Energie: Der nächste Winter kommt bestimmt

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Mit der Stilllegung des Gaskraftwerks Mellach könnte der Großraum Graz ein Problem mit seiner Fernwärmeversorgung bekommen. Zwischen der Energie Steiermark und dem Stromkonzern Verbund fliegen daher die Fetzen.

Graz ist derzeit eine einzige Baustelle. Etliche Straßen werden aufgerissen, es ist zum Haareraufen. Aber was sein muss, muss sein. Und in Graz müssen eben Fernwärmeleitungen verlegt werden.

An sich also eine gute Sache. Wäre da nicht ein Problem, das sich in den vergangenen Monaten aufgetan hat. Eine Baustelle der anderen Art. Denn während schön emsig an den Leitungen gebaut wird, ist die Befüllung derselben eine Zitterpartie. Und das ist Anlass für einen heftigen Streit zwischen dem Landesversorger Energie Steiermark und dem Stromkonzern Verbund. Ein Streit, in dem bereits Juristen eingeschaltet wurden. Die Energie Steiermark stellt sogar eine Klage in den Raum.

Wobei das natürlich auch bloß eine leere Drohung sein kann. Oder ein kleines Ablenkungsmanöver – weil seitens des Managements offenbar gravierende Fehler passiert sind.

Tatsache ist: Verbundkonzern und Energie Steiermark haben sich nach jahrelanger „Freundschaft“ dramatisch entfremdet.

Begonnen hat das schon Ende 2012. Damals ist der Verbund gedrängt worden, seinen rund 35-prozentigen Anteil an der steirischen Stromtocher Steweag-Steg zu verkaufen. Die Steirer wollten wieder alleiniger Herr im Haus sein. Das war ihnen immerhin 250 Millionen Euro wert.

Was die Steirer damals nicht bedachten: Mit dem Hinauskomplimentieren des Partners sprach mit einem Mal nichts mehr gegen ein gesundes Konkurrenzverhältnis. Der Verbund wilderte also frisch-fröhlich im steirischen Revier. Mit Erfolg: Insidern zufolge hat er in der relativ kurzen Zeit mehr als 20.000 Endkunden in der Steiermark an Land ziehen können. Das ist für den Landesversorger nicht nur ärgerlich, es tut auch weh. Logisch ist es allemal: Die Steiermark gehört bei den Strompreisen zu den teuersten Pflastern Österreichs. Dort gibt es nachgerade paradiesische Margen: Die Großhandelspreise für Strom sind schön niedrig, aber die Preise für die Endverbraucher befinden sich nach wie vor in bemerkenswerten Höhen. SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves legt halt großen Wert auf üppige Dividenden „seines“ Versorgers.

Aus dem einstigen Miteinander von Energie Steiermark und Verbund wurde also ein recht ruppiges Gegeneinander, und das ist klimatisch alles andere als günstig.

Doch mittlerweile hat sich die Sache noch weiter zugespitzt – und zwar ordentlich. Es ist nämlich so, dass die Steirer im vergangenen Jahr einen weiteren Draht zum Verbundkonzern durchtrennen wollten: ihren 20-prozentigen Anteil an der Verbund Thermal Power. Man konnte es ihnen nicht verdenken: In das Unternehmen sind die thermischen Kraftwerke eingegliedert, und die sind ein wirtschaftlicher Mühlstein. Nichts wie weg, lautete also die steirische Devise. Blöderweise lautete die des Partners Verbund aber: gemach, gemach. Die Steirer könnten sich durchaus zurückziehen, beschied Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Aber das habe seinen Preis. Diesfalls waren es 16 Millionen Euro. Richtig gelesen: Die Steirer bezahlten dem Verbund 16 Millionen, um eine zugegebenermaßen schwierige Beteiligung loszuwerden. Der Deal wurde Ende 2013 fixiert.

Es war nicht der beste Deal, den die Steirer da abgeschlossen haben. Auch deshalb, weil Verbund-Chef Anzengruber mittlerweile selbst die Reißleine bei den thermischen Kraftwerken gezogen hat: Weil sie wirtschaftlich unrentabel sind, sollen die eingemottet werden.

Die gute Nachricht für die Steirer: Das steirische Steinkohlekraftwerk in Mellach, das Graz mit Fernwärme versorgt, produziert weiterhin. Die schlechte Nachricht ist den Steirern aber erst vor Kurzem bewusst geworden: Sollte es irgendein Problem mit dem Kraftwerk geben, das die Fernwärmeversorgung auch nur tageweise unmöglich machen sollte, dann wird's in Graz frostig. Denn das Gaskraftwerk Mellach, das für solche Fälle da war, wird eingemottet. Die sogenannte Ausfallreserve ist nicht mehr. Und eine Alternative zu ihr gibt es nicht.

Tja, dumm gelaufen. Die Vorstände der Energie Steiermark, Christian Purrer und Olaf Kieser, schreien jedenfalls Zeter und Mordio. Was angesichts der hochnotpeinlichen Situation nur allzu verständlich ist.
Mit der „Presse“ wollen sie allerdings nicht reden, ihr Sprecher verweist auf eine Presseaussendung. In der wird moniert, dass die temporäre Schließung des Gaskraftwerkes „kein freundlicher Akt gegenüber der Steiermark“ sei. Und die Vorstände verweisen auf die „eindeutige vertragliche Garantie des Verbund“, die Fernwärmeversorgung im Großraum Graz zu sichern. Und zwar bis zum Jahr 2020.

Ganz so ist das nicht, kontert eine Verbund-Sprecherin. Im Vertrag mit den Steirern stehe nur, dass das Steinkohlekraftwerk mit 230 Megawatt Leistung die Fernwärmeversorgung bis zum Jahr 2020 weiter garantiert. Sollte da etwas nicht klappen, kommt es eben zu Pönalezahlungen. Von einem Notfallplan wird nichts erwähnt. Es scheint also, als hätten die Steirer da etwas Gravierendes übersehen. Sie sind offenbar davon ausgegangen, dass der Verbund eine Art Generalverantwortung für die Fernwärmeversorgung übernommen hat.

Jetzt wird jedenfalls verhandelt. Der Ausweg: Das Gaskraftwerk Mellach soll nicht vollständig eingemottet werden, sondern teilweise zur Verfügung stehen – wenn alle Stricke reißen.

Doch das kostet natürlich. Und das sind keine Kosten, die der Verbund auf sich nehmen will. Wie „Die Presse“ aus bestinformierten Kreisen erfuhr, verlangt Anzengruber dafür von den Steirern schlanke 20 Millionen Euro. Pro Jahr, versteht sich.

Prognosen gefällig? Man wird sich schon einigen, es wird niemand frieren müssen. Und die Zeche zahlt der steirische Konsument.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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