Allein gegen das rote Wien

WIENER STADTWERKE: Marc Hall
WIENER STADTWERKE: Marc HallAPA/ROLAND SCHLAGER
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Kulturschock. Vor zwei Jahren wurde Marc Hall mit viel Trara als Manager in die Wiener Stadtwerke geholt. Nun wurde er entmachtet. Sein Wirken war mit der Welt der Magistratsbeamten nicht kompatibel.

Sommerferien eignen sich für vielerlei: Urlaub machen und die Seele baumeln zu lassen, beispielsweise. Der Sommer ist aber auch eine gute Zeit, um Unangenehmes zu erledigen. Vor allem, wenn damit keine großen Wellen geschlagen werden sollen. In den Sommerferien ist ja (siehe oben) kaum jemand da, der sich darüber alterieren könnte.

Am Freitag haben sich also die zwölf Aufsichtsräte der Wiener Stadtwerke zu einer Sitzung zusammengefunden. Mitten in den Sommerferien, was natürlich reiner Zufall sein kann. Oder auch nicht. Fakt ist, dass die Aufsichtsräte gestern eine höchst heikle Sache beschlossen haben: Sie haben einen der drei Vorstände kurzerhand entmachtet. Marc Hall wird in Hinkunft nicht mehr für die Wien Energie zuständig sein.
Das ist spannend. Immerhin ist Hall erst vor etwas mehr als zwei Jahren in den Vorstand der Stadtwerke geholt worden. Ein ausgesprochen guter Fang - darüber waren sich seinerzeit alle einig.

Brauner: "Ausgewiesener Experte"

Es war so etwas wie eine Zäsur: Die Stadtwerke - das ist ein gigantisches Reich im roten Wien mit 16.100 Mitarbeitern. Zum Konglomerat zählen der öffentliche Verkehr (Wiener Linien) und die Bestattung - doch die sind ja nicht wirklich dem Wettbewerb ausgesetzt. Anders der Energiebereich, der aufgrund der Liberalisierung des Marktes besonders herausgefordert ist. Es musste also Marc Hall her. Wiens SPÖ-Vizebürgermeisterin Renate Brauner, in deren Zuständigkeit die Wiener Stadtwerke fallen, war ganz selig, dass „ein ausgewiesener Experte" an Land gezogen werden konnte. Und auch die damalige Stadtwerke-Chefin Gabriele Payr freute sich „auf die Zusammenarbeit mit dem renommierten Experten im Energiebereich".

Da haben die beiden auch nicht übertrieben: Marc Hall hat langjährige Erfahrung im Energiebereich aufzuweisen. Lange Zeit ist er Vorstand in der OMV gewesen - zuständig für die Bereiche Exploration und Produktion sowie Erdgas. Danach hat es ihn zum deutschen Energiekonzern RWE gezogen, später war er Alleingeschäftsführer der Bayerngas GmbH. Nicht zu vernachlässigen: Hall ist darüber hinaus der SPÖ-Reichshälfte zuzuordnen, einst war er Sekretär vom ebenfalls roten Verkehrsminister Viktor Klima. Das war nachgerade perfekt. Vor gut zwei Jahren hing für die Stadtwerke also der Himmel voller Geigen.

Jetzt hat es sich ausgeflittert. Man hat sich entfremdet, heißt es in solchen Situationen oft. Und tatsächlich: Marc Hall ist in den Stadtwerken plötzlich nicht mehr wohlgelitten. Warum? Weil er unfähig ist? Weil er persönlich schwierig ist? Beides? Hall selbst kann die Fragen leider nicht beantworten, weil er gerade auf Urlaub weilt (und wieder: siehe oben). Dafür geben Gespräche mit Insidern in den Stadtwerken, die namentlich nicht genannt werden wollen, jede Menge Aufschluss. Fazit: Marc Hall ist schlicht und einfach ein Fremdkörper in der Welt der Wiener Stadtwerke. Einer Welt, in der Magistratsbeamte und Betriebsräte regieren. Einer Welt, in der vergangen geglaubte Zeiten noch hoch aktuell sind. Einer Welt, in der ein „Manager", der auf effiziente Strukturen schaut, ein neoliberaler Outcast ist.

Verlust bei Stadtwerken deutlich reduziert

Marc Hall hat seinen Job einfach zu gründlich gemacht.
Gleich zu Beginn hat der heute 56-Jährige ordentlich umgerührt: Unsinnige Projekte wurden schubladisiert, Kosten gesenkt, neue Ertragspotenziale erschlossen. In die Bilanz 2012 wurden noch allerlei Wertberichtigungen sowie Rückstellungen für Pensionen der größtenteils pragmatisierten Mitarbeiter gepackt - womit sich ein Verlust von 911 Millionen Euro ergab. 2013 wurde dieser Verlust schon auf 340 Millionen reduziert.

Hall wurde schon damals bedeutet: Er solle sein Tempo doch bitte schön drosseln. „Langsam, langsam", hieß es immer wieder. Denn im roten Wien gilt die Devise: Nur glückliche Gaskassiere bringen Wählerstimmen. Gute Geschäftszahlen eher nicht.

Doch Hall wollte mehr. „Er hat ein Konzept zur Restrukturierung der Arbeitsorganisation erarbeitet", erzählt ein Gewerkschafter. Teufel auch: Ein Dienstleistungsbetrieb, der auf eine moderne Organisation baut? So weit kommt's noch.

Wobei: Kündigungen waren da eh nicht das große Thema. Die wären angesichts des hohen Grades an Pragmatisierungen auch gar nicht möglich gewesen. Es wäre vielmehr darum gegangen, andere Arbeitsabläufe zu ermöglichen. Hintergrund: Das Lohnniveau bei der Wien Energie ist gar nicht so hoch, die Personalkosten sind aber gigantisch. Was wiederum auf das einigermaßen ausufernde System der Zulagen zurückzuführen ist.

Keine Bezahlung mehr aufgrund bloßer Anwesenheit? Leistungsnachweise? Da hört sich jeder Reformwille auf. Vor allem bei jenen, die sich als die wahren Eigentümer im Haus verstehen: den Magistratsbeamten und den Betriebsräten. Was man ja schon ganz gut an der Zusammensetzung des Aufsichtsrates erkennen kann: Vorsitzender ist dort der mächtige Wiener Magistratsdirektor Erich Hechtner. Einer seiner Stellvertreter ist Dietmar Griebler, seines Zeichens Leiter der für das Finanzwesen zuständigen MA 5. Dann sitzen auch noch vier Betriebsräte aus dem Reich der Stadtwerke in dem Kontrollgremium. Darüber hinaus hat auch noch Christian Meidlinger, Chef der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, bei den Stadtwerken ein gewichtiges Wort mitzureden.

Marc Hall hat also eine ganze Phalanx an Gegnern, die gegen jedwede Änderung mobilmachen. Und null Rückhalt im Vorstand und in der Wiener Stadtpolitik.
Vor wenigen Monaten wurde Stadtwerke-Generaldirektor Martin Krajcsir in den Aufsichtsrat des Stromkonzerns Verbund berufen. Klar: Die Stadtwerke halten rund 13 Prozent an dem Unternehmen. Trotzdem wunderten sich viele: Krajcsir war einst zuständig für die Wiener Linien, da wäre doch Energie-Vorstand Hall der Richtige für den Posten gewesen? Es war der Beginn dessen Demontage.

Die endgültige erfolgte gestern. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, den Posten eines vierten Vorstandsmitgliedes ausschreiben zu lassen, der für die Wien Energie zuständig sein wird. Mehr wollte ein Sprecher der Wiener Stadtwerke gestern auf Anfrage der „Presse" dazu nicht sagen.
Hall wird natürlich weiterhin im Vorstand bleiben, immerhin hat er einen Fünfjahresvertrag. Nur wird er künftig halt kleinere Brötchen backen. Damit alles beim Alten bleibt.

("Die Presse", Printausgabe vom 26.7.2014)

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