Telekom Austria: Ein Mann sieht rot

Faymann-Berater Werner Muhm:
Faymann-Berater Werner Muhm: "Die Telekom Austria ist keine zweite AUA."(c) Michaela Bruckberger
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Arbeiterkämmerer Werner Muhm ist die graue Eminenz in der SPÖ. Aber jetzt kommt es zur Machtprobe: Er ist dagegen, dass der mexikanische Großaktionär Slim Einfluss in der Telekom gewinnt. Setzt er sich durch?

Eigentlich wäre die Sache ziemlich einfach: Die Telekom Austria braucht dringend Geld. Der mexikanische Großaktionär Carlos Slim ist mit seiner América Móvil bereit, viel Geld in das österreichische Unternehmen zu pumpen – via Kapitalerhöhung. Dadurch würde sich aber der Anteil der Mexikaner auf mehr als 30 Prozent erhöhen. Der Anteil der staatlichen ÖIAG würde sich hingegen auf eine Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie reduzieren. Was tun, damit die Österreicher in Hinkunft nicht an Einfluss verlieren? Sie schließen mit den Mexikanern einen Syndikatsvertrag ab. Einen Vertrag, in dem sich beide Seiten verpflichten, bei wichtigen strategischen Entscheidungen an einem Strang zu ziehen.

Dennoch ist die Sache ziemlich kompliziert: Der ÖIAG-Aufsichtsrat hat zwar in seiner Sitzung am 28. März ÖIAG-Chef Rudolf Kemler grünes Licht für Verhandlungen mit den Mexikanern gegeben. Trotzdem ist jetzt alles wieder anders.

Am Freitag vergangener Woche trafen sich nämlich jene Belegschaftsvertreter, die im ÖIAG-Aufsichtsrat sitzen. Und dort wurde ein schwerwiegender Beschluss gefasst: Die Arbeitnehmervertreter wollen bei der alles entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 23. April gegen den Syndikatsvertrag stimmen. Oder auch der Sitzung geschlossen fernbleiben – damit der Aufsichtsrat nicht beschlussfähig ist. Das ist ein ordentlicher Gesinnungswandel, der sich da innerhalb von nur einer Woche vollzogen hat.

Wie ist so etwas möglich? Völlig problemlos – wenn Werner Muhm im Hintergrund die Fäden zieht. Der ist ja nicht irgendjemand: Werner Muhm ist Direktor der Arbeiterkammer Wien. Vor allem aber: Er ist so etwas wie die graue Eminenz in der SPÖ. Und enger Vertrauter und Berater von Kanzler Werner Faymann.

All die klassenkämpferischen Töne, die Faymann (so er nicht schweigt) von sich gibt, stammen aus dem Fundus des Werner Muhm. Faymann fordert eine „Reichensteuer“? Mit besten Empfehlungen von Werner Muhm. Faymann setzt die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Managergehältern ab 500.000 Euro durch? Werner Muhm lässt grüßen.

Der Arbeiterkammer-Direktor gefällt sich natürlich in der Rolle des mächtigen Einflüsterers – wiewohl er sie gern kokett kleinredet. Trotzdem: Sein Gewicht, seine Autorität in der SPÖ sind unübersehbar. Was man ja schon ganz gut an den Ereignissen des vergangenen Jahres erkennen konnte. Damals hat sich ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter geweigert, Muhms Vertrag als Generalrat der Nationalbank zu verlängern. Es folgte eine Art nationale Krise, monatelang. Die SPÖ war außer sich, Alarmstufe Rot.

Offiziell wurde über den „massiven Angriff auf die Sozialpartnerschaft“ gewettert. Inoffiziell war es natürlich so, dass die SPÖ die Demütigung und den Machtverlust ihres Drahtziehers schlicht nicht hinnehmen wollte. Ist dann aber eh alles gut ausgegangen: Muhm bekam wieder seinen Nationalbank-Posten – da hatte sich Freund Faymann hinter den Kulissen mächtig ins Zeug gelegt.

Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass solch Erfolgserlebnisse, sagen wir: ein wenig übermütig machen. Und damit wären wir wieder bei dem eingangs erwähnten Syndikatsvertrag.

Muhm macht tatsächlich im Hintergrund Stimmung gegen ebendiesen, und das streitet er auch gar nicht ab. „Dass es bei dem Deal um österreichische Interessen geht, kann ich nur bedingt erkennen“, sagt er zur „Presse“. Und: „Für Carlos Slim ist das der billigste Weg, die industrielle Führerschaft eines gut aufgestellten Unternehmens zu bekommen.“

Gut aufgestellt? „Die Telekom Austria ist keine zweite AUA, wie gern behauptet wird“, sagt Muhm. Natürlich könne das Unternehmen zusätzliches Geld gebrauchen – aber halt nicht von den Mexikanern, die möglicherweise dann auch noch die Zentrale ins eigene Land verlegen würden. „Eine Kapitalerhöhung kann Österreich locker stemmen“, meint Muhm, „die ÖIAG ist ja mittlerweile schuldenfrei.“

Letzteres wurmt ihn ganz besonders: „Es geht um die österreichische Industriepolitik. Wieso gibt es nicht den politischen Willen, Kapital in die Hand zu nehmen?“
Die Belegschaftsvertreter im ÖIAG-Aufsichtsrat hat er jedenfalls schon auf seiner Seite. Aufsichtsrätin Brigitte Ederer hat er ebenfalls schon überzeugt. Dem Vernehmen nach wird sie der entscheidenden Aufsichtsratssitzung fernbleiben.

Spannend wird die Frage, ob Faymann auf seinen Berater hören wird. Muhm sagt, er habe mit Faymann über das Thema nicht geredet, was zwar angesichts seiner Beraterfunktion ein bissi sonderbar ist. Aber Muhm bleibt dabei: „Ich bin ein enger Berater, wenn ich gefragt werde. Unaufgefordert gebe ich keine Ratschläge.“

Armer Werner Faymann: Er muss regelrecht zerrissen sein. Sein Einflüsterer ist strikt gegen den Pakt mit den Mexikanern. Für ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger ist der aber ein Muss. Erst vor wenigen Tagen begrüßte der ÖVP-Chef die Gespräche über eine künftige verstärkte Zusammenarbeit mit dem mexikanischen Telekomkonzern und lobte diesen als „stabilen Partner für einen weiteren Wachstumskurs der Telekom“. Wird Faymann wie gewohnt auf seinen Ezzesgeber hören? Oder wird die Koalitionsräson überwiegen?

Das ist schwer einzuschätzen. In einer Frage geht Faymann jedenfalls bereits zu Muhm auf Distanz: Der Arbeiterkämmerer würde liebend gern ein Aufsichtsratsmandat in der ÖIAG bekommen. Die ÖVP ist strikt dagegen, weil Muhm für sie ein rotes Tuch ist. Angeblich hat die SPÖ zur Wahrung des Koalitionsfriedens das Ansinnen schon zu den Akten gelegt.

Beim Thema Syndikatsvertrag gehen die Genossen aber noch in Deckung. Ein Anruf im Büro von SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der für die Partei das Thema ÖIAG betreut, bringt nichts Erhellendes. Die Frage, ob der Minister für oder gegen den Syndikatsvertrag ist, wird von seinem Sprecher lapidar mit „kein Kommentar“ beantwortet.

Macht nichts. Werner Muhm hat in der Frage eh längst das Ruder übernommen. Seine „befreundeten“ Aufsichtsräte in der ÖIAG sind bereits von ihm instruiert worden: Der Syndikatsvertrag, der gerade verhandelt wird, soll – sobald er fertig ist – an Muhm übermittelt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2014)

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