Inserate: Affäre? Welche Affäre?

MINISTERRAT: FAYMANN
MINISTERRAT: FAYMANNAPA/HELMUT FOHRINGER
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Gut möglich, dass das Verfahren gegen Kanzler Werner Faymann und Staatssekretär Josef Ostermayer in wenigen Tagen eingestellt wird. Die irre Geschichte einer Causa, die keine sein darf.

Rechtsanwalt Gottfried Korn ist guter Dinge: „Ich rechne mit einer Entscheidung noch im Oktober“, sagt er. Das wird spannend: Es geht immerhin um eine ziemlich brisante juristische Causa. Nämlich darum, ob gegen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und dessen Staatssekretär Josef Ostermayer (den Korn vertritt) Anklage erhoben wird. Stichwort: Inseratenaffäre.

Gottfried Korns blendende Laune rührt daher, dass die ausstehende Entscheidung von ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so lauten wird: Das Verfahren wird eingestellt.

Alles andere wäre jedenfalls ein echter Paukenschlag: Monatelang hat die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt, ob Faymann und Ostermayer in ihrer Zeit als Verkehrsminister bzw. Kabinettschef den Tatbestand der Untreue erfüllt haben. Es gab zwar viele Zeugen, die die beiden ordentlich belasteten: Immer wieder wurde berichtet, dass Faymann und Ostermayer die zu ihnen ressortierenden Unternehmen ÖBB und Asfinag angehalten hätten, in den Boulevardzeitungen „Kronen Zeitung“ und „Österreich“ um viel Geld Inserate zu schalten. Faymann habe sich damit das Wohlwollen des Boulevards kaufen wollen. Aber es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Was freilich mittlerweile eigentlich eh egal ist, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren schon die längste Zeit einstellen will. Und zwar erstmals bereits im Sommer 2012. Doch damals erging vom Justizministerium die Weisung, die Ermittlungen auszuweiten – es sollte beispielsweise das Zustandekommen diverser Asfinag-Inserate in Boulevardmedien eruiert werden. Was in der ersten Runde der Ermittlungen seltsamerweise ausgeklammert worden war. Sei's drum: Die Staatsanwaltschaft hat längst Ermittlungsrunde zwei absolviert. Und ist zum gleichen Schluss wie bei Runde eins gekommen: Der Verdacht der Untreue habe sich nicht erhärtet.

Da konnte der Rechnungshof in seinem Bericht vom August 2012 noch so sehr monieren: „Die Schaltungen erweckten teilweise den Eindruck einer Imagekampagne des BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Anm.) und des Bundesministers (also Faymanns, Anm.).“ Und: „Es war nicht nachvollziehbar, warum die ÖBB-Holding die Kosten dieser Schaltungen zur Gänze übernahm.“ Für die Justiz war die Suppe dennoch zu dünn.

Was wohl auch daran liegen wird, dass der Kreis der Beschuldigten im Zuge der Ermittlungen sukzessive um Ex-ÖBB- und Ex-Asfinag-Manager erweitert wurde. Und die sich bei ihren Einvernahmen selbstverständlich nicht selbst belasten wollten.

Faymann und Ostermayer können sich also freuen. Alles wird gut. Allein: Der große Befreiungsschlag steht noch aus.

Das ist für die beiden natürlich höchst ärgerlich, ist aber andererseits eine recht lustige – weil typisch österreichische – Geschichte: ÖVP-Justizministerin Karl lässt die beiden nämlich ordentlich zappeln.

Der sogenannte Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft (in dem diese die Einstellung des Verfahrens empfiehlt) ist nämlich schon seit geraumer Zeit fertig. Er wurde auch schon von der Oberstaatsanwaltschaft in Augenschein genommen, die an den Schlüssen der Staatsanwaltschaft nichts auszusetzen hatte. Am 17. Juli wurde der Akt an das Justizministerium weitergeleitet.

Und dann passierte zunächst einmal nichts, weil der zuständige Sektionschef Christian Pilnacek auf Urlaub weilte. In einer Zeitung wurde er unlängst so zitiert: „Bei mir ist der Akt seit August, die Causa ist komplex.“ Und: „Wir tun unser Äußerstes.“

Was natürlich ein dehnbarer Begriff ist. Informell wurde diversen in der Causa involvierten Rechtsanwälten jedenfalls wiederholt mitgeteilt, dass die Justizministerin „noch keine Zeit“ gehabt habe, sich den Akt zu Gemüte zu führen. Wobei allen klar war: In der Zeit des Wahlkampfes werde es keine Entscheidung der Ministerin geben. Logisch: Egal, wie die Entscheidung aussieht, den Geruch von Politjustiz hätte sie im Wahlkampfgetöse in jedem Fall gehabt. Eine Entscheidung pro Faymann hätte ein schlechtes Licht auf die SPÖ geworfen. Eine gegen ihn hätte der ÖVP Probleme bereitet. Eine höchst undankbare Angelegenheit also.

Doch nun ist fast ein Monat seit dem Wahlsonntag ins Land gezogen. Und es tut sich immer noch nichts. „Es gibt keine Entscheidung, es gibt keinen Zeithorizont“, sagt Beatrix Karls Sprecher Sven Pöllauer. Klar: Die Justizministerin gilt als Ablösekandidatin. Wieso in aller Welt soll sie sich so ein heikles Thema noch antun? Andererseits: Vielleicht werden auch bloß die Koalitionsverhandlungen abgewartet – und der Staatsanwaltschaft dann weitere Ermittlungen angeordnet. Auch möglich.

Ein einziges Mysterium also. Und reichlich Nahrung für eine neuerliche Diskussion über die Justizpolitik. „Das Weisungsrecht des Justizministeriums gehört abgeschafft“, sagt Korn. Strafrechtler Richard Soyer stimmt zu: „Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß.“ Kollege Meinhard Novak pflichtet dem bei: „Die Zeit ist reif, die Justiz in die Unabhängigkeit zu entlassen.“

Wenigstens mit der Frage wird sich Beatrix Karl nicht mehr herumschlagen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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