Strom: Ärger am laufenden Band

Gaskraftwerk Mellach
Gaskraftwerk MellachSiemens AG
  • Drucken

Der Verbund hat mit seinen thermischen Kraftwerken wenig Fortüne: Das Gaskraftwerk Mellach verschlingt Unsummen. Und wegen eines Kohlekraftwerks gibt es Streit mit den Steirern.

Ist es ein Fluch? Schlechtes Karma? Oder einfach nur banales Pech? Man weiß es nicht. Aber eines steht fest: Österreichs größter Stromkonzern, der Verbund, hat mit dem steirischen Gaskraftwerk Mellach gröbere Probleme. Von Anfang an. Und die Zores reißen nicht ab.

Dabei hat die Sache so verheißungsvoll begonnen. Im Jahr 2006 wurde der Bau des Kraftwerks ausgeschrieben. Nicht irgendein Kraftwerk, wohlgemerkt: Mit Mellach sollte eines der modernsten und effizientesten Kraftwerke Europas entstehen.

Doch schon beim Ausschreibungsprozedere hakte es gewaltig: Die damalige Siemens-Österreich-Chefin Brigitte Ederer hatte sich mächtig ins Zeug gelegt und bekam letztlich auch den Zuschlag für den lukrativen Auftrag in Höhe von 550 Millionen Euro. Und dann begannen die Probleme.

Der unterlegene Bieter war nämlich just der A-Tec-Konzern von Mirko Kovats, der eher nicht dafür bekannt ist, Niederlagen sportlich hinzunehmen. Kovats bekämpfte denn auch die Zuschlagsentscheidung und ging bis zum Höchstgericht. Das hat ihm im Endeffekt herzlich wenig gebracht, aber der Baubeginn für das Kraftwerk verzögerte sich eben ordentlich. Erst Anfang 2009 ging's dann los.

2011 konnte das Kraftwerk endlich in Betrieb genommen werden – aber dann ist wieder etwas passiert: Es gab technische Probleme, die die Inbetriebnahme abermals verzögerten und letztlich dazu führten, dass Siemens geschmalzene Pönalezahlungen leisten musste.

Diese Siemens-Zahlungen sind immerhin das einzig Positive, das dem Verbund im Zusammenhang mit Mellach widerfahren ist. Denn auch jetzt reißen die Probleme nicht ab.

Das liegt daran, dass der Gaspreis mittlerweile in seinerzeit ungeahnte Höhen katapultiert wurde. Gleichzeitig sind die Strompreise sehr niedrig. Das ergibt eine höchst ungünstige Kombination: Der Verbund muss zum Betreiben des Kraftwerks Unmengen für das bezogene Gas bezahlen, gleichzeitig lukriert er für den dort erzeugten Strom herzlich wenig. Eine höchst problematische Situation für Wolfgang Anzengruber, der seit 2009 Verbund-Chef ist – das Problem Mellach also quasi erbte.

Anzengruber hat heuer bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Problem halbwegs elegant zu lösen. Zunächst am Verhandlungstisch: Es gab Gespräche mit der OMV, deren Tochter Econgas für die Gaslieferungen an Mellach zuständig ist. Mit Econgas wurden nämlich seinerzeit langfristige Lieferverträge abgeschlossen, „und die Preise sind überhöht“, sagt Anzengruber. Schlimmer noch: Der Liefervertrag enthält auch noch eine sogenannte Take-or-Pay-Klausel, die den Abnehmer zu Zahlungen verpflichtet, selbst wenn kein Erdgas abgenommen wird.

Doch die Verhandlungen führten zu nichts, im Mai hat Anzengruber sich also ans Kartellgericht gewandt. Unnötig festzuhalten, dass die Stimmung zwischen Anzengruber und OMV-Chef Gerhard Roiss seitdem nicht die beste ist.

Aber das ist ein vernachlässigbares Problem – verglichen mit dem wirtschaftlichen: Denn Mellach schlägt jedes Jahr mit Verlusten in Höhe von 40 Millionen Euro zu Buche. Drei Mal musste es in den Bilanzen bereits wertberichtigt werden und ist nunmehr auf einen Restwert von 141 Millionen Euro abgeschrieben. Das Kraftwerk, das in der Verbund-Tochter Verbund Thermal Power GmbH geparkt ist, lastet schwer auf deren Bilanz.

Im Verbund wird erzählt, dass der Tochter heuer noch rund 50 Millionen Euro zugeschossen werden müssen. Was offiziell auch keineswegs dementiert wird. „Der Verbund nimmt die Verantwortung gegenüber der Tochtergesellschaft wahr und hat zugesagt, die notwendigen Kapitalmaßnahmen entsprechend dem Eigentümerverhältnis zu setzen“, sagt Anzengruber. Heißt: Der Verbund, dem 80 Prozent an der Verbund Thermal Power gehören, übernimmt diesen Anteil. 20 Prozent müssen vom Miteigentümer Energie Steiermark kommen.

Das ist natürlich nicht wenig Geld – und da kann einem der Geduldsfaden schon einmal reißen. Fakt ist: Im Bereich thermische Energie hat der Verbund wenig Fortüne. Wäre es also nicht naheliegend, dass Anzengruber sich diesen Mühlstein schleunigst vom Hals schaffen möchte? Und fortan als ausschließlicher Wasserkrafterzeuger einer glücklichen Zukunft entgegensieht?

Jedenfalls herrscht in der steirischen Politik seit einigen Wochen helle Aufregung. Denn in der Nähe des problematischen Gaskraftwerks Mellach gibt es auch ein Steinkohlekraftwerk – dem die Fernwärmeversorgung von Graz obliegt. Und Anzengruber, so wird in Schockstarre erzählt, habe diesbezüglich unlängst ein höchst seltsames Angebot unterbreitet: Man könne doch kurzen Prozess machen und die Verbund Thermal Power in die Insolvenz schicken. Die Energie Steiermark könnte dann das Kohlekraftwerk quasi zum Nulltarif übernehmen.

Das Problem ist bloß: Die Steirer wollen das Kraftwerk nicht einmal geschenkt. So ein Kohlekraftwerk ist enorm personalintensiv – und das jüngste ist es auch nicht gerade. Internen Berechnungen zufolge müssten die Steirer Kosten in dreistelliger Millionenhöhe in Kauf nehmen. „Indiskutabel“, heißt es. Abgesehen davon, dass der Verbund – wie die Steirer betonen – sich nicht so mir nichts, dir nichts seiner vertraglichen Versorgungspflicht entledigen kann.

Aber egal: Anzengruber will von Dissonanzen sowieso nichts wissen. „Insolvenz gibt es in unserem Sprachgebrauch gar nicht“, sagt er. „Außerdem verschenken wir sicher nichts. Schon gar kein Kraftwerk.“ Und zur allgemeinen Beruhigung: „Die Fernwärmeversorgung der Stadt Graz ist über die gesamte Heizperiode gesichert.“ Alles bleibt also, wie es ist.

Bleibt lediglich die Frage, wie das Problem mit dem unseligen Gaskraftwerk gelöst wird. Wird es verkauft? Anzengruber sagt, dass es zahlreiche Interessenten gebe. Andererseits: Solange das Damoklesschwert der teuren Gaslieferungen über dem Kraftwerk hängt, sind Verhandlungen natürlich einigermaßen mühsam.

In der Branche wird daher davon ausgegangen, dass der Verbund das Kraftwerk einige Zeit einfach einmotten wird. Dafür spricht auch folgende Äußerung Anzengrubers: „Ab dem Jahr 2016 wird es wieder Engpässe bei der Stromversorgung in Europa geben.“ Dann könne mit einem Gaskraftwerk auch wieder Geld verdient werden. „Wir müssen eben die Zeit bis dahin überbrücken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.