Wirtschaftskrise bei den Wirtschaftsforschern

Institut für Höhere Studien
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Das Institut für Höhere Studien (IHS) steckt in der Krise: Wichtige Mitarbeiter sind gegangen, es gibt weniger Aufträge für Studien. Massive Finanzierungsprobleme sind die Folge.

Die Wiener Stumpergasse 56: Ein in die Jahre gekommener Bau, nicht sonderlich attraktiv, um das einmal höflich zu formulieren. Renovierungsarbeiten haben hier wohl schon länger nicht stattgefunden, und die Immobilie ist für den Mieter darüber hinaus viel zu klein. Aber die Bleibe ist, dank freundlicher Unterstützung der Stadt Wien, wenigstens ausgesprochen günstig.

Der Mieter: das altehrwürdige Institut für Höhere Studien (IHS). Eigentlich wollte das Wirtschaftsforschungsinstitut schon vor Jahren ausziehen. Doch das wird noch dauern. Gerade erst wurde der Mietvertrag um weitere zwei Jahre verlängert. Ärgerlich, aber es geht halt nicht anders: Die Entscheidung liegt nämlich beim Finanzministerium und ist immer noch nicht getroffen worden.

Trotzdem: Christian Keuschnigg wäre froh, wäre dies sein einziges Problem. Seit rund einem Jahr leitet er das IHS. Es gibt einfachere Aufgaben – und da hat die leidige Sache mit den Büroräumlichkeiten durchaus Symbolcharakter: Das IHS, 1963 gegründet, hat massive finanzielle Zores.

„Ja, die Finanzierungssituation ist schwierig“, räumt Keuschnigg ein. Nach wie vor erhält das Institut – ebenso wie sein Konkurrent, das Wifo – zwar Subventionen: Rund 4,5 Millionen machen sie pro Jahr aus. Finanziert werden sie größtenteils vom Finanzministerium, ein kleiner Teil kommt jeweils vom Wissenschaftsministerium und von der Nationalbank. Doch es reicht bei Weitem nicht: Die Nationalbank hat ihren Anteil über die Jahre stark zurückgefahren, außerdem wurden die Zuschüsse über die Jahre nicht valorisiert. Es klafft eine Finanzierungslücke von fast 500.000 Euro.

Wie das? Keuschnigg begründet das so: Das IHS erstelle eben nicht nur Studien und Konjunkturprognosen – wie das Wifo. Es habe neben diesem angewandten Bereich auch den akademischen, in dem Postgraduate-Lehrgänge angeboten werden. „Ein Großteil unserer Mittel fließt in den akademischen Bereich. Da bleibt wenig für die angewandte Forschung.“

Dieses Problem wiederum ließe sich recht einfach lösen. Theoretisch zumindest. Es müssten nur genügend Aufträge für Studien einlangen, dann könnte sich dieser angewandte Bereich zu einem Gutteil selbst finanzieren. Doch auch da hakt es gewaltig.

Das liegt daran, dass dem IHS einige wichtige Mitarbeiter abhandengekommen sind. Womit das Institut in eine Art Teufelskreis geraten ist: Weniger Experten – das bedeutet, dass auch weniger Aufträge angenommen werden können. Das wiederum bedeutet, dass weniger Geld eingenommen wird.

Mitarbeiter berichten, dass die Stimmung im IHS im Keller ist. Wen wundert's? Bei einer Betriebsversammlung hat Keuschnigg offen mit seinem Rücktritt gedroht, was klarerweise nicht sonderlich motivierend ist. Jedenfalls ist eine Reihe von Mitarbeitern bereits bei der Konkurrenz untergekommen.

Besonders schmerzlich war für das IHS die Gründung des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria 2012. Leiter dieses Instituts wurde nämlich Ulrich Schuh, seines Zeichens langjähriger Ökonom im IHS. Mehr noch: Schuh nahm im Zuge seiner beruflichen Veränderung auch noch eine Handvoll versierter IHS-Mitarbeiter mit.

Und dann gibt es noch das Wirtschaftsforschungsinstitut Economica. Das wurde im Jahre 2004 von Christian Helmenstein gegründet – er war einst IHS-Ökonom und ist derzeit Chefvolkswirt der Industriellenvereinigung. Helmenstein schwört Stein und Bein, dass er Mitarbeiter des IHS keinesfalls aktiv abwirbt. Trotzdem wird demnächst ein IHS-Ökonom zu Economica wechseln.

Und, besonders prekär: Vor wenigen Wochen hat Bernhard Felderer bei Economica „angedockt“, wie Helmenstein formuliert. Felderer, ein höchst anerkannter Wirtschaftsforscher und Präsident des Staatsschuldenausschusses, war 20 Jahre lang Chef des IHS – also Keuschniggs Vorgänger. Sein Büro im IHS wird er demnächst endgültig verlassen, bei Economica wurde ihm bereits eines zur Verfügung gestellt.

Ein harter Schlag für das IHS: Felderers politischen Kontakten war es zu verdanken, dass das IHS stetig lukrative Aufträge an Land ziehen konnte. Jetzt muss das IHS das allein schaffen. Was schwierig ist: Keuschnigg fehlt es an Kontakten. Darüber hinaus sind viele Mitarbeiter, die ebenfalls Aufträge für das Institut akquiriert haben, gegangen – beziehungsweise von Keuschnigg gegangen worden.

Während in der Branche von einem echten Braindrain beim IHS gesprochen wird, ist Keuschnigg sehr bemüht, das Problem herunterzuspielen. „Fluktuation ist ja per se nichts Schlechtes“, sagt er. Und: „Das IHS ist traditionell vorwiegend mit jungen Mitarbeitern besetzt, es gehen nur wenige bei uns in Pension.“ Aber er räumt ein: „Die finanziellen Rahmenbedingungen machen es schwer, Mitarbeiterentwicklung zu fördern.“

Aber was bedeutet all dieses Ungemach für das Institut? Ist es denkbar, dass das IHS zugesperrt werden muss? Keuschnigg trocken: „Ich kann die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios leider nicht mit null gleichsetzen.“

Was einigermaßen bedauerlich wäre – um nicht zu sagen: problematisch. Denn seit Jahrzehnten präsentieren das Wifo und das IHS jedes Quartal, Seite an Seite, die Konjunkturprognosen für Österreich. Dass dies zwei Institute machen, hat auch einen triftigen Grund: Solche Prognosen sind Grundlage für Investitionsentscheidungen der Unternehmen – die beiden Institute dienen sich also gegenseitig als Korrektiv.

Um das Ruder herumzureißen, will Keuschnigg nun das IHS „fit machen, also gute Leute holen“. Ziel sei eine gute Mischung aus älteren, erfahrenen Experten und jungen Ökonomen. Und: Er will „die Besonderheit des IHS hervorheben, nämlich den akademischen und den angewandten Bereich“. Keuschnigg: „Wir müssen schauen, dass der Austausch zwischen beiden Bereichen funktioniert, dass beide voneinander profitieren können.“

Faktum ist, dass auf Keuschnigg eine Herkulesaufgabe zukommt: Er muss Aufträge akquirieren, er muss das IHS neu aufstellen. Und das bei einer Dreitagewoche. Keuschnigg unterrichtet nämlich nebenbei an der Universität St. Gallen.

Der IHS-Chef hat also die Installierung eines kaufmännischen Geschäftsführers im Institut gefordert. Doch das sehen die Statuten nicht vor. Der Beirat hat ihm schlussendlich einen Assistenten bewilligt. Ob dies den Worst Case abwendet? Man wird sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2013)

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