Arbeitsmarktservice: Immer Ärger mit der Technik

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Die neue IT-Ausrüstung des AMS sorgte schon bei der Ausschreibung für massive Wickel. Doch jetzt gibt es auch noch Probleme mit dem neuen System. Und Streit wegen Mehrkosten in Millionenhöhe.

Sagen wir es so: Die Sache stand von Anfang an unter einem denkbar schlechten Stern. Hätte man sich eigentlich denken können, bei einem so großen Projekt. Noch dazu im staatlichen Bereich. Jetzt ist es jedenfalls quasi amtlich: Die neue IT-Ausrüstung für das Arbeitsmarktservice hat den AMS-Chefs Herbert Buchinger und Johannes Kopf nichts als Zores eingebracht. Zuerst wurde ewig lange während des Ausschreibeverfahrens gestritten. Dann schalteten sich das Bundesvergabeamt und der Rechnungshof ein. Das neue IT-System wurde heuer endlich installiert - und es kam zu gewaltigen technischen Problemen. Und jetzt wird auch wegen Mehrkosten in Millionenhöhe gestritten.

Aber der Reihe nach. Die Geschichte beginnt nämlich im Jahre 2002. Damals hatte der Rechnungshof angeregt, das AMS möge doch seine IT-Leistungen neu ausschreiben. Für diese war zu der Zeit noch die Firma amsbg (Arbeitsmarktservice BetriebsgmbH) zuständig. Die Zahlungen an den Generalunternehmer gründeten sich auf im Jahre 1994 vereinbarte Pauschalpreise. Möglicherweise sei ein „wirtschaftlicheres Ergebnis" herauszuholen, meinte der Rechnungshof.

Gesagt, getan - wenn auch mit der staatlichen Institutionen eigenen Behäbigkeit: 2006 beschloss jedenfalls das AMS, die IT neu auszuschreiben. Ende 2008 wurde das auch tatsächlich gemacht. Immerhin. Doch dann gab es nur Probleme. Beworben hatten sich drei Unternehmen: Siemens, T-Systems und IBM. Den Zuschlag erhielt IBM, allerdings erst im September 2011.
Gedauert hat die Sache deswegen so lange, weil die Juristen über ein Jahr am Werken waren. IBM hatte im Sommer 2010 den Zuschlag erhalten, weil das Angebot mit rund 180 Millionen Euro am günstigsten war.
Die unterlegenen Bieter gingen auf die Barrikaden. Nicht nur, weil sie eine Bevorzugung von IBM witterten. Anstoß erweckte vor allem die Tatsache, dass IBM seinen Preis im Rahmen des Bieterverfahrens um 50 Prozent gesenkt hatte.

Rasch vermeinten die Konkurrenten, den Grund für diese wundersame Verbilligung gefunden zu haben: IBM habe bei den Kosten für die Übergangsphase vom alten auf das neue System gespart.

Diese sogenannte „Transition" ist für solch hochkomplexe Projekte von eminenter Bedeutung: Sie gewährleistet, dass IT-Applikationen des bisherigen Dienstleisters vom neuen Auftragnehmer übernommen werden können - damit ein reibungsloser Übergang ermöglicht wird. Für das AMS ist dies doppelt wichtig: Hakt es bei der „Transition", könnte dies Probleme bei der IT-unterstützten Vermittlung von Arbeitslosen verursachen. Oder auch einen Verzug bei der Ausbezahlung der Arbeitslosenunterstützung.

Diese drohende Problematik rief den Rechnungshof auf den Plan. Noch während über die Ausschreibung vor dem Bundesvergabeamt gestritten wurde, warfen die Rechnungshof-Kontrollore ein gestrenges Auge auf die Angelegenheit. Ihr Bericht war ein einziger Alarmruf.
Zitat aus dem Bericht: „Das Arbeitsmarktservice traf bei der Neuausschreibung seiner IT-Dienstleistungen keine ausreichenden Vorkehrungen, um die Risiken eines Übergangs der IT-Dienstleistung auf einen allfällig neuen IT-Dienstleister bestmöglich zu minimieren. Die Gestaltung dieses Übergangs gab das Arbeitsmarktservice nicht im Einzelnen vor." Vielmehr sollte der neue Auftragnehmer nach der Zuschlagsentscheidung ein Feinkonzept für die „Transition" erarbeiten. Details zum Übergang sollten also zwischen altem und neuem IT-Dienstleister ausverhandelt werden. Man muss kein großer Psychologe sein, um da ein enormes Konfliktpotenzial zu sehen. „Risikoreich", warnte der Rechnungshof jedenfalls. Allerdings zu spät.
Der Rechnungshof-Bericht erschien im Oktober 2011. Einen Monat davor hatte das Bundesvergabeamt entschieden, dass es keine Einwände gegen die Zuschlagsentscheidung des AMS gebe. Also IBM. Und der Konzern versprach auch ein schnelleres und effizienteres Betriebssystem.

Es kam, wie es wohl kommen musste: In den vergangenen Monaten gab es massive Probleme mit der neuen AMS-IT. Angeblich sind Daten und E-Mails verloren gegangen, was AMS-Chef Buchinger aber empört dementierte. Vor allem aber betonte er: „Zu keinem Zeitpunkt war die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung gefährdet."
Erwiesen ist allerdings, dass die Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen für den Juli mit mehreren Tagen Verspätung erfolgte. Erraten: wegen EDV-Problemen, die man immer noch nicht im Griff hatte.
AMS-Sprecherin Beate Sprenger findet das alles dennoch ziemlich übertrieben und spricht von „IT-Problemen in Anführungszeichen". Was irgendwie verständlich ist: hat das AMS ja - wie der Rechnungshof konstatierte - durchaus selbst Schuld an der unerfreulichen Situation. Die aber längst keine mehr sei, wie Sprenger betont: „Es gibt nur mehr in kleinen Detailbereichen Adaptierungsbedarf."

Wie auch immer. Neue Probleme sind jedenfalls hinzugekommen, und die sind finanzieller Natur. Klarerweise beschwerte sich das AMS bei IBM - und der Konzern antwortete am 31. August mit einem detaillierten (streng vertraulichen) Schreiben, in dem die Gründe für die Umstellungsprobleme dargelegt werden.
Der Bericht liegt der „Presse" vor, und wie anzunehmen war, lagen die Probleme in der eher dürftigen Zusammenarbeit zwischen dem bisherigen IT-Dienstleister amsbg und IBM. So schreibt der Konzern, er habe „aufgrund des Vorgehens der amsbg über weite Strecken der Transition mit zahllosen unvollständigen, fehlerhaften und verspäteten Teillieferungen umgehen und arbeiten" müssen. „Die Gesamtheit der aktuellen AMS-Anwendungen mit zugehöriger Dokumentation wurde nie vollständig übergeben", heißt es.

Schlimm für IBM - aber nicht nur. Der Konzern schreibt nämlich von „signifikanten und unvorhersehbaren Mehrkosten" durch die Probleme. Und beziffert sie mit rund 4,5 Millionen Euro.
Das AMS denkt aber offenbar nicht daran, diese zusätzlichen Kosten zu übernehmen. Am 6. September wurde also ein eher nicht so freundlicher Brief an die amsbg verschickt. Darin heißt es: „Der Vollständigkeit halber erlauben wir uns den Hinweis, dass die IBM diese Mehraufwände und Schäden formal uns gegenüber geltend macht, wir diese aber an Sie bzw. den bisherigen Dienstleister durchreichen müssten."
Der nächste Streit bahnt sich also an. Der letzte?

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