Der Kampf des Ski-Pioniers. Eine Tragödie.

Affäre. Vor gut zwölf Jahren schickte die Bawag die Skifabrik Atomic in den Konkurs. Jetzt sollen die mysteriösen Hintergründe durchleuchtet werden. Zu spät für Firmengründer Alois Rohrmoser. Er verstarb vor zwei Jahren.

Es ist Februar 1998, und Helmut Elsner ist zufrieden mit seiner Performance. Der Bawag-Generaldirektor hat seinen Kontrahenten wieder einmal gezeigt, dass er alle Kniffe kennt: Er hat sie alle mit Klagen eingedeckt. Und er hat sich eine ganz besondere Raffinesse ausgedacht – wozu hat man schließlich gute Beziehungen? Also schreibt er seinem Parteifreund, Innenminister Karl Schlögl, einen Brief mit der Bitte um Intervention bei den laufenden polizeilichen Ermittlungen. Jetzt kann er zur Tagesordnung übergehen: „Das Ganze wird in kürzester Zeit erledigt sein“, prophezeit Elsner den Journalisten.

Welch Irrtum. Schlögl war das Ansinnen Elsners ziemlich wurscht. Die Klagen haben auch niemanden eingeschüchtert. Und erledigt ist „das Ganze“ auch keineswegs. Im Gegenteil: Die mysteriösen Umstände rund um die Pleite des Ski-Konzerns Atomic sind aktueller denn je. Kommende Woche sollen sie im Banken-Untersuchungsausschuss erörtert werden.

Eine spannende Causa: Es geht um die Frage, ob Elsner die einst größte Skifabrik des Landes im Jahre 1994 nur deshalb in den Konkurs schickte, um dringend benötigte liquide Mittel zur Verfügung zu haben (Stichwort: Karibik-Verluste). Dafür spricht jedenfalls eine Anzeige aus dem Jahr 1998, die das Landesgendarmeriekommando Salzburg erstattete – die dortige Kriminalabteilung hatte Vermutungen über solche Zusammenhänge gemacht.

Eine tragische Causa: Jahrelang hatte Firmengründer Alois Rohrmoser nachgerade fanatisch um sein Lebenswerk, um seine Rehabilitierung gekämpft. Erfolglos. Im Februar 2005 ist er gestorben. „Er ist an der Geschichte zu Grunde gegangen“, sagt seine Tochter Elisabeth „Lizzy“ Rohrmoser. Dass die Sache nun wieder aktuell ist, sei natürlich eine große Genugtuung, sagt sie. „Wir hätten nie gedacht, dass wir die Chance zur Aufklärung noch bekommen.“ Dass der Vater dies nicht mehr erleben durfte, sei aber sehr schmerzhaft.

Der Zusammenbruch des Atomic-Imperiums liegt so viele Jahre zurück – doch die beiden Töchter und die Witwe Alois Rohrmosers wollen den Kampf gegen die damalige „Ungerechtigkeit“ nicht aufgeben. Wie denn auch: Sie laborieren immer noch an einem „Riesen-Schuldenberg“ (Lizzy Rohrmoser). Von seelischen Narben ganz zu schweigen.

Doch es gibt auch „Kollateralschäden“: Fritz Schrempf zum Beispiel. Er war bis zum bitteren Ende Atomic-Geschäftsführer und hat vor zwei Jahren ein Buch über die Causa geschrieben. „Es war als Vergangenheitsbewältigung gedacht“, sagt er, „aber völlig befreien habe ich mich von der Sache trotzdem nicht können.“ Immer noch fühlt er sich als „Atomic-Mann“, obwohl er dem Unternehmen vor zwölf Jahren den Rücken kehrte. „Ich habe halt 24 Jahre dort gearbeitet“, sagt er. Wenn er von Alois Rohrmoser spricht, dann sagt er immer noch „der Chef“.

Doch das Bild, das er vom „Chef“ zeichnet, ist voller Widersprüche. Es ist einerseits das Bild eines Mannes, der ein Parade-Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut hat. „Ich habe ihm viel zu verdanken“, sagt Schrempf. Es ist aber andererseits auch das Bild eines Mannes, der in den letzten Jahren als Firmenchef durchaus starrsinnig, misstrauisch und unberechenbar war. Und dadurch war es für Helmut Elsner ein Leichtes, Atomic den Garaus zu machen. Jedenfalls begründete die Bawag seinerzeit den Konkursantrag mit dem „mangelnden Vertrauen“ zu Rohrmoser.

Das Psychogramm des „Chefs“, das Schrempf liefert, ist in der Tat kein schmeichelhaftes: „Er wurde 1989 vom Magazin ,Trend‘ zum ,Mann des Jahres‘ gekürt. Und seitdem ist er abgehobener und sturer geworden“, erzählt Schrempf. „Er wollte die Meinung anderer Leute nicht mehr hören.“

Als das Unternehmen Anfang der neunziger Jahre dank mehrerer schneearmer Winter und hoher Investitionen wirtschaftliche Probleme bekam, wurde die Kluft zwischen dem Patriarchen und dem Management immer größer: „Wir waren in seinen Augen an der Situation schuld“, erzählt Schrempf. Eine ganze Reihe von Managern verließ das Unternehmen. Schrempf blieb.

Alois Rohrmoser igelte sich immer mehr ein. Und so kam es, dass er am 7. September 1994 eine einsame Entscheidung über die Zukunft des Unternehmens traf: Er übertrug die Mehrheit seiner Anteile an ein Treuhänder-Konsortium rund um den Rechtsanwalt Ernst Chalupsky und den Sanierer Stefan Pierer. Schrempf erfuhr davon aus den Medien. Und Elsner tobte: Rohrmoser habe gegen alle vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kreditgeber Bawag verstoßen.

Es war jedenfalls eine fatale Entscheidung Rohrmosers: Schrempf trat als Geschäftsführer zurück. Und die Bawag hatte einen Grund, dem Unternehmen den Todesstoß zu versetzen: Dem Insolvenzspezialisten Chalupsky haftete nämlich das Image an, Unternehmen via Pleite zu entschulden, dann eine Auffanggesellschaft zu gründen und die Gläubiger durch die Finger schauen zu lassen.

Fraglich ist halt trotzdem, ob die Vorgangsweise der Bawag notwendig war: Sie stellte die Atomic-Kredite fällig – und das Ende war besiegelt. Erstaunlich ist allerdings, dass die Gläubiger beim Konkurs 93,5 Prozent ihrer Forderungen erhielten. „Der Konkurs war absolut nicht notwendig“, sagt Schrempf.

Wie groß Rohrmosers Verzweiflung war, lässt sich nur erahnen: Er bekam sofortiges Hausverbot in der Firma – ein schwerer psychischer Schlag. Derart zermürbt, unterschrieb er eine Erklärung, in der er sich verpflichtete, keinerlei Vorwürfe oder Ansprüche gegen die Bawag zu erheben. Dafür durfte er sein Wohnhaus behalten, und seine Familie wurde aus der Haftung genommen.

Rohrmoser kämpfte trotzdem weiter, immer verbissener. Seine Tochter: „Die Leute wollten es schon nicht mehr hören, sie haben ihn für einen Spinner gehalten.“ Er fühlte sich missverstanden und verfolgt: Von seinem langjährigen Anwalt trennte er sich. 1997 wandte er sich an den Anwalt Werner Masser, der sich in der Lucona-Affäre einen Namen gemacht hatte – und der in Wien saß. Denn in Salzburg traute Rohrmoser längst niemandem mehr. Mittlerweile ist mit Florian Masser schon die nächste Anwalts-Generation äußerst umtriebig. Die Akten füllen mittlerweile „einen ganzen Raum“, sagen die Anwälte. Florian Masser ist auch als Zeuge im U-Ausschuss geladen.

Derweil harrt Fritz Schrempf der Dinge. Wenigstens mit dem „Chef“ hat er seinen Frieden geschlossen. Ende 2004 hatte Rohrmoser ihn in einem Café aufgesucht und wüst beschimpft. Sechs Wochen später entschuldigte sich der alte Mann bei ihm. Zehn Tage darauf war Rohrmoser tot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2007)


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