Verbund: Kampf um die besten Plätze

OeIAG HAUPTVERSAMMLUNG: ARCHIVBILD SIEGFRIED WOLF
OeIAG HAUPTVERSAMMLUNG: ARCHIVBILD SIEGFRIED WOLF(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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In wenigen Monaten wird der Aufsichtsrat des Stromkonzerns Verbund neu besetzt. Die SPÖ ist hypernervös. Das Trauma der letzten Bestellungen ist noch nicht bewältigt.

In der staatsnahen Wirtschaft, das ist mittlerweile gesichert, herrschen eigene Gesetze: Die Politik hat da ein gutes Wörtchen mitzureden, die Entscheidungsfindung ist meist ein einigermaßen langwieriger Prozess. Und oft wird gestritten – weil hohe Erwartungen in anstehende Personalrochaden gesetzt werden, die unterschiedlichen politischen Begehrlichkeiten aber schwer unter einen Hut zu bringen sind.

Am Beispiel des Stromkonzerns Verbund: Bei dem Unternehmen, das zu 51 Prozent der Republik Österreich gehört, stehen personalpolitische Weichenstellungen an. Zwar erst in einem halben Jahr, aber SPÖ und ÖVP bringen sich vorsichtshalber schon in Stellung. Im Frühjahr 2015 sollen nämlich im Rahmen der Hauptversammlung mehrere Aufsichtsratssitze neu verteilt werden. So viel ist unbestritten.

Siegfried Wolf hat sein Verbund-Mandat schon im Juli zurückgelegt, weil das Bankwesengesetz dies erforderte – Wolf ist nämlich Aufsichtsratschef der Sberbank. Aber das war erst der Anfang, nach Wolf werden sich weitere langjährige Aufsichtsratsmitglieder aus dem Gremium verabschieden. Peter Püspök zum Beispiel. Er sitzt seit dem Jahr 2000 im Verbund-Aufsichtsrat, ist dort stellvertretender Vorsitzender, mit seiner Püspök Group aber zum größten privaten Windparkbetreiber des Burgenlands geworden. Eine klassische Unvereinbarkeit mit seiner Kontrollfunktion im Verbund.

Gehen wird auch der Papierindustrielle Alfred Heinzel, der ebenfalls seit 2000 im Verbund-Aufsichtsrat sitzt. Er soll mit seiner Unternehmensgruppe ziemlich ausgelastet sein und weder Zeit noch Lust haben, weiterhin für den Verbund-Konzern tätig zu sein. Und auch Herbert Kaufmann wird aller Voraussicht nach verabschiedet: Ihm hängt – rechtlich gesehen – seine Ära als Chef des Flughafens Wien nach.

So weit, so klar. Widersprüchliches tritt hingegen dann zutage, wenn es um die Zukunft des Aufsichtsratspräsidenten geht: Gilbert Frizberg. „Er wird gehen müssen“, heißt es immer wieder. Frizberg sei nämlich seit mittlerweile 15 Jahren im Verbund-Aufsichtsrat. Und laut den Corporate-Governance-Regeln, zu denen sich der Verbund bekennt, sei dann Schluss. Tatsächlich: Im jüngsten Corporate-Governance-Bericht des Konzerns wird festgehalten: Ein „Aufsichtsratsmitglied soll nicht länger als 15 Jahre dem Aufsichtsrat angehören.“

Frizberg streitet das freilich ab: „Nach 15 Jahren kann ich bloß nicht mehr als unabhängiges Aufsichtsratsmitglied bezeichnet werden“, betont er. Bleiben könne er selbstverständlich. „Und das würde ich auch gern“, sagt er, „sofern das vom Eigentümer gewünscht ist.“ Er fände seinen Verbleib in dem Gremium jedenfalls sinnvoll, weil damit eine gewisse Kontinuität in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten gewährleistet sei.

Liegen da nur unterschiedliche Rechtsmeinungen vor? Wird sich nach deren Klärung eh alles in Wohlgefallen auflösen? Könnte man durchaus so sehen. Wäre da nicht eine gewisse Vorgeschichte. Und die lässt nur einen Schluss zu: Da bahnt sich wieder einmal ein großkoalitionärer Streit an.

Frizberg reagiert jedenfalls recht erbost auf Gerüchte, wonach er den Verbund verlassen könnte. „Das ist Wunschdenken – und ich weiß auch, von wem“, sagt er. Er hat die „Vorgeschichte“ ja auch hautnah miterlebt.

Die geht so: Nachdem 2000 die schwarz-blaue Wenderegierung inthronisiert wurde, machte ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein kurzen Prozess: Der Verbund-Aufsichtsrat wurde nach der neuen politischen Farbenlehre besetzt. Es war die Stunde eines guten Bartenstein-Freundes: Der Steirer Gilbert Frizberg wurde Aufsichtsrat.

Als dann Anfang 2007 Rot-Schwarz politisch tonangebend war, sollte sich dies auch bei den Staatsunternehmen widerspiegeln. Jedenfalls sah die SPÖ das so. Beim Verbund-Konzern gestaltete sich die Sache allerdings schwierig. Immerhin war Bartenstein immer noch Wirtschaftsminister – und immer noch für den Verbund zuständig.

Es war zum Haareraufen – für die Roten jedenfalls. Kurz nach Angelobung der Regierung forderten sie, dass drei Mandate im Verbund-Aufsichtsrat an Personen ihres Vertrauens gehen sollten. Doch Bartenstein zeigte sich nicht geneigt, diesen Wunsch zu erhören. Dann mussten sogar die Regierungskoordinatoren Josef Pröll und Werner Faymann ausrücken. Brachte auch nichts.

Der SPÖ lief angesichts der herannahenden Hauptversammlung die Zeit davon. Also machte sie zwecks Gesichtswahrung einen Rückzieher: Bloß ein SPÖler sollte in das Gremium. Vor allem aber: Frizberg sollte gehen. Er hatte sich bei den Roten zum Gottseibeiuns entwickelt. Als ehemaliger ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Wirtschaftskammer-Funktionär sei er bei seiner Tätigkeit politisch getrieben, so der Vorwurf.

Das Ende der Geschichte: Die SPÖ bekam keinen Sitz im Verbund-Aufsichtsrat. Und Gilbert Frizberg? Der wurde Aufsichtsratspräsident. Die SPÖ tobte.

Jetzt scheint sich das Spiel zu wiederholen. Zwar sitzen mittlerweile zwei SPÖ-nahe Manager im Aufsichtsrat – nämlich der Generaldirektor der Wiener Stadtwerke, Martin Krajcsir, und Ex-Flughafen-Boss Herbert Kaufmann. Doch Kaufmann geht – und in der SPÖ herrscht maximale Nervosität. Sie will Kaufmann selbstredend durch eine parteinahe Person ersetzen. Gerüchteweise durch Ex-Infineon-Chefin Monika Kircher.

Und weil das Wunschkonzert gerade so schön ist, gibt es noch ein weiteres Anliegen: Die SPÖ will auch ein Mitglied in das Aufsichtsratspräsidium entsenden. Über all dem steht allerdings die Hoffnung, dass Gilbert Frizberg in dem Gremium endlich Geschichte ist. Und sich die nicht wiederholt.

Man wird sehen. Und sich gedulden müssen. Denn der nunmehrige Wirtschaftsminister, Reinhold Mitterlehner, hat momentan anderes zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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