Wo die Notenbank auf den Proporz verzichtet

OeNB Governor Nowotny briefs the media during a news conference in Vienna
OeNB Governor Nowotny briefs the media during a news conference in ViennaREUTERS
  • Drucken

Die volkswirtschaftliche Abteilung der Notenbank wird demnächst neu besetzt. Neu? Am starken Linksdrall der mächtigen Abteilung wird sich freilich nichts ändern.

Der Job ist schon sehr attraktiv. Der Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der Oesterreichischen Nationalbank bekommt ein Jahresgehalt von 178.000 Euro brutto. Viel Geld, aber auch viel Ehr': Der Posten bietet nämlich auch die wirklich feine Gelegenheit, sozusagen an den Schalthebeln der Macht zu sitzen.

Die Nationalbank formuliert das natürlich viel vornehmer, aber immerhin beschreibt sie die Abteilung auf ihrer Website als „ökonomisches und wirtschaftspolitisches Kompetenzzentrum der OeNB“. Die Abteilung leiste „einen professionellen Beitrag zur geld- und währungspolitischen Entscheidungsfindung im Eurosystem“, biete „hochwertige, theoretisch und empirisch fundierte ökonomische Analysen“ und so fort. Kurz: Auf den obersten Volkswirt der OeNB wird gehört.

Das Beste aber: Der Job wird gerade frei.

Das liegt daran, dass der langjährige Chefvolkswirt der Nationalbank, Peter Mooslechner, per 1.Mai geht. Mooslechner hat ein paar weitere Sprossen der Karriereleiter erklommen (noch ein Vorteil des ohnehin attraktiven Jobs). Er wird eines von vier Mitgliedern des Notenbank-Direktoriums.

Sein frei werdender Job wurde natürlich schon längst ausgeschrieben. Angeblich gibt es zahlreiche interne und externe Bewerbungen, die bis Ende Februar eingegangen sind. Die Ernennung des neuen Abteilungsleiters wird Anfang April erfolgen. Durch Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny himself – bei dem auch letztlich die Entscheidung liegt.

Seine Wahl wird wohl auf Helene Schuberth fallen. Alles andere wäre ein Wunder: Schuberth war zuletzt Senior Advisor von Abteilungsleiter Mooslechner, sie gilt als fachlich bestens geeignet, sie hat eine durchaus gute Reputation als Ökonomin. Und sie versteht sich, nebenbei bemerkt, blendend mit Notenbank-Chef Nowotny.

Außerdem, so heißt es intern, würde Schuberth für eine gewisse Kontinuität in der Abteilung Volkswirtschaft bürgen. Was freilich nicht alle unbedingt als Frohbotschaft interpretieren.

Zum Beispiel das Finanzministerium. Schon unter ÖVP-Finanzminister Josef Pröll war die politische Stoßrichtung des „ökonomischen und wirtschaftspolitischen Kompetenzzentrums der OeNB“ mit Argusaugen beobachtet worden. Sagen wir es positiv: Die Abteilung Volkswirtschaft ist wohl die einzige in der Notenbank, in der der ansonsten zelebrierte strenge Proporz schon lange abgeschafft wurde. Sagen wir es weniger positiv: Das OeNB-Flaggschiff hat mächtig Schlagseite. Und zwar nach links – pardon: backbord.

Ein veritables Problem. Doch wie lösen? Sind wissenschaftliche Freiheit und notwendige politische Unabhängigkeit überhaupt kompatibel? Mooslechner, selbst der SPÖ nahestehend, hat den zunehmenden Linksdrall seiner Abteilung jedenfalls anstandslos hingenommen. Es handle sich eben um eine Ansammlung von Wissenschaftlern und hellen Köpfen, die eben auch ihre „individuellen Ansichten“ hätten, argumentierte Mooslechner, wenn es kritische Stimmen gab. Und die gab es immer wieder.

Zum Beispiel im Jahre 2010, als Helene Schuberth sowie die Abteilungsmitarbeiter Beat Weber und Martin Schürz an einer Publikation des Globalisierungsgegners Attac mitwirkten.

Das wird wohl kein Zufall gewesen sein: Schuberth arbeitete einst im Kabinett von SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer. Beat Weber soll früher für das KPÖ-Organ „Volksstimme“ geschrieben haben – jetzt ist er jedenfalls beim Nachfolgemagazin „Malmoe“ dabei. Und Martin Schürz ist in der jüngsten Vergangenheit mit der Äußerung aufgefallen, dass reiche Menschen einer Gesellschaft Gesundheitsprobleme bringen, weil Ungleichheiten Stress auslösen. Oder mit der Forderung nach einer hundertprozentigen Erbschaftssteuer.

„Mythen der Krise“ lautete jedenfalls der Titel des Attac-Œuvres. Und ein Kapitel widmete sich der im Herbst 2008 geretteten Constantia Privatbank.

Die Attac-Publikation kritisiert die Rettung: „Es wurde eine Bank gerettet, deren volkswirtschaftliche Bedeutung gering ist“, heißt es. Und weiter: „Die Constantia hat vorwiegend vermögende Privatkundschaft.“ Schon lustig: Diese Meinung steht im Gegensatz zu jener des Notenbank-Chefs. Nowotny hatte immer wieder betont, wie notwendig die Constantia-Rettung gewesen sei. Sie sei wichtig für die Stabilität des Finanzmarktes gewesen. In einer sensiblen Zeit wie dieser habe man nicht wissen können, wie sich eine Bankenpleite ausgewirkt hätte.

Man sieht also zweierlei. Erstens: Die Volkswirte der OeNB dürfen ihre „individuellen Ansichten“ tatsächlich problemlos öffentlich äußern. Zweitens: Klassenkampf gehört dort durchaus zum guten Ton.

Nicht umsonst werden Studien der Abteilung gern von der Arbeiterkammer und der SPÖ zitiert. Beispielsweise im vergangenen Jahr: Da hatten die OeNB-Ökonomen eine Studie über Einkommen in Österreich just zwei Wochen vor dem SPÖ-Parteitag publiziert. Sukkus: Die Vermögen seien in Österreich extrem ungleich verteilt. Parallel dazu startete die Arbeiterkammer damals eine Kampagne unter dem Titel: „Für gerechte Steuern auf große Vermögen“.

Nicht zu vergessen: Die seinerzeitige Expertise, die zum Thema Bankensteuer gemacht wurde. Sie war Anfang 2010 in Auftrag gegeben worden, weil Kanzler Werner Faymann und Pröll über die Einführung der Abgabe heillos zerstritten waren – Faymann war dafür, Pröll dagegen. Und siehe da: Die OeNB-Volkswirte hatten keinerlei Bedenken gegen die Steuer. Zwar wurde die Studie intern zweimal an die Verfasser zurückgeschickt, weil sie doch extrem Steuer-unkritisch war. Aber der Tenor blieb im Endeffekt derselbe.

Ewald Nowotny wollte zu dem Thema gegenüber der „Presse“ keinen Kommentar abgeben. In der OeNB wurde lediglich zur Nachbestellung Mooslechners Stellung genommen: „Das ist eine sehr wichtige Position in der OeNB. Wir gehen daher mit großer Sorgfalt vor und haben dazu auch einen externen Berater zur Hand.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.