Linz vs. Bawag: Wenn der Wahnsinn weitergeht

OBEROeSTERREICH: SONDERKONTROLLAUSSCHUSSES ZUR LINZER SWAP-AFFAeRE /  PENN, PLOeCKINGER, SHAMYEH
OBEROeSTERREICH: SONDERKONTROLLAUSSCHUSSES ZUR LINZER SWAP-AFFAeRE / PENN, PLOeCKINGER, SHAMYEHAPA/RUBRA
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Beim Prozess zwischen Stadt Linz und Bawag um 417 Millionen wegen eines missglückten Swaps ist Deeskalation nicht in Sicht: Jetzt klagt die Bawag den Linzer Bürgermeister Dobusch und seinen Finanzstadtrat.

Der 24. Mai. Freitag. Ein Tag wie jeder andere im Wiener Handelsgericht. Ein Tag wie jeder andere? Richter Andreas Pablik hat wie so oft zwei Prozessgegner zur „vorbereitenden Tagsatzung“ bei sich. Er ist freilich fassungslos, spricht händeringend von „Wahnsinn“. Die beiden mögen sich doch irgendwie einig werden, sonst werde das Ganze noch „viel Geld kosten“.

Ein wahres Wort.

Es geht um 417,7 Millionen Euro – und täglich 100.000 Euro, die an Zinsen anfallen. Es geht um einen Streit über ein Swap-Geschäft, das die SPÖ-dominierte Stadt Linz im Jahre 2007 mit der damaligen Gewerkschaftsbank Bawag abgeschlossen hat. Und es geht um Bestemm.

Dabei hatte alles so friedlich begonnen: Jahrelang hatte die Stadt Linz an der Zinswette, mit dem ein Frankenkredit abgesichert werden sollte, nichts auszusetzen. Was natürlich schon auch daran lag, dass zunächst feine Gewinne gemacht wurden. Doch auch als ab Jänner 2008 die Sache den Bach runterging, wurde nichts beanstandet. Obwohl die Bawag die Stadt auf herandräuende Probleme hinwies und weitere Absicherungen anbot. Mitte 2008 – das behauptet zumindest die Bawag – wäre es noch möglich gewesen, gewinnbringend aus dem leidigen Geschäft auszusteigen. Doch Linz blieb dabei. Nur sehr böse Zungen behaupten, dass diese stoische Gelassenheit etwas mit den Gemeinderatswahlen vom Juni 2009 zu tun hatte.

Im Oktober 2011 zog die Stadt dann jedenfalls die Reißleine – und stieg kurzerhand aus dem Vertrag aus. Auf rund 350 Millionen Euro belief sich damals der sogenannte negative Marktwert. „Aber durch die Schließung sind natürlich noch weitere Kosten angefallen“, sagt Bawag-Jurist Alexander Schall. Unter dem Strich blieben also jene 417,737 Millionen Euro. Zuzüglich Zinsen, selbstverständlich.

Und dann ist das passiert, was Richter Pablik so trefflich als „Wahnsinn“ bezeichnet: Die Stadt Linz klagte die Bawag, die Bawag klagte die Stadt. Eine fünf Monate dauernde Mediation scheiterte. Und so wird sich der Prozess angesichts der beidseitig festgefahrenen Ansichten wohl ordentlich in die Länge ziehen. Der nächste Finanzminister – respektive die nächste Finanzministerin – wird schön schauen: Wer immer den Rechtsstreit verliert, wird mit Steuergeldern aufgefangen werden müssen. Für diese Prognose muss man kein allzu großer Prophet sein.

Aber eine Deeskalation ist trotzdem nicht in Sicht – und da wird's noch einmal interessant: Die Bawag wird nämlich in wenigen Tagen Haftungsklagen gegen den Linzer Bürgermeister Franz Dobusch und Finanzstadtrat Johann Mayr einbringen.

Warum? Weil beide sich strikt weigern, einen von der Bawag geforderten Verjährungsverzicht zu unterzeichnen. Das ist schon einigermaßen kühn. Immerhin hat sich der Rechnungshof in seinem druckfrischen Bericht zur Causa zu einer beispiellosen Aussage hinreißen lassen. „Unmittelbar nach Beendigung aller straf- und zivilrechtlichen Verfahren wäre eine eingehende Untersuchung der Verantwortlichkeiten und damit zusammenhängend die Prüfung allfälliger Schadenersatzansprüche auf allen Ebenen einzuleiten“, heißt es da schwarz auf weiß.

Klingt plausibel, hat freilich einen ordentlichen Haken: Bis die Sache tatsächlich ausjudiziert ist, könnten Schadenersatzansprüche gegen die Verantwortlichen schon längst verjährt sein. Vor wenigen Wochen hat die Bawag daher den früheren Finanzdirektor der Stadt, Werner Penn,ersucht, einen Verjährungsverzicht zu unterschreiben. Was er auch anstandslos tat.

Bei Stadtrat Mayr blieb der Brief freilich ohne Reaktion. Vielmehr nahmen er und Dobusch öffentlich zum Bawag-Begehr Stellung, in Form einer geharnischten Presseaussendung. „Wenn die Bawag PSK glaubt, sie kann durch Drohungen gegen Einzelpersonen das Verfahren für sich retten, hat sie sich getäuscht“, tat Mayr dort kund. Auch Dobusch verweigerte in der Aussendung den Verjährungsverzicht. Warum? Die Sprecherin des Bürgermeisters, Karin Frohner, verweist auf die seinerzeitige Presseaussendung.

Wobei eine weitere Frage in dem Zusammenhang ebenso interessant ist: Will sich auch die Stadt Linz im Eventualfall an ihren Organen schadlos halten und von ihnen einen Verjährungsverzicht fordern? Auch diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Rechtsberater Meinhard Lukas – nebstbei Dekan der juridischen Fakultät an der Johannes-Kepler-Universität Linz – muss jedenfalls passen: „Die Frage ist von meinem Auftrag nicht erfasst. Bei meinem Beratungsauftrag geht es ausschließlich um das Verhältnis von Linz zur Bawag.“

In der Stadtregierung wird die Bawag-Klage hinter vorgehaltener Hand aber eh bloß als Finte erachtet: Sie sei überhaupt nicht notwendig, heißt es, so schnell verjähren Ansprüche nicht. Es gehe nur um einen Schachzug der Bawag, mit dem der Gegner in die Defensive getrieben werden soll.

Freilich: In puncto Stimmungsmache hat sich die Stadt Linz auch nichts vorzuwerfen: In besagter Dobusch-Presseaussendung wurde gut und gern darauf hingewiesen, dass die Bawag im Eigentum von (bösen) US-Hedgefonds steht. Und zum nun begonnenen Gerichtsprozess wurde festgehalten: „Die Vorzeichen für die Bawag sind alles andere als positiv.“

Man wird sehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das streng vertrauliche Protokoll des Finanzüberwachungsausschusses für den Salzburger Finanzskandal. Dort sagte Meinhard Lukas, der auch das Land Salzburg berät, am 20.März aus: „Da muss man mit der Bank einen vernünftigen Weg finden, wie man das Problem löst.“ Dazu gehöre nicht, „zu sagen, wir zahlen nichts mehr [...], und am Ende des Tages hat es fünf Mal so einen negativen Wert wie jetzt, und dann streiten wir bei Gericht über diesen Negativwert“. Nachsatz: „Und ich spreche hier aus Linzer Erfahrung. Also da finde ich einfach, dass man manches hier in Salzburg besser aufstellen kann und auch soll.“

Ein Fehler also, der der Stadt Linz unterlaufen ist? Das werden die Gerichte zu entscheiden haben. Nolens volens.

Im Mai hat das Meinungsforschungsinstitut Imas jedenfalls eine Umfrage unter 604 Linzern durchgeführt. Ergebnis: 56 Prozent sind unzufrieden mit der Art und Weise der Konfliktbewältigung. Und 64 Prozent sind dafür, dass die Streitparteien einen Kompromiss aushandeln sollen. Ohne Gericht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)

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