Telekom: Der Aufsichtsrat, dein Freund und Helfer

Rudolf Kemler
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Kleinaktionäre protestieren gegen die Zusammensetzung des Telekom-Aufsichtsrats. Der ist tatsächlich so etwas wie ein ÖIAG-Freundeskreis. Aktiv kontrolliert hat er in der Vergangenheit offenbar auch nicht.

Er verfügt ja hoffentlich über eine dicke Haut und eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein. Mit 1. November übernimmt Rudolf Kemler den Chefsessel der ÖIAG, doch sein Entrée ist nicht das beste: In den vergangenen Tagen wurde er von den Aktionären der OMV und der Post in den Aufsichtsrat gewählt. Reiner Formalakt, wohlgemerkt. Trotzdem: Bei der Post gab es weit mehr Gegenstimmen, als Kemlers Vorgänger Markus Beyrer seinerzeit bekommen hatte. Und bei der OMV wurde die Zahl der Neinstimmen von Beobachtern sogar als „blamabel“ bezeichnet.

Am kommenden Dienstag ist das dritte Unternehmen, an der die ÖIAG Anteile hält, dran. In der Wiener Stadthalle sollen die Aktionäre der Telekom Austria gleich zwei neue Mitglieder in den Aufsichtsrat wählen: einerseits Oscar Von Hauske Solis, der neben dem Investor Ronny Pecik als Vertreter des neuen mexikanischen Großaktionärs América Móvil in den Aufsichtsrat einziehen soll. Andererseits: ÖIAG-Chef Kemler.

Der sollte sich schon einmal darauf einstellen: Erdrutschsieg wird das keiner. Weniger, weil die Aktionäre persönlich etwas gegen Kemler hätten. Nein, die mageren Abstimmungsergebnisse bei OMV, Post und demnächst auch bei der Telekom Austria sind als Protest gegen die ÖIAG zu interpretieren. Die Aktionäre mucken gegen die unverhohlenen Machtdemonstrationen der Staatsholding auf.

Am kommenden Dienstag wird dieses Aufmucken quasi offiziell werden. Still und heimlich hat sich eine Gruppe kritischer Aktionäre gebildet, die unmittelbar vor der Hauptversammlung online gehen wird (www.telekom-aktionaere.at). Vor der Stadthalle wird sie eine polizeilich angemeldete Demonstration abhalten, bei der andere Aktionäre mittels Flugblätter eingeladen werden, die Anliegen der Plattform zu unterstützen.

Telekom-Aktionär Werner Bolek hat die Gruppe formiert und macht kein Hehl aus deren Ziel: Es geht in erster Linie darum, die Macht der ÖIAG im Aufsichtsrat zu reduzieren. Bolek: „Im Frühjahr 2013 laufen die Mandate sämtlicher Telekom-Aufsichtsräte aus. Wir fordern, dass dann nur mehr maximal drei Mandate auf die ÖIAG entfallen, zwei bis drei sollten dem neuen Großaktionär América Móvil zugeordnet werden, vier bis fünf Mandate sollten an Kleinaktionäre gehen.“

Und daher empfiehlt die Gruppe allen anderen Aktionären, gegen ÖIAG-Chef Kemler als Aufsichtsrat zu stimmen – sofern die ÖIAG nicht bereit ist, ein anderes Mandat abzugeben.

Bolek werden die Herzen der Kleinaktionäre wohl nur so zufliegen. Denn tatsächlich sind die Aufsichtsratsmandate vor allem in der Telekom und in der Post, sagen wir: unter den verschiedenen Aktionären etwas ungleich verteilt. Nämlich gar nicht. Sämtliche Kapitalvertreter wurden von der ÖIAG beziehungsweise der Industriellenvereinigung nominiert.

Was einigermaßen originell ist: Immerhin hält die ÖIAG 52,9 Prozent an der Post – der Rest ist Streubesitz. An der Telekom hält die ÖIAG überhaupt bloß 28,4 Prozent, 48,8 Prozent befinden sich im Streubesitz. Doch diese Eigentumsverhältnisse werden in den Aufsichtsräten keinesfalls berücksichtigt: „Die ÖIAG ist ja der verlängerte Arm der Industriellenvereinigung“, sagt Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger, und daher würden Aufsichtsräte stets in deren Umfeld gesucht. Rasinger: „An unabhängigen Personen war man nie interessiert.“ Schon zum Börsengang der Telekom hatte er auf Kleinaktionärsvertreter im Aufsichtsrat gepocht – damit aber auf Granit gebissen. Fazit, laut Rasinger: „Den Aufsichtsräten fehlt die kritische Distanz zum Vorstand.“

Das hat natürlich geringen Neuigkeitswert: Hierzulande sehen sich Aufsichtsräte eher selten als Kontrollore, die dem Vorstand auf den Zahn zu fühlen haben. Aber bei der korruptionsgebeutelten Telekom, die 2011 auch noch ansehnliche Verluste eingefahren hat, wird dieses „Missverständnis“ schön langsam gravierend.

Als Vertreter von América Móvil hat Ronny Pecik bereits an zwei Aufsichtsratssitzungen der Telekom teilgenommen – und ist dort kein Sympathieträger. Warum? Weil Pecik permanent unangenehme Fragen stelle, heißt es, und damit die Sitzungen in die Länge ziehe. Das Management sei jedenfalls regelrecht entsetzt und auch einigermaßen überfordert von der plötzlichen Neugierde eines Aufsichtsratsmitgliedes: Zahlen, die Pecik oftmals verlangt, können bisweilen nicht geliefert werden. Und die schweigende Mehrheit im Aufsichtsrat alteriert sich bloß über versäumte Gelegenheiten für eine geregelte Nahrungsaufnahme.

Pecik hat im Aufsichtsrat also offenbar für einen echten Kulturschock gesorgt. Doch wie kommt es, dass es im Telekom-Aufsichtsrat bisher gar so gemütlich und freundschaftlich zuging? Viktoria Kickinger, Gründerin der „Initiative Aufsichtsräte Austria“ (Inara), hat da so ihre Theorien: „Die Aufsichtsratsmitglieder sind sicher tolle Experten“, sagt sie, „aber die Telekom-Branche ist in dem Gremium weiß Gott nicht vertreten.“ Überhaupt sei das verabsäumt worden, was in der EU längst State of the Art ist: nämlich eine hohe berufsspezifische Diversität im Telekom-Aufsichtsrat. Kickinger: „Ich sehe dort beispielsweise keine Marketing- oder Retail-Experten.“ Offenbar hatte man seinerzeit, bei der Auswahl der Kandidaten, andere Prioritäten.

Die aufmüpfige Aktionärsgruppe rund um Werner Bolek fordert daher einen Kehraus im Telekom-Aufsichtsrat: Wer länger als fünf Jahre Mitglied des Gremiums ist, sollte gehen. Das seien nämlich jene, die Verantwortung für das Telekom-Debakel mittragen würden. Weil sie offenbar niemals unangenehme Fragen stellten.

Interessanterweise rennt Bolek damit durchaus offene Türen ein. Aufsichtsratsmitglied Wilfried Stadler hat der ÖIAG bereits vor Monaten seinen Rücktritt angeboten, um Vertretern von América Móvil Platz zu machen. Dem Vernehmen nach ist eine Handvoll weiterer Mitglieder seinem Beispiel gefolgt. Doch der damalige ÖIAG-Chef Beyrer lehnte das ab und ließ einfach den Aufsichtsrat aufstocken. Man ahnt, warum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

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