder für gutachterliche Tätigkeiten eingesetzt.

Rudolf Siart wird ebenfalls von den Kärntnern beauftragt. Er ist ein enger Freund Altenbergers. Gemeinsam haben die beiden sich auch schon als Buchautoren versucht – mit einem Handbuch für Sachverständige. Siart wird in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gern für Vorträge gebucht.

Beim Wirtschaftsprüfer Deloitte geben die Kärntner ebenfalls ein Gutachten in Auftrag. Auch nicht gerade irgendwer.

Doch den dreien ist nicht nur das Renommee gemeinsam, sie sind auch recht flott unterwegs: Sie alle erstellen ihre Birnbacher-Gutachten innerhalb von ein bis zwei Tagen. Und die Kunst des knappen Formulierens beherrschen sie auch: Ihre Expertisen zählen jeweils maximal fünf Seiten – für die sie zusammen 34.000 Euro kassieren. Vor allem aber: Sie kommen allesamt zu Schlüssen, die den Kärntnern beileibe nicht unangenehm sind. Altenberger bestätigt die Angemessenheit des Birnbacher-Honorars – allerdings unter der Voraussetzung, dass seine Tätigkeit mit jener einer (weitaus teureren) Investmentbank vergleichbar sei.

Deloitte beschränkt sich auf die Aussage, dass Birnbachers geringes Fixum und die hohe Provision Indizien für die Tätigkeit einer Investmentbank seien. Und Siart resümiert: „Die Tätigkeit des Auftragnehmers ist hinsichtlich der konkreten Arbeitsabläufe durchaus mit einer Investmentbank vergleichbar.“

Die Befunde sind angesichts des späteren deutschen Gutachtens natürlich kein Ruhmesblatt – und daher wird jetzt seitens der Gutachter heftig zurückgerudert und relativiert: Während Siart gegenüber der „Presse“ keine Stellungnahme abgeben will, weil er der Verschwiegenheitspflicht unterliege, heißt es bei Deloitte: Man habe den Auftrag seinerzeit an ein Subunternehmen weitergegeben und dessen Gutachten nie zu Gesicht bekommen. Überdies sei ihnen nicht bewusst gewesen, dass es bei dem Auftrag um die Causa Birnbacher gehe.

Gerhard Altenberger wiederum meint: „Ich habe Birnbachers Tätigkeit nie geprüft, sondern nur eruiert, ob das ihm zugestandene prozentuelle Erfolgshonorar mit jenem einer Investmentbank vergleichbar ist. Birnbacher hat mir mitteilt, dass er die Aufgaben einer Investmentbank übernommen hat – was sollte ich daran zweifeln? Ich habe die Größe der Kanzlei Birnbacher ja nicht gekannt.“ Nachsatz: „Offensichtlich hat man mir G'schichterln erzählt.“

Eine Rechtfertigung, die sogar in der Kollegenschaft nicht goutiert wird. Gutachter Fritz Kleiner,einer der Größen der Branche: „Informationen einzuholen ist für jeden Gutachter eine Holschuld. Da hilft nur: nachfragen, nachfragen, nachfragen. Und das dauert halt mehr als einen Tag.“

Dass er und andere Kollegen sich über die, sagen wir einmal, lässige Arbeitsweise der Birnbacher-Gutachter ärgern, ist gut nachvollziehbar. Denn jetzt ist wieder einmal eine heftige Diskussion über die Arbeit von Sachverständigen hierzulande entbrannt. Arbeiten sie grundsätzlich objektiv? Oder kommen sie generell zu den Ergebnissen, die ihre Auftraggeber wünschen?

Hinzu kommt noch, dass viele Gutachter – auch Gerhard Altenberger – vornehmlich Aufträge von den Staatsanwaltschaften bekommen. Und damit in einer Art finanzieller Abhängigkeit von ihrem Auftraggeber stehen. Der weitverbreitete Argwohn: Urteilen diese Gutachter prinzipiell entsprechend den Interessen der Staatsanwälte – weil sie sonst um ihren Auftragseingang bangen müssen?

Das ist deshalb nicht ganz unwesentlich, weil in Strafprozessen ausschließlich jenen Gutachten Gewicht beigemessen wird, die von der Staatsanwaltschaft (also dem Ankläger) in Auftrag gegeben wurden. Womit die Verteidigung schon einmal grob benachteiligt ist. Strafverteidiger Richard Soyer hat diese Woche namens seiner Kollegen denn auch umgehend gefordert, dass künftig Privatgutachten in Prozessen ebenfalls Augenmerk verliehen wird, um Waffengleichheit zu schaffen.

Gut möglich, dass in Hinkunft vermehrt auf deutsche Gutachter zurückgegriffen wird, bei denen „Verhaberung“ in Österreich eher ausgeschlossen werden kann. Immerhin hat in der Causa Birnbacher der deutsche Sachverständige Frank Schäfer den Stein ins Rollen gebracht. Ein neuer Trend? Eine weitere politisch heikle Causa in Österreich wurde jedenfalls auch einem deutschen Gutachter überantwortet: Die Inserate von ÖBB und Asfinag unter SPÖ-Verkehrsminister Werner Faymann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2012)

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