Alpine: Österreichs gefährlichste Baustelle

Alpine: Österreichs gefährlichste Baustelle
Alpine: Österreichs gefährlichste Baustelle(c) Dapd (Ronald Zak)
  • Drucken

Im angeschlagenen Baukonzern herrscht maximale Nervosität – auch wegen drohender rechtlicher Zores. Betroffen sind nicht nur Vorstand, sondern auch Aufsichtsrat. Prominentestes Mitglied: Benita Ferrero-Waldner.

Wetten, dass Alfred Gusenbauer enorm erleichtert ist? Vor zwei Jahren war er noch der Buhmann der Nation – aber er hatte, das muss man ihm neidlos zugestehen, einen guten Riecher: Damals, im April 2010, verließ er von heute auf morgen den Aufsichtsrat des Baukonzerns Alpine und ging just zur Konkurrenz, in den Aufsichtsrat des Baukonzerns Strabag. Das ist natürlich nicht gerade der stilvollste Wechsel, und Gusenbauer musste deswegen auch jede Menge Kritik einstecken. Aber dafür schläft er jetzt sicher besser.

Bei der Alpine geht es derzeit bekanntermaßen rund. Da wäre einmal das enorme Obligo der Firma: Die Bankverbindlichkeiten sollen rund 660 Millionen Euro ausmachen, dazu kommen noch drei Anleihen – womit sich die Verpflichtungen der Alpine auf 950 Millionen Euro summieren. Genau diese Anleihen, die seit dem Jahr 2010 platziert worden sind, sorgen nun für weitere Probleme: Die Alpine räumte vor wenigen Tagen ein, dass sie für das Geschäftsjahr 2012 einen „erheblichen Verlust“ einfahren werde. Die Inhaber der Anleihen traf dies freilich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Und somit untersucht nun die Finanzmarktaufsicht (FMA), ob es da nicht zu Verstößen gegen die Informationspflicht des Unternehmens gekommen ist. Die Anleger sind jedenfalls in Rage: Beim Prozessfinanzierer Advofin sind bereits hunderte Anrufe eingegangen – Advofin-Chef Franz Kallinger lässt derzeit prüfen, ob eine Sammelklage gegen die Alpine zielführend wäre.

Zu den ausufernden finanziellen Problemen des Unternehmens könnten also durchaus auch rechtliche kommen. Womit auch die Mitglieder des Aufsichtsrates zum Handkuss kommen könnten. Wird nämlich das Unternehmen geklagt, wird auch die Haftung der Aufsichtsräte schlagend. Alfred Gusenbauer juckt das – siehe oben – herzlich wenig. Anders ist die Situation hingegen für Benita Ferrero-Waldner, mittlerweile die einzige Österreicherin in dem Gremium. Die ehemalige ÖVP-Außenministerin und EU-Kommissarin war im vergangenen Jahr als Ersatz für Gusenbauer Alpine-Aufsichtsrätin geworden. Ironie des Schicksals: Ferrero-Waldner hätte vor wenigen Monaten sogar Präsidentin des Alpine-Aufsichtsrates werden sollen. Sie lehnte ab – weil ihr die Bürde der Verantwortung zu viel war.

„Die Presse“ erreichte Ferrero-Waldner gestern in Spanien. Doch zu ihrem Damoklesschwert wollte sie nichts sagen. Ein schwacher Trost bleibt Ferrero-Waldner wenigstens: Sie ist nicht die Einzige, die sich Sorgen macht. Da wären noch die rund 15.000 Mitarbeiter des Unternehmens. Oder der Alpine-Eigentümer, der spanische FCC-Konzern. Und der Alpine-Vorstand natürlich auch. Nach dem Rauswurf von Kurzzeitchef Johannes Dotter besteht der nur mehr aus zwei Spaniern.

Ein Österreicher wird zwar als Vorstand dringend gesucht, weil persönliche Kontakte im Baugeschäft enorm wichtig sind – und die Spanier diesbezüglich hierzulande eher weniger zu bieten haben. Aber die Suche ist alles andere als einfach. „Wer soll sich schon auf das Pulverfassl setzen?“, fragt ein hochrangiger Manager des Unternehmens. In der großen Verzweiflung wurde sogar schon bei Alpine-Managern, die das Unternehmen in den vergangenen Monaten entnervt verlassen haben, angeklopft. Doch bei den einstigen Alpine-Shootingstars Karl Weidlinger und Peter Preindl hält sich das Interesse an einem Alpine-Revival erwartungsgemäß in sehr engen Grenzen. Letzter Stand: FCC-Manager Ramón Gómez Andrio soll dritter Alpine-Vorstand werden. Allem Anschein nach kein Österreicher.

Schwamm drüber – Priorität hat jetzt ohnehin, das Werkl am Laufen zu halten. Es gibt einfachere Übungen: Neue Aufträge sind Mangelware. Und dazu kommt die Sorge, dass es im mittleren Management zu einem Aderlass kommen könnte. Derzeit ist es jedenfalls so, dass jeder, der ein Jobangebot bekommt, schleunigst das Weite sucht. Und bei all dem Ungemach müssen die kreditgebenden Banken irgendwie bei Laune gehalten werden. Die Politik natürlich auch: Der Baukonzern hat im Jahre 2009 staatliche Bankkredithaftungen über 180 Millionen Euro gezogen.

Um diese Tour de Force zu schaffen, wurden gleich zwei Maßnahmen ergriffen. Erstens: Der versierte Krisen-PR-Experte Dietmar Ecker ist engagiert worden, um ein gutes Einvernehmen mit Politik, Banken und auch Medien herzustellen. Das alleine zieht natürlich den Karren nicht aus dem Dreck, also Maßnahme Numero zwei: Es wird Geld locker gemacht beziehungsweise beschafft.

Erst vor wenigen Wochen hat der Mutterkonzern FCC 22 Millionen Euro an die Alpine überwiesen, und damit haben die Banken wiederum eine Kreditlinie von 50 Millionen Euro freigegeben. Doch weitere Zugeständnisse waren notwendig: Die Alpine muss Assets verkaufen, um weiteres Geld herbeizuschaffen.

Und so trennt sich das Unternehmen nicht nur von seinem Firmenjet und seiner Jagd im oberösterreichischen Gosau. Sondern auch von drei durchaus profitablen Unternehmen. Lustig: Dabei hatte Hermann Haneder, Alpine-Betriebsratschef und Präsident der Arbeiterkammer NÖ, vor wenigen Tagen noch stolz von seinem Besuch bei FCC-Mehrheitseigentümerin Esther Koplowitz berichtet. Diese habe ihm versichert, dass sie voll hinter den Alpine-Mitarbeitern stehe. Mag sein. Trotzdem wurde Boston Consulting damit beauftragt, die Alpine-Töchter GPS Underground Engineering, die auf Sanierungen spezialisierte Hazet Bau sowie Alpine Energie zu verkaufen.

Vor allem an der Alpine Energie – in Europa führend beim Bau von Ökoenergie-Anlagen – gibt es großes Interesse. So will etwa der Chef des Unternehmens, Helmut Schnitzhofer, ein Management-Buy-out machen. Aber auch der Baukonzern Bilfinger Berger soll angeklopft haben. Und die Strabag ebenso.

Für die Strabag hat dies übrigens Alfred Gusenbauer getan. Eindeutig: Er hätte es durchaus schlimmer treffen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THEMENBILD: BAUKONZERN ALPINE
Geld & Finanzen

Sammelklage gegen Baukonzern Alpine: "Erfolgsaussichten gut"

Rund 200 Kleinanleger wollen den Konzern klagen, da die Anleihe auf den Markt gebracht wurde, als ein Kreditversicherer die Versicherungssumme senkte.
THEMENBILD: BAUKONZERN ALPINE
Österreich

Alpine bewarb Anleihe noch im Mai als "solide"

Bereits im Frühjahr ortete der Kreditversicherer Prisma gravierende Probleme. Dennoch bewarb der Baukonzern eine Anleihe als "zukunftsorientiert".
Alpine Bau angeblich in Zahlungsschwierigkeiten
Geld & Finanzen

Baukonzern Alpine bestätigt "erhebliche Verluste"

Der Konzern werde alle erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung einer angemessenen Eigenkapitaldecke diskutieren, heißt es in einer Pflichtmitteilung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.