Die Friedenspfeife war gestern: Tabakkonzern verklagt Republik

Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Japan Tobacco International, Eigentümer der Austria Tabak, geht rechtlich gegen Österreich vor. Lang hat der Konzern mit sich gerungen - doch letztlich gab es keine Geduld mehr mit der Politik.

Ganz blöde Sache. So blöd, dass das Finanzministerium eisern schweigt. "Bisher hat uns das Gericht keine Klage mitgeteilt", heißt es dort. "Somit ist auch keine inhaltliche Stellungnahme möglich."
Die Klage: Die ist am 8. Juli eingebracht worden und zwar beim Verfassungsgerichtshof. Kläger ist ein großer Player der Tabakindustrie: Japan Tobacco International. Und der hat enge Verbindungen zu Österreich: Seit April 2007 gehört ihm der einstige Monopolist Austria Tabak.

Was aber hat den multinationalen Konzern dermaßen erzürnt, dass er die österreichische Justiz einschaltet? Erraten: Er hat Bekanntschaft mit den Finessen der österreichischen Innen- und Wirtschaftspolitik gemacht. Der Ärger muss jedenfalls groß sein - immerhin scheuen Konzerne dieser Größenordnung Klagen gegen ein "Gastgeberland" wie militante Nichtraucher den vollen Aschenbecher.

Tatsächlich hat sich über die Jahre jede Menge Ärger aufgestaut. Begonnen hat alles Anfang 2008 mit einer Novelle des Tabakmonopolgesetzes. Es war die Geburtsstunde des sogenannten Solidaritätsfonds. Angeblich war das eine Idee des damaligen SPÖ-Finanzstaatssekretärs Christoph Matznetter. Auch egal, es geht ja um den Zweck dieses Fonds. Und der lautete so: Die österreichischen Trafikanten hatten damals zunehmend Probleme aufgrund von Zigarettenschmuggel und Billigimporten bekommen - und brauchten dringend (finanzielle) Hilfe. Also wurde ein Fonds eingerichtet, der von der Tabakindustrie zwangsweise gespeist wurde.

Zehn Prozent der Handelsspanne musste die Industrie also Monat für Monat einzahlen. Und die nahm das auch zähneknirschend hin. Obwohl damals schon ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Heinz Mayer vorlag, das grobe verfassungsrechtliche Bedenken ins Treffen führte. Da wurde vom Eingriff in Eigentümerrechte geschrieben, „im Interesse einiger privater Unternehmen", da wurde vor EU-Widrigkeit gewarnt.

Sei's drum. Die Industrie - die ja irgendwie auf politisches Wohlwollen angewiesen ist - zahlte. Und wurde im Jahr darauf bei ÖVP-Finanzminister Josef Pröll vorstellig. Der zeigte sich immerhin einsichtig: Im Fonds zeichnete sich ohnehin eine Überdotierung ab, offenbar wurde das viele Geld von den Trafikanten gar nicht benötigt. Bis Ende 2009 - so wurde errechnet - würden insgesamt 60 Millionen Euro eingezahlt sein.

Es kam also zu folgender Vereinbarung: Der Fonds wird Ende 2009 schubladisiert. Dafür wird die Handelsspanne der Trafikanten auf 53 Prozent erhöht - übrigens die höchste in ganz Europa. Auch diese Erhöhung schlug bei der Industrie mit fünf Millionen Euro zu Buche. Die Industrie willigte dennoch ein und sah davon ab, Geld aus dem Fonds zurückzuverlangen - sie betrachtete es galant als Beitrag zu Verbesserung der Struktur der Branche. Außerdem hatte sie immerhin das Fondsproblem ein für allemal gelöst.

Nicht ganz. Zwar lief der Fonds tatsächlich Ende 2009 aus. Doch Anfang 2013 wurde er - diesmal als Strukturfonds - wieder zum Leben erweckt. Strukturfonds deshalb, weil es diesmal in erster Linie um Schließungsprämien für Trafiken ging. Eine Bereinigung der etwas überrepräsentierten Branche war damals vonnöten. Den Trafikanten sollte ein Zusperren ermöglicht werden, ohne ins finanzielle Verderben zu geraten. Und wieder sollte die Industrie dafür bezahlen.
Die Monopolverwaltung hat sich damals zum Ziel gesetzt, die Zahl der Trafiken von 2600 auf 2400 zu reduzieren. Und das Ziel wurde Mitte dieses Jahres erreicht.

Den Strukturfonds gibt es freilich immer noch. Und er wird von der Industrie (weiterhin zwangsweise) gespeist. Obwohl sie im vergangenen Februar einen abermaligen Vorstoß unternommen hat. Da hat sich nämlich eine Überdotierung von 6,6 Millionen Euro ergeben.

Im Februar gab es also ein Gespräch mit ÖVP-Finanzstaatssekretär Jochen Danninger. Der hatte auch ein offenes Ohr für das Anliegen der Industrievertreter, die nach wie vor wenig Lust hatten, gutes Geld ins Nirwana zu überweisen. Danninger machte also die Zusage: Mitte des Jahres sollte der Fonds endgültig geschlossen werden.

Es gibt ihn immer noch. Und zwar (wie geplant) bis Ende 2015. Was wiederum auf das Konto von SPÖ-Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl geht. Es gab bereits einen fixfertigen Vortrag für den Ministerrat, doch Steßl hat sich mit einemmal quergelegt. Warum? Weil Geld nicht stinkt (auch wenn es anderweitig nicht verwendet werden kann)? Weil sie darauf gebaut hat, dass die Tabakindustrie - in der Öffentlichkeit kein Sympathieträger - keine großen Wellen schlagen würde?

Mag sein. Nicht zu vernachlässigen ist aber auch Steßls enger Draht zu Franz Schleich, seines Zeichens steirischer SPÖ-Landtagsabgeordneter und Bürgermeister der Gemeinde Bairisch Kölldorf. Und Trafikant.

Steßl und Schleich haben ihre politische Heimat in Feldbach, und Schleich macht auch kein Geheimnis daraus, dass er mit Steßl über den Strukturfonds geredet hat. Beziehungsweise ihr seine Meinung dazu kundgetan hat. Die da wäre: "Wir können uns als Sozialdemokraten nicht von der Verantwortung für benachteiligte Menschen verabschieden." Der Strukturfonds müsse also bleiben, sagt Schleich. Und: "Ich habe Steßl diesen meinen Wunsch mitgeteilt."

Der Rest ist Geschichte. Hagen von Wedel, Chef von Japan Tobacco in Österreich, schrieb vor Einbringen der Klage noch einen geharnischten Brief an die politischen Entscheidungsträger, in dem er sich "zutiefst irritiert" zeigt. Der Konzern habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber: "Wir können nicht die Fortsetzung von Zahlungen in einen Fonds rechtfertigen, der laut vorliegenden Rechtsgutachten ungesetzlich ist, dessen Zweck bereits erfüllt und der noch dazu überdotiert ist."

Dann wurde geklagt.

Spannend wird die Sache jedenfalls. Sollte das Unternehmen recht bekommen, wird um das Geld prozessiert werden. Ursprünglich wäre Japan Tobacco bereit gewesen, die überschüssigen Millionen einfach im Topf zu belassen. Jetzt geht es um die Rückforderung von rund 70 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2014)

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