Nervengift für den Finanzminister

Zigarette - cigarette
Zigarette - cigarette(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Erstmals werden Zigaretten in Österreich billiger: Der Preis für Marlboro wurde bereits gesenkt, Memphis folgt demnächst. Begründet wird das mit der Marktentwicklung. In Wahrheit tobt ein Kampf um die Tabaksteuer.

Kaum zu glauben, aber es gibt heutzutage tatsächlich Produkte, die billiger werden. Zigaretten, zum Beispiel. Vor wenigen Tagen wurde der Preis für ein Packerl Marlboro von 4,90 auf 4,70 Euro hinuntergesetzt. Zum ersten Mal überhaupt. Ende des Monats folgen Zigaretten der Marke Memphis. Sie werden um zehn Cent billiger.
Jetzt ist die Aufregung groß. Weniger über das gesundheitspolitisch einigermaßen seltsame Signal, das da gesetzt wird. Nein, der Unmut hat andere Gründe. Wirtschaftliche und politische nämlich.
Der Obmann des Bundesgremiums der Trafikanten, Peter Trinkl, ist zum Beispiel ganz und gar nicht glücklich über die Verbilligung. Eh klar: Den Trafikanten bleibt damit ja weniger Geld. Aber Trinkl sagt dann noch etwas, was einer näheren Betrachtung wert ist. Trinkl äußert sich nämlich über die Motivation von Marlboro-Hersteller Philip Morris. „Mit der Verbilligung übt der Konzern Druck auf Finanzminister Hans Jörg Schelling aus“, sagt Trinkl. Und: „Das Ziel ist eine Änderung der Tabaksteuer.“ Gegenüber dem Branchenportal „Alles Tabak“ sprach Trinkl unlängst sogar von einem „Erpressungsversuch“. Was er im Gespräch mit der „Presse“ so nicht wiederholen möchte.
Wie auch immer. Entscheidend ist ja auch die Frage, ob an der Sache überhaupt etwas dran ist. Soll mit der Verbilligung von Marlboro – mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent führende Zigarettenmarke des Landes – der Finanzminister unter Druck gesetzt werden? Die Branche nickt unisono: Mit der Verbilligung sollen die Einnahmen durch die Tabaksteuer empfindlich reduziert werden. Und damit wolle der Konzern Druck machen, um das System der Tabaksteuer grundlegend zu ändern.
Dieses System ist denkbar kompliziert. In aller Kürze: Zigaretten werden auch hierzulande nach dem in Europa gängigen Modell besteuert. Und zwar, neben der Umsatzsteuer, auf zweifache Weise: Vor allem gibt es eine wertmäßige Besteuerung – der Preis wird mit 41 Prozent besteuert. Und dann gibt es noch eine geringfügige mengenmäßige Besteuerung – da wird ein kleiner Betrag pro verkaufter Zigarette eingehoben.
Man muss kein mathematisches Genie sein, um zu erkennen: Mit dem System werden Zigaretten der gehobenen Preisklasse stärker zur Kasse gebeten. Und das ist so manchem ein Dorn im Auge.
Philip Morris zum Beispiel. Dort wurde vor wenigen Monaten eine eigene Corporate-Affairs-Abteilung etabliert. Menschen, die einen nicht so starken Hang zum Euphemismus haben, würden auch schlicht Lobbyingabteilung dazu sagen. Jedenfalls wird der Bereich von Stefan Pinter geleitet, der das politische Einmaleins zur Perfektion beherrscht. Pinter hat als Lobbyist unter anderem Erfahrungen bei der OMV gesammelt, später war er Büroleiter des EU-Politikers Othmar Karas.
Er macht auch kein Hehl daraus, dass sein Konzern „laufend“ in Gesprächen mit dem Finanzministerium ist, weil er die wertmäßige Besteuerung in Österreich für zu hoch hält. „In der EU liegt der Schnitt bei 28 Prozent“, sagt Pinter. Aber dass die Preise für Marlboro gesenkt worden seien, um Druck auf den Finanzminister auszuüben, sei schlicht „ein Blödsinn“. Man habe sich zu diesem außergewöhnlichen Schritt entschieden, weil Marlboro über die Jahre an Marktanteilen eingebüßt habe. Und zwar drastisch.

Das Ganze sei also eine Reaktion auf die Marktentwicklung, mehr sei da nicht dahinter. Obwohl: „Ein Resultat unserer Preissenkung mag ein gewisser Druck auf den Finanzminister sein“, räumt Pinter ein. Nachsatz: „Aber das ist nicht unser Ziel.“
Das kann man nun glauben oder nicht. Die Branche hegt jedenfalls massive Zweifel. Weil es schon entsprechende Vorbilder in anderen europäischen Ländern gibt. In Slowenien und Griechenland etwa habe Philip Morris die gleiche Vorgangsweise (nämlich Preissenkungen) gewählt – und eine Änderung des Steuersystems bewirkt. Beispiel Griechenland: Hier lag die wertmäßige Besteuerung von Zigaretten im Jahr 2012 noch bei 52,45 Prozent – was Philip Morris so gar nicht schmeckte. Der Konzern senkte Zigarettenpreise, und siehe da: Ein Jahr später kam der Kniefall der Regierung: Sie reduzierte den wertmäßigen Steuersatz auf 20 Prozent. Dafür stieg die mengenmäßige Besteuerung stark an. Billigzigaretten wurden also verhältnismäßig teurer.
Die Konsequenz war für die jeweiligen Staaten nicht die beste. Ralf-Wolfgang Lothert, Sprecher des österreichischen Konkurrenten Japan Tobacco International (vormals: Austria Tabak), schildert sie so: „Die Erfahrung aus den Ländern hat gezeigt, dass nach diesen steuerlichen Änderungen die Einnahmen aus der Tabaksteuer zurückgegangen sind, der Zigarettenschmuggel allerdings massiv zugenommen hat.“ Auch er ist übrigens überzeugt davon, dass Philip Morris eine eindeutige Strategie verfolgt: „Die Preissenkung in Österreich wurde bewusst deshalb gemacht, um den Finanzminister zu einer Änderung des Steuersystems zu bewegen.“ Dennoch wird sein Unternehmen Ende des Monats auf die Marlboro-Verbilligung reagieren: Memphis-Zigaretten werden um zehn Cent verbilligt.
Da kann Lothert noch so sehr darauf hinweisen, dass sich diese Verbilligung „in dezentem Rahmen“ bewegt. In der Branche – und wohl auch im Finanzministerium – sorgt das für großes Unbehagen: Denn auf so einen Dominoeffekt hat Philip Morris wohl gehofft – weil der den Druck auf den Finanzminister natürlich gleich potenziert: Ein Konzern senkt die Zigarettenpreise, ein weiterer folgt und aus ist es mit den budgetierten Einnahmen aus der Tabaksteuer in Höhe von über 1,7 Milliarden Euro.
Doch die Österreich-Tochter von British American Tobacco (Parisienne, Lucky Strike, Pall Mall) macht da nicht mit. „Wir haben für die jüngsten Preisverschiebungen auf dem Markt kein Verständnis,“, sagt deren Chef, Tino Zanirato. „Als Beitrag zur Werterhaltung des Marktes“ habe BAT Anfang September sogar Preiserhöhungen von mindestens zehn Cent vorgenommen. Hans Jörg Schelling hat sich sicher gefreut.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.