Spindelegger: Ex-ÖVP-Chef, 55, sucht...

Spindelegger
Spindelegger(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Sechs Wochen nach dem Rücktritt darf man schon fragen: Welche Jobperspektiven hat Michael Spindelegger eigentlich? Antwort: Er hofft auf einen EU-Posten. Seine rechte Hand, Jochen Danninger, ist da schon weiter.

Die beiden haben seit dem 26. August keinen Job: Michael Spindelegger hat an jenem Tag bekanntermaßen von sich aus w.o. gegeben. Nach seinem plötzlichen Abgang als ÖVP-Chef, Vizekanzler und Finanzminister war dann auch für seinen langjährigen Vertrauten Jochen Danninger in der Partei keine Verwendung mehr. Der Finanzstaatssekretär musste sich schweren Herzens aus der Politik verabschieden.

Und nun? Es tut sich was. Zumindest Danningers berufliche Zukunft scheint gesichert zu sein. Nach seinem Abgang hatte er wiederholt angekündigt, dass er in die „Privatwirtschaft“ gehen wird. Na ja. Da muss man „Privatwirtschaft“ schon sehr großzügig definieren: Danninger soll, so wird glaubhaft erzählt, bei der Hypo Niederösterreich unterkommen. Einer Finanzgruppe, wohlgemerkt, die zu hundert Prozent im Eigentum des Landes Niederösterreich steht (so viel zum Thema „privat“). Da lässt wohl Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll,Spindeleggers Mentor, grüßen. Zumal der Job, der für Danninger gedacht ist, erst geschaffen werden muss: Er soll Generalsekretär der Hypo NÖ werden. Das wollte dort allerdings am Freitagnachmittag niemand bestätigen. Dementieren aber auch nicht.

Und Michael Spindelegger? Da gestaltet sich die Sache schon ein wenig komplexer.

Erstens, weil der Ex-ÖVP-Chef zunächst einmal zeitlich Abstand zu seiner Ära als Politiker gewinnen möchte. Bis März nächsten Jahres wolle er einmal das Leben genießen, erzählt er im Freundeskreis.

Zweitens – auch das hat zum Teil mit seinen wenig glücklichen Erinnerungen an seine politische Zeit zu tun – ist Spindelegger nicht geneigt, beruflich in Österreich zu bleiben. In der Volkspartei wird erzählt, dass Spindelegger nicht einmal beim ÖVP-Parteitag am 8. November dabei sein will. Was für einen ehemaligen Parteichef immerhin ungewöhnlich ist.

Spindelegger und die ÖVP: In der Beziehung ist es aufgrund seines abrupten Abgangs eindeutig zu einem Riss gekommen. Seine Vorgänger hatten es mit späteren Jobs jedenfalls eindeutig leichter: Wolfgang Schüssel wurde nach seinem Abschied als Parteichef Klubobmann. Josef Pröll kam anstandslos im Raiffeisen-Konzern unter. Wilhelm Molterer hat zwar ein Weilchen warten müssen, bis er einen guten Job bekam, aber immerhin hat es geklappt. Zweieinhalb Jahre lang war er einfacher Nationalratsabgeordneter, seit Mitte 2011 ist er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB).



Spindelegger zieht es ebenfalls zu einer europäischen Institution. Vor allem aus familiären Gründen: Seine Frau, Margit Spindelegger, hat seit einigen Monaten einen Topjob im Europäischen Rechnungshof in Luxemburg. Auch die beiden Söhne wohnen bereits dort.

Michael Spindelegger hatte also zunächst die EIB im Visier. Richtig: jenen Job, den Molterer gerade bekleidet. Optimal wäre die Sache jedenfalls: Das Institut, das die Aufgabe hat, mittels Kreditvergabe quasi europäische Wirtschaftspolitik zu betreiben, hat seinen Sitz in Luxemburg. Noch besser: Molterers Mandat läuft nächstes Jahr aus. Glückliche Fügung, dachte sich Spindelegger – und fühlte auch gleich in eigener Sache vor. Fehlanzeige: Die EIB hat bloß acht Vizepräsidenten. Das sind keine guten Nachrichten. Das bedeutet nämlich, dass nicht jedes EU-Land Anspruch auf den Posten hat, Österreich wird also bei der Bestellung des Molterer-Nachfolgers leer ausgehen. Der Job geht diesmal an Finnland.

Ärgerlich, aber halb so schlimm. Spindelegger sondiert weiter. In privatem Kreis erzählt er, dass ihn eventuell ein Job bei der Europäischen Bankenaufsicht reizen würde. In der ÖVP wird freilich eine andere Option als weitaus realistischer bezeichnet: Spindelegger habe gute Chancen, so berichten mehrere hochrangige Vertreter der Partei, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wechseln. Mit Sitz in Straßburg, immerhin.
Die Frage ist halt, wie realistisch seine Chancen dort wirklich sind. Was dafür spricht: Es darf jeder Staat, der die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat, einen Richter entsenden – also auch Österreich. Und: Die Juristin, die derzeit den österreichischen Posten dort bekleidet, Elisabeth Steiner, geht nächstes Jahr.

Bis zum 15. März 2015 muss die österreichische Bundesregierung also drei Kandidaten für Steiners Nachfolge nominieren. Dass einer davon Spindelegger sein könnte – dafür würde schon der mächtige Erwin Pröll sorgen, heißt es in der Partei. Allerdings: Die Wahl unter den drei Kandidaten erfolgt im Juni am Gerichtshof selbst. Würde Spindelegger auch tatsächlich gewählt werden? In der ÖVP gibt man sich zuversichtlich: Spindelegger sei immerhin Doktor der Rechtswissenschaften und habe auch als Assistent am Institut für Strafrecht an der Uni Wien gearbeitet. Und man solle, bitte schön, auch sein gutes Netzwerk in Europa nicht unterschätzen.

Da ist was dran. Spindeleggers berufliche Zukunft liegt tatsächlich im quasipolitischen Bereich – realistischerweise aber nicht in Österreich. Also in der EU.

Die „Privatwirtschaft“, in die es seine rechte Hand Jochen Danninger gezogen hat, wird es im Falle Spindeleggers eher nicht werden. Er hat zwar immer wieder gern auf seine Erfahrungen in der Wirtschaft hingewiesen. Im Endeffekt beliefen diese sich aber bloß auf Traineeprogramme der Industriellenvereinigung: Der junge Spindelegger hatte, wie andere Trainees auch, einige Monate im Vertrieb des Verbund- und des Siemens-Konzerns gejobbt, hatte in der Alcatel-Rechtsabteilung gearbeitet und der GiroCredit in New York einen Besuch abgestattet.

In der rauen Wirtschaftswelt ist das ein bisschen wenig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2014)

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