Anleitung zur Demontage

Anleitung Demontage
Anleitung Demontage(c) Roland Schlager
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Die staatliche Beteiligungsholding hat einen neuen Chef. Und der heißt nicht Herbert Paierl. Dabei hatte der Ex-ÖVP-Landesrat durchaus gute Chancen gehabt. Wäre die Volkspartei nicht gewesen.

Der letzte ÖIAG-Chef, Markus Beyrer, hat den Job entnervt nach nur einem Jahr quittiert. War ja auch eine ziemlich undankbare Aufgabe, die er übernommen hatte: das Verwalten der staatlichen Beteiligungen an OMV, Telekom und Post – schön und gut. Aber die ständig neu auftauchenden Skandale in der Telekom? Die Querschüsse von allen politischen Seiten? Und nicht zuletzt der Investor Ronny Pecik, der stetig weitere Anteile an der Telekom erworben hatte? Nein, das war zu viel des Guten.

Die Suche nach einem neuen Chef für die Beteiligungsholding würde – man ahnte es schon nach Beyrers abruptem Abschied – zäh werden. Und so war es auch. Allerdings weniger deshalb, weil sich niemand für den undankbaren Job finden ließ. Im Gegenteil: Es war ein Kampf, ein Tauziehen, ein Rätselraten bis zuletzt. Sehr ungewöhnlich in einem Land, in dem politische Posten lange vor der offiziellen Besetzung vergeben werden.

Vier Kandidaten waren zuletzt auf der Shortlist des Personalberaters Egon Zehnder: ÖIAG-Manager Günter Leonhartsberger, dem allerdings von Anfang an nur überschaubare Chancen eingeräumt wurden. Zumal seine Konkurrenten durchaus als Kapazunder einzustufen sind: etwa Herbert Paierl, ehemaliger steirischer ÖVP-Wirtschaftslandesrat und Manager. Oder Peter Malanik, bis vor Kurzem AUA-Vorstand. Sowie Rudolf Kemler, scheidender Chef von Hewlett Packard Österreich. Zwischen den dreien hatte sich zuletzt ein regelrechter Kampf um den Job entfacht. Gewonnen hat ihn letztlich Rudolf Kemler.

Ex-AUA-Vorstand Malanik hat sich zuletzt wohl ohnedies keine Hoffnungen mehr gemacht – er hatte in den vergangenen Tagen ganz offensichtlich an Unterstützung im ÖIAG-Aufsichtsrat verloren. Das Nachsehen in dem Kampf hat also Herbert Paierl. Nicht zum ersten Mal, wohlgemerkt: 2008 hatte ihn der damalige ÖVP-Chef Josef Pröll als Wirtschaftsminister auserkoren. Quasi in letzter Minute musste Paierl dem Oberösterreicher Reinhold Mitterlehner weichen.

Auch diesmal hatte es anfangs für den 60-Jährigen wirklich gut ausgesehen. Kurz nach Beyrers offizieller Rücktrittserklärung war Paierl nämlich mit ÖVP-Chef Michael Spindelegger im Rahmen dessen regelmäßig stattfindender Wirtschaftsgespräche zusammengetroffen. Zwischen den beiden entspann sich eine längere Unterhaltung. Bis Spindelegger an Paierl die Fragen aller Fragen richtete: Ob er bereit wäre, den nun vakant gewordenen ÖIAG-Posten zu übernehmen. Paierl erbat sich zwei Tage Bedenkzeit. Und sagte schließlich zu.

Besser konnte es gar nicht laufen: Die ÖIAG ressortiert zum „schwarzen“ Finanzministerium, Paierl hatte die Unterstützung des „schwarzen“ Parteichefs – überdies brauchte er sich in puncto Qualifikation garantiert nicht zu verstecken: Paierl hat Industrieerfahrung und kennt das politische Umfeld bestens. Da konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.

So kann man sich täuschen.

Kurze Zeit später tat Paierl nämlich das, was jeder in so einer Situation tun würde: Er wandte sich an den ÖIAG-Aufsichtsrat, dem ja die Wahl obliegt. Und siehe da: Ausgerechnet der Vizepräsident des Gremiums, Paierls guter alter Freund Siegfried Wolf, war hellauf empört: Man lasse sich keinen Kandidaten von der Politik diktieren, beschied er. Ebenso sah das der Präsident des Aufsichtsrates, Peter Mitterbauer. Tenor: Ihm sei schon bei der letzten Wahl Markus Beyrer als ÖIAG-Chef politisch „auf's Aug' gedrückt“ worden – obwohl ihm damals Ex-Telekom-Manager Boris Nemsic hundertmal lieber gewesen wäre. Noch einmal lasse er sich so etwas nicht gefallen.

Und so machte sich der ÖIAG-Aufsichtsrat gemeinsam mit Berater Egon Zehnder eigenständig auf Kandidatensuche. Mit recht originellen Facetten: Immer wieder wurden Namen von Personen ventiliert, mit denen noch gar nicht gesprochen worden war – oder die gar kein Interesse an dem Job hatten. Genannt wurde etwa Brigitte Ederer, die bei Siemens einen hoch dotierten Vorstandsjob hat. Oder Raiffeisen-Managerin Michaela Steinacker. Oder Ex-Bankerin Regina Prehofer. Oder Ex-Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber.

Ernsthaftes Interesse gab es lediglich von Werner Lanthaler, Chef des Hamburger Biotech-Konzerns Evotec – allerdings mit Vorbehalt: Lanthaler hatte ein konkretes Zukunftskonzept für die Beteiligungsholding. Das Interesse daran soll aber höchst überschaubar gewesen sein, weshalb Lanthaler einen Rückzieher machte.


Für den ÖIAG-Aufsichtsrat begann es ungemütlich zu werden. Herbert Paierl hingegen verspürte Aufwind. Die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat wurden von den SPÖ-Granden zwar instruiert, „ja nicht für Paierl zu stimmen“, doch unter den Kapitalvertretern machte sich ein Schwenk bemerkbar: Angefangen bei Siegfried Wolf sprachen sich immer mehr Aufsichtsräte offen für Paierl aus.

Als massive Paierl-Gegner standen also nur mehr Aufsichtsratspräsident Mitterbauer sowie dessen Vertraute im Gremium, Anwältin Theresa Jordis, da. Beide hatten sich auf Kemler eingeschworen. Erst bei den Wirtschaftsgesprächen im Tiroler Alpbach hatte Mitterbauer ein Treffen im Hotel Böglerhof arrangiert: Spindelegger und Finanzministerin Maria Fekter sollten Kemler persönlich kennenlernen.

Spindelegger hat das Treffen offenbar nicht überzeugt. Und bat Parteifreundin Fekter – als Eigentümervertreterin der ÖIAG –, auf Mitterbauer einzuwirken. Motto: Die ÖIAG sei mit Paierl in besseren Händen.

Das Treffen zwischen Fekter und Mitterbauer fand tatsächlich statt. Bei einem streng geheimen Mittagessen am vergangenen Sonntag. Doch Mitterbauer ließ sich nicht erweichen.

Was zwei Interpretationen zulässt: Entweder Mitterbauer möchte als Haudegen in die Annalen eingehen. Oder Fekter legte sich nicht wirklich ins Zeug. In der ÖVP ist man geneigt, Variante zwei zu glauben: Fekter sei, so heißt es, immer noch sauer auf Spindelegger, weil er sie als Finanzministerin wegloben wollte. Ein ÖVP-Chef, der seinen Kandidaten nicht durchbringt – gibt es eine demütigendere Retourkutsche? Kaum.

Ist also Herbert Paierl Opfer einer (neuerlichen) ÖVP-Intrige? Das ist nicht ganz abwegig. Rudolf Kemler kann's jedenfalls freuen. Und Frank Stronach detto: Auf die Unterstützung seines Weggefährten Paierl kann der Austrokanadier bei seinen politischen Plänen nun sicher bauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2012)

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