Top-Manager: Machtlos der Macht verfallen

Christian Konrad
Christian Konrad (c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Pension bedeutet für viele einst mächtige Manager nicht unbedingt Ruhestand. Wieso sich einige mit dem Abnabeln gar so schwertun – und „ihrem“ Unternehmen engstens verbunden bleiben.

Die Sache ist eigentlich gegessen. Am 26. Juni wurde Siegfried Wolf zum Aufsichtsratspräsidenten der Staatsholding ÖIAG gewählt. So weit, so bekannt.
Lustig ist in diesem Zusammenhang, was sich im Vorfeld der Bestellung begab. Einige Wirtschaftstreibende hatten den ehemaligen Raiffeisen-Boss Christian Konrad gedrängt, für den Posten zur Verfügung zu stehen. Er hat auch mit ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger darüber geredet. Doch der beschied ihm, dass da leider nichts zu machen sei: Weil die Regierung keine ÖIAG-Reform zustande gebracht hat, hat sie keinen Einfluss auf solche Postenbesetzungen.
Konrad möchte sich im Gespräch mit der „Presse“ zu der Angelegenheit nicht äußern – aber dem Vernehmen nach war er eh nicht so erpicht auf den Job.
Wie's der Zufall so will, fand aufseiten der SPÖ ein ähnliches Gespräch statt. Ebenfalls mit einem pensionierten Manager – dem ehemaligen Chef der Wiener Städtischen Versicherung. Günter Geyer wurde gefragt, ob er in den ÖIAG-Aufsichtsrat gehen würde. Er hat aber gleich von sich aus abgelehnt: „So wie die ÖIAG derzeit aufgestellt ist, interessiert mich das nicht.“
So zufällig sind beide Gegebenheiten allerdings auch wieder nicht. Beide Herren – Christian Konrad und Günter Geyer – sind 71 Jahre alt. Beide sind bereits in Pension gegangen. Was aber nicht mit Ruhestand gleichzusetzen ist: Beide sind beruflich noch recht umtriebig. Da liegt es auf der Hand, dass sie – quasi als Elder Statesmen – für politisch wichtige Jobs gehandelt werden.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Derart machtbewusste Ex-Manager freuen sich zwar, wenn sie nach wie vor gefragt sind. Andere Jobs, schön und gut. Mit dem Herzen sind sie aber meist noch bei ihrem früheren Arbeitgeber. Heißt: Der Abnabelungsprozess gestaltet sich schwierig. Mit allen damit einhergehenden Vor- und Nachteilen.
Christian Konrad ist im Frühsommer 2012 in Pension gegangen. Jedenfalls hat er zu dem Zeitpunkt damit begonnen, sukzessive wichtige Ämter abzugeben – den Posten des Generalanwaltes, den als Obmann bei der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien und so weiter. „Ich bin zu einem Zeitpunkt in Pension gegangen, den ich bestimmt habe“, sagt Konrad. „Dass ich völlig aufhöre, war aber kein Thema.“
Und so hat er auch gleich mitgeteilt, dass er einige wenige Funktionen beibehalten wolle: den Aufsichtsratsvorsitz bei der Tageszeitung „Kurier“ beispielsweise und jenen bei der Raiffeisen-Tochter Leipnik-Lundenburger.
Und sein geräumiges Chefbüro im Raiffeisen-Haus hat er behalten. Wohl aus Gewohnheit. Eine tiefere Symbolik ist nicht zu leugnen: Konrad hat weniger offizielle Funktionen, aber seine Stimme hat im Reich des grünen Riesen immer noch ordentlich Gewicht. Nachfolger hin oder her.
Bei Günter Geyer ist die Sache ein bisschen anders: „Ich habe mit meiner Pensionierung sofort mein Büro zur Verfügung gestellt, das ist ja selbstverständlich“, sagt er. Dafür hat er vor wenigen Wochen, nach einer zweijährigen sogenannten Cooling-off-Phase, den Aufsichtsratsvorsitz der Vienna Insurance Group übernommen.

Wobei das mit dem Cooling-off relativ ist: Geyer fühlt sich, wie er sagt, dem Konzern „immer noch emotional sehr verbunden“. Und er war zu Beginn seines „Ruhestandes“ immer wieder bei Vorstandssitzungen anwesend. „Wir haben das im Sinne einer harmonischen Übergabe so gemacht“, argumentiert er. Warum er bei Bilanzpressekonferenzen regelmäßig zu Gast war? „Wegen meiner Funktion als Präsident des Versicherungsverbandes“, betont er. Wie auch immer. Tatsache ist, dass sich Journalisten nach dem offiziellen Teil der Pressekonferenzen gern um Geyer scharten, um Hintergrundinformationen zu bekommen. Und nicht um Geyers Nachfolger als Generaldirektor, Peter Hagen.
Unschwer zu erkennen: Leicht haben es die Nachfolger oft nicht mit den Exchefs. Dem Unternehmen eine neue Strategie, ein neues Gesicht zu verpassen – es gibt angesichts des omnipräsenten langjährigen Generaldirektors a. D. einfachere Übungen. Von Familienunternehmen kennen wir das ja zur Genüge: Baumax-Gründer Karlheinz Essl gab das Unternehmen in die Hände seines Sohnes – und wachte über ihn im Aufsichtsrat. Der langjährige Kika/Leiner-Chef, Herbert Koch, tat es ebenso. Und so weiter.
Wenigstens für börsenotierte Unternehmen haben sich die Dinge seit 2012 etwas entspannt. Das damals novellierte österreichische Aktiengesetz sieht nämlich vor, dass Vorstände börsenotierter Unternehmen erst nach einem zweijährigen Cooling-off in den Aufsichtsrat wechseln dürfen. Hintergrund: Jemand, der jahrelang ein Unternehmen führte, eignet sich kaum postwendend als Kontrollor.
Für den börsenotierten Energieversorger EVN kam all das freilich zu spät: Als Rudolf Gruber Anfang 2005 als Generaldirektor abdankte, wechselte er gleich einmal an die Spitze des Aufsichtsrates. Was das für seinen Nachfolger, Burkhard Hofer, bedeutete, kann man sich ausmalen: Gruber war immerhin 37 Jahre lang im Chefsessel des Unternehmens gesessen und damit längstdienender Generaldirektor Österreichs gewesen. Ein Mann, der naturgemäß Gefallen an der Macht gefunden hatte. Dementsprechend entwickelte sich die Frage, ob und wie Gruber zum Verzicht auf sein Chefbüro zu bewegen wäre, zum diplomatischen Drahtseilakt.
Burkhard Hofer hat es ihm dann jedenfalls Jahre später gleichgetan: Anfang 2011 wechselte er ebenfalls direttissimo vom Vorstand in den Aufsichtsrat.

Doch es muss nicht immer der Aufsichtsrat sein, mit dem sich pensionierte Manager einen Verbleib in „ihrer“ Firma sichern können. Beispiel Bank Austria. Dort machte im April 1995 René Alfons Haiden als Bankchef Platz für Gerhard Randa. Haiden fühlte sich aber noch durchaus tatkräftig, bekam also die Funktion des Konsulenten und auch ein eigenes Büro. Von dort betreute er eifrig Großkunden in ganz Österreich.
Randa schmeckte das so überhaupt nicht. 2001 wurde Haiden – im Zuge einer Sparwelle der Bank – das Büro schlicht und einfach weggenommen. Mit unfreundlichen Grüßen von Gerhard Randa.
So weit muss es natürlich nicht kommen. Aber gutes Gespür ist für die Doch-nicht-Pensionisten halt unabdingbar.
Günter Geyer formuliert das so: „Ich kann meine Funktion als Präsident des Aufsichtsrates und das Tagesgeschäft gut auseinanderhalten. Man muss den Nachfolger in Ruhe arbeiten lassen.“

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