Üppige Honorarnoten: Gutachter müsste man sein

Banker Meinl chairman of Austria's closely-held Meinl Bank talks during an interview in Vienna
Banker Meinl chairman of Austria's closely-held Meinl Bank talks during an interview in ViennaREUTERS
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Wenn's kompliziert wird, geben Staatsanwälte gern Gutachten in Auftrag. Der Rechnungshof kritisiert die ausufernden Kosten. Ein Blick auf die Honorarnoten für die Causen Libro, Immofinanz und Meinl zeigt: Da ist was dran.

Der Mann strampelt sich ab. Als "Die Presse" den Gutachter Martin Geyer am Handy erreicht, eilt er gerade per Fahrrad zu einem Termin. Ein wenig außer Atem ist er – aber alles kein Problem, sagt Geyer, er telefoniere eh mit Freisprecheinrichtung. Was er nicht dazusagt: Die Symbolik der Situation ist einfach zu schön, um das Gespräch abzubrechen. Da strampelt sich einer ab – das ist eine wirklich feine Botschaft in Zeiten wie diesen. Vor wenigen Tagen hat der Rechnungshof nämlich einen neuen Bericht veröffentlicht. Und der meint es mit jenen Sachverständigen, die gern zur Begutachtung hochkomplexer juristischer Causen engagiert werden, eher nicht so gut.

Auf den Punkt gebracht: Die Gutachter, die von Staatsanwälten als Experten herangezogen werden, sind sauteuer. Im vom Rechnungshof unter die Lupe genommenen Zeitraum 2008 bis 2012 stiegen die Ausgaben für Sachverständige von 5,15 auf 19,57 Millionen Euro. Das ist immerhin eine Zunahme um 280 Prozent. Und das bezieht sich ausschließlich auf die geprüften Staatsanwaltschaften in Wien, Linz und Graz.
Klar: Die hochgeschnellte Zahl an (mutmaßlichen) Wirtschaftsdelikten verursacht eine ebenso hohe Zahl an ökonomisch versierten Sachverständigen. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere wird im Rechnungshofbericht detailliert dargestellt: In den Staatsanwaltschaften gibt es offenbar kein gesteigertes Interesse, Kosten einzudämmen. Die meist horrend hohen Honorarnoten der Gutachter werden kritiklos hingenommen. Weil es auch kein Regelwerk gibt. Der Rechnungshof berichtet über „Stundensätze zwischen 94 und 250 Euro (exkl. USt)“. Fixe Tarife gebe es nicht. Und: Die gelegten Honorarnoten seien oft reichlich diffus. „In der Regel legten Sachverständige ihren Gebührennoten keine detaillierten Aufzeichnungen über das Ausmaß der verrichteten Tätigkeit (. . .), sondern nur über die Gesamtsumme der (. . .) aufgewendeten Stunden bei“, kritisiert der Rechnungshof.

Wie im Schlaraffenland

Wir lernen also:  Mit viel Sachverstand kommt man ins Schlaraffenland. Und dort geht es gar herrlich zu. Es winken üppige Honorare, zu denen keine Fragen gestellt werden. Zahlt eh der Verurteilte. Oder der Steuerzahler, sollte es zu einem Freispruch kommen.
Sehen wir uns zur Untermauerung dieser These drei prominente Wirtschaftscausen an.

Zum Beispiel den Fall der 2001 in die Pleite geschlitterten Buchhandelskette Libro unter Firmenchef André Rettberg. Hier waren über die Jahre zwei Gutachter am Werken. Zuerst Fritz Kleiner, der nach kurzer Zeit abgelöst wurde. Er bekam 123.090 Euro. Dann wurde Martin Geyer (der mit dem Fahrrad) engagiert. Er hat Honorarnoten in Höhe von 1.350.566,08 Euro gelegt.

Besonders interessant an Geyers Honorarnoten, die der „Presse“ vorliegen: Sie sind reichlich knapp gehalten. Zum Beispiel jene vom 29. 6. 2012. Da werden lapidar für die „Beiziehung qualifizierter Hilfskräfte“ 51.931,50 Euro verrechnet. Dies, nachdem Rettberg-Anwalt Werner Sporn schon ein Jahr davor eingeschritten ist: Er hat sich an das zuständige Landesgericht Wiener Neustadt und an die Generalprokuratur gewandt, da es nicht möglich sei, „den vom Sachverständigen behaupteten Gebührenanspruch zu prüfen“. Sporn stellte den Antrag, „dem Sachverständigen aufzutragen, ein detailliertes Leistungsverzeichnis vorzulegen“. Vergebliche Liebesmüh'.

1,5 Mio. Euro für Libro-Gutachten

Der angesprochene Gutachter versteht jedenfalls die Aufregung nicht: Er könne, wenn es gefragt sei, jederzeit eine konkrete Aufstellung der von Hilfskräften geleisteten Arbeit vorlegen. Aber es gebe auch Anwälte, „die eine genaue Aufstellung bis hin zu jeder halben Stunde einfordern. Dem kommen wir nicht nach, weil dann würden wir mehr Zeit für die Verwaltung als für die Aufklärung der Sachverhalte aufwenden.“ Im Übrigen habe er 180.000 Euro Honorar, die ihm noch vom Jahr 2008 zustehen, nicht überwiesen bekommen, betont Geyer. „Das muss auch einmal gesagt werden, weil ich muss ja Hilfskräfte auch vorfinanzieren."

Die Summe von rund 1,5 Millionen Euro für die Libro-Gutachter muss übrigens der Steuerzahler berappen. Rettberg wurde zwar verurteilt, ist aber mittellos.
Halb so schlimm, es gibt teurere Causen. Zum Beispiel den Fall Immofinanz/Buwog. Hier versucht Gutachter Gerhard Altenberger Licht ins Dunkel zu bringen. Das ist natürlich eine höchst komplizierte Angelegenheit, „Presse“-Informationen zufolge belaufen sich seine Honorarnoten bereits auf rund fünf Millionen Euro. Was Altenberger abstreitet. Sei's drum: Die Ermittlungen sind noch nicht beendet, und dann wird man's ja sehen.

Detaillierte Abrechnungen

Altenbergers Rechnungen sind jedenfalls – im Gegensatz zu jenen seines Kollegen Geyer – wirklich detailreich, da gibt es nichts zu beanstanden. Alle Hilfskräfte werden namentlich genannt, auch deren geleistete Arbeitszeit wird angeführt. Fragen bleiben aber. Beispielsweise bei der Honorarnote vom 5. 5. 2011. In ihr wurde der Monat März desselben Jahres abgerechnet – und siehe da: Eine Hilfskraft soll in dem Monat 390 Stunden gearbeitet haben. Was bedeuten würde, dass die arme Haut in dem Monat eine 97,5-Stunden-Woche hatte.
Solche Rechnungen empören wiederum Altenberger: "Das war eine sehr arbeitsintensive Zeit, und wir sind halt keine Beamten, sondern Freiberufler", erklärt er. Außerdem dürfe das mit dem Monat nicht so eng gesehen werden: "Da können auch ein paar Arbeitstage vom Vormonat dabei sein."

Er ist mit seinem Unmut nicht allein: Einwendungen gegen Altenbergers einigermaßen seltsame Honorarnoten gab es vor wenigen Wochen sowohl von Anwalt Otto Dietrich (als Vertreter von Ex-Immofinanzchef Karl Petrikovics) als auch von Anwalt Richard Soyer (als Vertreter von Ex-Vorstand Christian Thornton). Man muss kein großer Prophet sein, um den Ausgang der Dinge vorherzusagen.
Fix sind jedenfalls die Honorare für die Gutachter der Causa Julius Meinl. In der Sache wird ja schon fast sechs Jahren ermittelt, und da waren schon einige Sachverständige tätig. Kostenpunkt bis dato: 1.983.825 Euro. Im Detail: Neben Kosten für Computerexperten und Dolmetschern stellte Gutachter Fritz Kleiner 456.816,20 Euro in Rechnung. Sein Kollege Thomas Havranek 600.897,70. Der deutsche Gutachter Andreas Freudenmann kam auf 49.162,04 Euro, Gutachter Martin Geyer auf 360.000 Euro. Aber Letztgenannter arbeitet noch – bei ihm handelt es sich nur um vorläufige Zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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