Bauprojekt: Die Schnellstraße zur Hölle

Schnellstrasse Hoelle
Schnellstrasse Hoelle(c) ORF (Eva Riegler)
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Die burgenländische Gemeinde Schützen soll eine Ortsumfahrung bekommen. Ein Prestigeprojekt, offenbar. Ein Krieg mit der Familie Esterházy wird dafür gern in Kauf genommen.

Straßenbauprojekte? Darüber lässt sich stets trefflich streiten: Es gibt immer vehemente Gegner (meist die Anrainer), es gibt immer massive Befürworter (meist die Politiker). Die besten Voraussetzungen für einen jahrelangen Krieg – wir kennen das, nichts Ungewöhnliches.

Trotzdem: Man lernt nie aus. Es kann nämlich schon auch vorkommen, dass der Zwist über ein Straßenbauprojekt alles Dagewesene in den Schatten stellt. Weil zum Beispiel die Politik ganz besonders virtuos die Trickkiste bedient. Weil beispielsweise die Höchstgerichte und die EU-Kommission involviert sind. Oder weil eine höchst prominente Familie eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Vorhang auf für die burgenländische Posse um die Ortsumfahrung Schützen.

Bauprojekt Schnellstrasse
Bauprojekt Schnellstrasse (C) DiePresse

Ein relativ kleines Projekt, wohlgemerkt. Die Straße soll von Eisenstadt bis Schützen am Gebirge führen – eine Strecke von nicht einmal zehn Kilometern. Egal: Der Streit darob hat Ausmaße erreicht, die nicht größer sein könnten, würde es sich um eine sechsspurige Autobahn handeln. Wobei eines schon verwundert: Das Projekt muss dem burgenländischen SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl sowie dem für Straßenbau zuständigen SPÖ-Landesrat Helmut Bieler immens wichtig sein. Sie bleiben unerbittlich dran, mit aller Macht. Obwohl das Projekt bislang nichts als Ärger eingebracht hat. Und wohl auch noch einbringen wird.

Der Plan, den Ort Schützen verkehrstechnisch zu entlasten, ist jedenfalls schon rund 13 Jahre alt. Schützen hat zwar mit der B50 Schnellstraße bereits eine Ortsumfahrung, aber was soll's. Eine weitere muss her, wurde im Jahre 2001 beschlossen. Es war der Beginn einer politischen Höllenfahrt.

Zunächst wurde das Projekt in den Generalverkehrsplan Österreich aufgenommen, als Verlängerung der Schnellstraße S31. Was für die burgenländische Landesregierung vor allem folgende frohe Botschaft bedeutete: Der Bund würde die Kosten von veranschlagten 52 Millionen Euro übernehmen.

Das ist mittlerweile Makulatur: Der Bund hat sich aus dem Projekt zurückgezogen. Wie zur Bestätigung folgte Ende 2011 ein Bericht des Rechnungshofes: Die Notwendigkeit der Ortsumfahrung Schützen sei „weder durch Verkehrsprognosen untermauert noch anhand von Kosten-Nutzen-Überlegungen“ gegeben, steht dort schwarz auf weiß.

Macht nichts. Die burgenländische Landesregierung blieb bei dem Projekt. Und durch die „Verländerung“ der Angelegenheit hatten Niessl und Bieler auch noch bessere Kontrolle über das Vorhaben. Was auch ordentlich ausgenützt wurde.

Erster Schritt: Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), bei solch Vorhaben gesetzliches Muss, wurde kurzerhand ausgesetzt. Wie das? Mit einem einfachen Trick: Auf der Schnellstraße wurde schlicht und einfach eine Zu- und Abfahrt eingeplant. Die führt zwar in ein angrenzendes Feld, also gleichsam ins Nirwana, aber sei's drum: Aus der Schnellstraße ist damit flugs eine Landstraße geworden, so schnell kann's gehen. Und so eine Landstraße ist halt – leider, leider – nicht UVP-pflichtig. Was letztlich bedeutet, dass die Bürger beim Projekt kein Mitspracherecht hatten.

Das wiederum führt die Politik schnurstracks zu Problem Nummer eins: Eine Bürgerinitiative hat sich mit einer Beschwerde an die EU-Kommission gewandt. Und die hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich wegen der eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten eingeleitet.

Problem Nummer zwei hat sich die burgenländische Landesregierung mehr oder weniger gleichzeitig eingehandelt: Da geht es um die Enteignung von etlichen Grundstückseigentümern im Jahre 2011. Mitte November desselben Jahres haben diese den einschlägigen Bescheid erhalten, die wenigsten wollen das freilich einfach so hinnehmen.

Rechtsanwalt Lothar Stix vertritt 29 enteignete Grundstückseigentümer und hat für diese Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. So etwas kommt natürlich auch nicht alle Tage vor: „Aber wenn das nach Aussetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung die einzige Möglichkeit ist, das Projekt zu bekämpfen, muss man sie wahrnehmen“, sagt Stix.

Das mit den Enteignungen ist überhaupt so eine Sache, die uns auch gleich zu Problem Nummer drei führt: Eine der Enteigneten ist nämlich die von Melinda Esterházy dotierte Esterházy-Privatstiftung. Landeshauptmann Niessl hätte sich besser einen weniger schlagkräftigen Gegner ausgesucht. Aber das Schicksal schlägt oft gnadenlos zu.

Jedenfalls ist die Sache laut Esterházy-Anwalt Lorenz Riegler so gelaufen: „Wir haben im November 2011 den Enteignungsbescheid erhalten. Und dann ist ein Jahr lang nichts passiert.“ Heißt: Der Bescheid wurde nicht vollzogen. Es gab keine Kontaktaufnahme, geschweige denn eine formelle Übergabe des Grundstücks.

Der Familie Esterházy war das natürlich gar nicht unrecht. Doch dann passierte Erstaunliches: Am 20. September 2012 fand der Spatenstich für die Ortsumfahrung statt. Ein Schelm, wer da an die herannahenden burgenländischen Gemeinderatswahlen am 7. Oktober 2012 denkt. Egal, das Problem war ja auch ein völlig anderes: Der Spatenstich erfolgte auf dem vermeintlich enteigneten Esterházy-Grundstück. Das freilich noch im Besitz der Familie war.

Es kam, wie es kommen musste: Die Esterházy-Privatstiftung brachte eine Besitzstörungsklage ein. Und bekam recht.

Exekutiert wurde das Ganze freilich nicht mehr – mittlerweile wurde das besagte Grundstück mittels Zwangsvollstreckungsverfahrens tatsächlich enteignet. Doch die Sache bleibt heiß: Auch die Privatstiftung hat beim Verfassungs- und beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde eingebracht.

Landeshauptmann Niessl lässt sich nach wie vor nicht beirren. Augen zu und durch, lautet die Devise. Und so bekam Umweltanwalt Hermann Frühstück, der sich zuletzt immer wieder für das Straßenbauprojekt ausgesprochen hatte, nebenbei eine Vertragsverlängerung – ohne die im Gesetz vorgeschriebene Ausschreibung. Alles rechtens, heißt es dazu aus der Landesregierung: Eine Ausschreibung sei nicht notwendig, wenn man auf die Dienste einer Person nicht verzichten wolle. Man wird sehen. Gut möglich, dass die Vertragsverlängerung noch Problem Nummer vier bereiten wird.

Dennoch: Das Projekt wird durchgezogen. „Widerstand motiviert offenbar“, schlussfolgert Esterházy-Anwalt Riegler. Und was gibt es für einen SPÖ-Politiker Herrlicheres, als gegen die reichste Familie des Landes zu kämpfen? Eben.

Anwalt Riegler rechnet sich jedenfalls gute Chancen bei den Höchstgerichten aus. Der nächste Akt in der Posse folgt also bestimmt.

Und dann? Was, wenn die Beschwerdeführer recht bekommen? Mit dem Bau der Straße wurde vor Kurzem begonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2013)

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