Die Frau, der Frank Stronach vertraut

Kathrin Nachbaur
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Kathrin Nachbaur sollte man nicht unterschätzen, sagen viele: Sie ist rechte und linke Hand des Austro-Kanadiers, sie unterstützt ihn in Wirtschaft und Politik. Und redet im Hintergrund ordentlich mit.

Wir schreiben den 11. Oktober 1999. In der Grazer Oper findet die 100-Jahr-Feier des Autokonzerns Steyr Daimler Puch statt, und Bernd Nachbaur, hoher Funktionär der Wirtschaftskammer Steiermark, ist selbstverständlich zu dem illustren Event eingeladen. Seine Tochter darf ihn begleiten.

Kathrin Nachbaur ist zu dem Zeitpunkt 20 Jahre alt. Sie ist keineswegs schüchtern, vor allem aber ziemlich ehrgeizig. Gehen wir davon aus, dass die Sache wohlgeplant war: Jedenfalls geht sie mit ihrem Vater zielsicher auf den Austrokanadier Frank Stronach zu, der ein Jahr zuvor Steyr Daimler Puch gekauft hat. Und fragt ihn, ob sie bei Magna arbeiten dürfte. Sie darf. Als Trainee in der Magna-Zentrale im kanadischen Aurora.

13 Jahre sind seit dieser Episode vergangen. Und Kathrin Nachbaur hat sie keineswegs bereut. Sie arbeitet immer noch für Frank Stronach. Mehr noch: Kathrin Nachbaur hat das geschafft, was nur ganz wenige, allenfalls eine Handvoll Menschen von sich behaupten können: Sie genießt das absolute, uneingeschränkte Vertrauen des kauzigen alten Herren. Kein Event, bei dem Nachbaur nicht an Stronachs Seite wäre. Schmückendes Beiwerk, könnte man meinen. Weit gefehlt: „Die Frau sollte man keineswegs unterschätzen“: Diesen Satz hört man von jedem, der mit Stronach zu tun hat. Was genau darunter zu verstehen ist? Kathrin Nachbaur, Jahrgang 1979, sei gleichzeitig Stronachs rechte und linke Hand, heißt es. In Oberwaltersdorf, dem Sitz von Stronachs Österreich-Aktivitäten, wird Nachbaur hinter vorgehaltener Hand „Frau Vizekanzler“ genannt. Und das sagt eigentlich alles.

Kathrin Nachbaur hat also eine gewisse Macht. Sie selbst beschreibt das lieber anders: „Ich bin halt sehr involviert“, sagt sie. Auch richtig: Jedenfalls passiert im Reiche Stronachs nichts, was nicht über ihren Schreibtisch gehen würde. Wer zu Frank Stronach vorgelassen wird, entscheidet letztlich sie. „Nachbaur ist eine Art Schnittstelle für Stronach zwischen Außen- und Innenwelt“, formuliert ein Wegbegleiter. Vor allem aber: Sie hat ein gutes Wörtchen bei Personalentscheidungen mitzureden.

Angeblich ist es auf Nachbaur zurückzuführen, dass Franz Schnabl, seines Zeichens Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes und treuer Weggefährte Stronachs, doch keine maßgebliche Rolle in Stronachs Partei spielt – obwohl sie ihm zugesagt worden war.

Kein Einzelschicksal. In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich etliche Politiker Stronach angedient, mussten sich zunächst aber der gestrengen Beurteilung durch Nachbaur unterziehen. Nicht alle stießen bei ihr auf Wohlgefallen. Was ihnen nicht zum Vorteil gereichte. Nachbaur sagt Stronach nämlich klipp und klar, wie sie die Dinge sieht. Und er hört auf sie. Wohl auch, weil Nachbaur einen ausgeprägten psychologischen Instinkt hat: Frank Stronach ist ein Mann, der gern allein entscheidet. Die Kunst besteht also darin, den alten Herren bei seiner Entscheidungsfindung diskret zu „lenken“.

Sie selbst würde das natürlich niemals so beschreiben, das verbietet ihre immense Loyalität. Also sagt Kathrin Nachbaur: „Frank und ich denken wie Zwillinge. Es gibt da ein sehr starkes Vertrauensverhältnis. Deshalb bindet er mich auch in alles ein.“

Das ist nicht gelogen: Wem Stronach einmal sein Vertrauen schenkt, sollte sich auf jede Menge Arbeit einstellen. Nachbaur kommt, wie sie erzählt, auf einen 14-Stunden-Tag. Kunststück: Für Stronachs politische Bewegung fungiert sie zunächst einmal als Sprecherin. Weil sie der einzige Mensch ist, dem Stronach gestattet, in seinem Namen Erklärungen abzugeben. „Ich bin in politischer Hinsicht zu 99 Prozent seiner Meinung“, erklärt Nachbaur. Interessant wäre natürlich zu wissen, woran es beim restlichen einen Prozent hapert. Aber da schweigt sie eisern. Loyalität, eh schon wissen.

Daneben leitet Nachbaur auch noch das „Frank Stronach Institut für sozialökonomische Gerechtigkeit“, einen der Partei vorgelagerten Thinktank. Und da gibt es selbstverständlich auch jede Menge zu tun. „Wir werden beim Parteiprogramm nachschießen“, sagt Nachbaur. Und dafür will sie Weisenräte zu allen erdenklichen Themenbereichen – von der Wissenschaft über Sport bis hin zur Landwirtschaft – etablieren. Sie sollen Lösungsvorschläge für die verschiedenen Bereiche erarbeiten. Wer seinen Input liefern darf, entscheidet Nachbaur. Und zwar unter angeblich tausenden Menschen, die sich der Bewegung angedient haben.

So nebenbei ist Kathrin Nachbaur auch in die wirtschaftlichen Aktivitäten des 80-Jährigen eingebunden. Stronach hat zwar dem Tagesgeschäft des Magna-Konzerns den Rücken gekehrt. Unternehmerisch ist er aber dennoch äußerst umtriebig: Mit seiner „Stronach Group“ betreibt er die Geschäftsfelder Pferderennbahnen, Casinos, Medizintechnik, Immobilien und Lebensmittel.

Nachbaur ist in der „Stronach Group“ Vizepräsidentin des Bereichs Business Development. Operativ ist sie für den Bereich Medizintechnik zuständig. Und vor wenigen Monaten hat Stronach eine Kernölfirma in der Steiermark erworben. Diese heißt nun „Franks Naturprodukte“, als Geschäftsführerin ist – erraten – Nachbaur eingesetzt.

Das sind in Summe also ganz schön viele Jobs für eine Person. Aber wer einmal das Vertrauen des überaus dominanten, patriarchalischen und generell misstrauischen Unternehmers genießt, hat wohl keine andere Wahl: Der Kreis der Stronach-Vertrauten ist ja höchst überschaubar. Die anfallende Arbeit eher nicht.

Dass Nachbaur Stronachs Vertrauen gewinnen konnte, ist auf jahrzehntelange, grenzenlose Loyalität ihrerseits zurückzuführen. Und auf eine erste „Bewährungsprobe“, die Nachbaur vor wenigen Jahren zu bestehen hatte: Stronach hasst seitenlange, ausufernde Vertragswerke. Da kam es wie gerufen, dass Nachbaur im Jahre 2007 ihr Jusstudium erfolgreich beendete. Flugs wurde sie dafür eingesetzt, 30-seitige Verträge mit Kooperationspartnern auf fünf Seiten zu komprimieren. Was offenbar fehlerfrei gelang.

Heute investiert Nachbaur allerdings einen Gutteil ihrer Arbeitszeit in die politischen Aktivitäten ihres Chefs. Das findet sie sehr spannend, „ich bin ja auch in einer sehr politischen Familie aufgewachsen“. Wiewohl die ständigen „Diffamierungen und Lügen, mit denen Stronach konfrontiert wird, die Freude schon ein wenig trüben“. Dass sie ins politische Tagesgeschäft einsteigt, für die Partei also an vorderster Front steht, sei daher „eher unwahrscheinlich“.

Mit hundertprozentiger Sicherheit kann sie das halt nicht sagen. Da hat Frank Stronach dann doch das letzte Wort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2012)

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