Der mühsame Schlussstrich der Telekom unter die Vergangenheit

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Nach dem Telekom-Skandal ist die Zeit für einen Neuanfang im Aufsichtsrat gekommen. Doch dazu müssen natürlich diverse (politische) Interessen berücksichtigt werden. Letzter Stand: Fast die Hälfte der Aufsichtsräte wird ausgetauscht.

Wenn das nicht spannend ist: In rund zwei Monaten laufen die Mandate aller Aufsichtsräte der Telekom Austria aus. Wer bleibt? Wer muss gehen? Das Superwahljahr 2013 ist um einen Termin reicher: Am 29.Mai wird in der Telekom-Hauptversammlung gewählt.

Aber natürlich soll das Ganze die Nerven aller Beteiligten nicht über die Maßen strapazieren. ÖIAG-Chef Rudolf Kemler, der auch Telekom-Aufsichtsratschef ist, lässt sich zwar noch nicht in die Karten schauen, aber einige Entscheidungen sind bereits gefallen. Etwa jene, wer dem Gremium künftig nicht mehr angehören wird.

Dass dort ein ordentlicher Frühlingsputz angesagt ist, war klar: Die Telekom ist ja bekanntlich das Sorgenkind der staatsnahen Industrie. Der Telekom-Skandal und die wirtschaftlich schwierige Situation des Unternehmens schreien regelrecht nach Konsequenzen. Und die soll es nach Wunsch Kemlers zunächst einmal im Aufsichtsrat geben. Jenem Kontrollgremium also, das die Kontrolle offensichtlich suboptimal vollzogen hat.

Aufsichtsrätin Edith Hlawati tritt jedenfalls die Flucht nach vorn an: Im Gespräch mit der „Presse“ erklärt sie, dass sie gehen wird. Und zwar aus freien Stücken, wie sie betont: „Ich habe entschieden, nicht noch um eine weitere Amtsperiode zu verlängern.“ Was sie nicht dazusagt: Ganz zufällig kommt ihr Abschied nicht – der Wirbel um ihre Person hat bereits ohrenbetäubende Ausmaße angenommen.

Hlawati ist die am längsten dienende Aufsichtsrätin der Telekom. Seit Juni 2001 sitzt sie in dem Kontrollgremium, sie hat den Telekom-Skandal also quasi von Anfang an „miterlebt“. Was für ein Aufsichtsratsmitglied nicht gerade ein Renommee ist.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Hlawati ist im Hauptberuf Partnerin der Großkanzlei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati (CHSH). Und in der Funktion ist sie so nebenbei auch Anwältin der Telekom Austria.

Das ist absolut nichts Illegales, „und wir haben die Honorare meiner Kanzlei auch immer in den Telekom-Geschäftsberichten veröffentlicht“, sagt Hlawati. Trotzdem: Die Optik ist unschön. Ein Aufsichtsratsmitglied, das in einem Geschäftsverhältnis zum Vorstand steht, der vom Aufsichtsrat eigentlich zu kontrollieren wäre – es gibt günstigere Konstellationen. Zumal es sich bei der Telekom um ein teilstaatliches Unternehmen handelt.

Nicht umsonst wurde Hlawatis Doppelrolle einigermaßen kritisch gesehen. Extern, wohlgemerkt. In der Telekom selbst sah man da nie ein Problem. Und so kassierte die Hlawati-Kanzlei über die Jahre rund sieben Millionen Euro an Honoraren – ohne, dass viele Fragen gestellt wurden.

Das gilt auch für die jüngste, üppige Honorarnote der Kanzlei CHSH, die jetzt noch dazu kommt: Allein für den Deal rund um den Verkauf von „Orange“ an Hutchison wurden 1,7Millionen Euro für die rechtsfreundliche Vertretung in Rechnung gestellt. Dafür, dass die „Orange“-Billigmarke Yesss! an die Telekom ging.

Die seltsame Doppelrolle wird nun jedenfalls der Vergangenheit angehören, Hlawati geht. Sie ist aber nicht die einzige. So wie es derzeit aussieht, wird fast die Hälfte der zehn Kapitalvertreter das Gremium verlassen. Tabula rasa will Kemler nicht machen, weil damit auch ein Know-how-Verlust verbunden wäre. So weit die offizielle Diktion. Inoffiziell wird es schon so sein, dass diverse politische Interessenslagen nicht ganz außer Acht gelassen werden dürfen.

Neben Hlawati stehen derzeit drei weitere Aufsichtsratsmitglieder auf der „Abschussliste“. Franz Geiger zum Beispiel. Der sitzt zwar erst seit Mitte 2011 im Telekom-Aufsichtsrat und gilt obendrein als einer der wenigen wirklich konstruktiven Mitglieder des Gremiums. Doch als Vorstand der Donau Chemie soll er dort unabkömmlich sein, wie offiziell argumentiert wird. Auch Wilfried Stadler wird gehen. Der frühere Investkredit-Chef hat aber schon lange das dringende Bedürfnis, das Telekom-Kontrollgremium zu verlassen. Man kann es ihm angesichts der mühsamen Skandalaufarbeitung nicht verdenken.

Und schließlich wackelt auch der Sessel von Henriette Egerth-Stadlhuber ganz gewaltig. Sie sitzt seit Mitte 2008 im Telekom-Aufsichtsrat, hat also den Telekom-Skandal teilweise miterlebt. Ob sie tatsächlich gehen wird, ist eben die Frage: Egerth-Stadlhuber gilt als bestens vernetzt – in ÖVP und Industriellenvereinigung.

Die vier sind für Rudolf Kemler jedenfalls so etwas wie „Manövriermasse“. Denn ansonsten ist in puncto Erneuerung des Aufsichtsrates nicht viel herauszuholen: Kemler selbst steht außer Streit. Ebenso die Vertreter des Großaktionärs America Movil, Ronny Pecik und Oscar Von Hauske Solis. Und von Peter Oswald, Chef des Papierkonzerns Monti, will man sich partout nicht trennen. Das Gleiche gilt für Ex-OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer. Oswald ist wegen seiner exzellenten Beziehungen zur Industriellenvereinigung tabu, Ruttenstorfer ist quasi der SPÖ-Vertreter im Aufsichtsrat. Bleibt noch Aufsichtsrat Harald Stöber. Der Unternehmensberater soll allerdings in dem Gremium bleiben – quasi als großes Statement politischer Unabhängigkeit.

Doch wer kommt neu dazu? Das ist angesichts der unterschiedlichen Interessenslagen schwer zu beantworten. Offiziell ist Aufsichtsratspräsident Kemler auf der Suche nach Kandidaten – und ausschließlich er soll auch die Anbahnungsgespräche führen. Was natürlich nicht heißt, dass nicht Wünsche an ihn herangetragen werden. Oder dass andere nicht heimlich auf der Suche wären. Michael Jungwirth, Assistent von Telekom-Chef Hannes Ametsreiter, war da schon recht umtriebig. Der ehemalige Flughafen-Vorstand Christian Domany ebenso, auch wenn der das bestreitet und völlig unklar ist, in wessen Auftrag er Gespräche führt.

Als potenzielle Kandidaten für den Aufsichtsrat werden demnach, recht vage, Ex-Orange-Chef Michael Krammer, Ex-Bawag-Managerin Regina Prehofer, Infineon-Chefin Monika Kircher, Unternehmerin Ursula Simacek sowie die Chefin der Bundesfinanzierungsagentur Martha Oberndorfer genannt.

Das sind zwar (bis auf Krammer) nicht die großen Telekom-Experten, die sich Kemler wünscht. Aber die Liste kann sich ja noch ändern. In Österreich weiß man ja nie. Und Zeit ist noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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