Karl der Große, völlig unkontrolliert

Karl Petrikovics
Karl Petrikovics (c) APA (Helmut Fohringer)
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Constantia Privatbank, Immofinanz, Immoeast: ein einziger Scherbenhaufen. Karl Petrikovics hat die Firmen groß gemacht und schließlich an die Wand gefahren. Chronologie einer absehbaren Katastrophe.

Gut, dass er nicht von Selbstzweifeln geplagt wird. Da hätte Karl Petrikovics nämlich ein ordentliches Binkerl zu tragen. Die vergangene Woche im Zeitraffer: Die einst so stattliche Constantia Privatbank musste quasi verschenkt werden – andernfalls wäre sie kollabiert. Die von der Bank kontrollierten Immobilienfirmen Immofinanz und Immoeast befinden sich auf der Intensivstation – sie leiden unter akutem Liquiditätsengpass. Und die Familie des legendären Industriellen Herbert Turnauer ist gelinde gesagt außer sich – ist es doch immerhin ihr Vermögen, das da bachabwärts schwimmt.

Der Karren ist also mit ordentlicher Wucht gegen die Wand gefahren. Ein Fall für den Staatsanwalt.

Doch jener Manager, der all das zu verantworten hat, Karl Petrikovics, lässt sich nicht wirklich aus der Ruhe bringen: Wohl wies er am Montag seine PR-Berater an, ein paar Journalisten für ein „Hintergrundgespräch“ zusammenzutrommeln. Doch das diente eher der Selbstdarstellung: Die Anwesenden durften erfahren, wie erfolgreich Petrikovics in den knapp 20 Jahren seines Wirkens gewesen war. Und dass er ohnehin schon lange vorgehabt hatte, das Unternehmen zu verlassen.

Ja, so ist er halt. Das erzählen zumindest langjährige Weggefährten des 54-jährigen Exmanagers. Da fallen dann oft Attribute wie „abgehoben“, „von sich selbst eingenommen“ oder „verbissen“. Geht wohl auch gar nicht anders, wenn der Job eine derart zentrale Rolle im Leben spielt. Und Karl Petrikovics galt tatsächlich als „Arbeitstier“. Er war einer, der oft schon um sechs Uhr im Büro saß – und dieses dann auch erst zu fortgeschrittener Stunde verließ.

Auf die Frage, was für ein Mensch denn Petrikovics sei, müssen die meisten denn auch passen: „Zeit zum Plaudern gab es eigentlich nie“, erzählt einer. „Ich hab ihn nie lachen sehen“, sagt ein anderer. Der Privatmensch Petrikovics hat, so scheint es, nie existiert. Bei den unzähligen Empfängen und Cocktails, die Manager zum Netzwerken gerne besuchen, war Petrikovics nie zugegen. Es sei denn, es ging um die Immobilienbranche.

Irgendwann dachte sich Petrikovics wohl, dass ein Manager seines Schlages wohl auch Golf spielen müsste. Aber auch dieses „Hobby“ hat er mit der ihm eigenen Verbissenheit betrieben. Für gesellige Treffen hat er das Golfspielen jedenfalls nie genutzt: „Er stand um fünf Uhr morgens auf dem Golfplatz“, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter.

So weit, so nebulos. Trotzdem: Der Karriereweg des Karl Petrikovics sagt eine ganze Menge über den Menschen Karl Petrikovics aus. Also zurück zum Anfang.

Wir schreiben das Jahr 1986: Der Industrielle Herbert Turnauer lässt sich vom Manager seines Vertrauens, einem gewissen Josef Taus, die Gründung einer Privatbank einreden. Doch kurze Zeit später zerkracht sich Turnauer mit Taus – Taus geht. Turnauer, der vom Bankgeschäft keine Ahnung hat, sitzt plötzlich mit der Constantia Privatbank da. Sie wird von Christoph Kraus geführt.

Der alte Herr umgarnt Kraus – vor allem finanziell – wohl auch aus Angst, dass Kraus zum „Taus-Lager“ wechseln könnte. Kraus bleibt, wird von Turnauer hoch geschätzt und vor allem: Kraus darf die Bank nach eigenen Vorstellungen führen. Turnauer vertraut ihm.

Kraus kommt bald auf die Idee, dass ein Immo-Standbein für die Bank unabdingbar ist. Und heuert den jungen, ehrgeizigen Karl Petrikovics von der CA Immobilien AG an.

Petrikovics macht seine Sache hervorragend. „Er war sehr tüchtig und auch sehr erfolgreich“, erzählt ein langjähriger Kenner der Branche. „Doch dann hat er irgendwann die Demut verloren.“ Petrikovics strebt nach mehr. Es kommt zum Machtkampf mit Christoph Kraus.

Turnauer entscheidet sich für Petrikovics, „aus dem Bauch heraus“, wie ein Intimus berichtet. Der alte Fuchs, ein Selfmademan, ist vom Unternehmergeist und Tatendrang des aufstrebenden Managers angetan. Und, für den Patriarchen Turnauer ideal: Petrikovics ist bereit, seine persönlichen Interessen für „die Firma“ hintanzustellen. Turnauers Berater, der ehemalige CA-Generaldirektor Guido Schmidt-Chiari, hat gegen Petrikovics auch absolut keine Einwände – Kraus muss also gehen.

Ein Jahr später, 2000, stirbt Herbert Turnauer. Und in der Privatbank bekommt die Sache eine seltsame Eigendynamik: Petrikovics ist längst Chef aller Unternehmen – der Constantia Privatbank, der Immofinanz, der Immoeast. Eine beispiellose Machtansammlung, die dem Manager offenbar zu Kopf steigt: Alles, wirklich alles, geht über seinen Schreibtisch, jeder noch so geringfügige Deal, jeder noch so läppische Kaufvertrag. „Ein Hansdampf in tausend Gassen“, sagt ein Kollege.

In der Branche wird Petrikovics als „Karl der Große“ gefeiert, die wenigsten wissen, dass die Sache bereits extreme Ausmaße angenommen hat: Petrikovics ist Gefangener seines Modells: Stets ist er mit unzähligen Handys unterwegs und verzichtet trotz seines immensen Terminpensums auf einen Chauffeur – der könnte ja bei Telefonaten im Auto mithören.

Karl Petrikovics wird zum Kontroll-Freak. Für ihn selbst gibt es aber kein Korrektiv. Nicht im Vorstand, nicht im Aufsichtsrat.

Zufall oder nicht: In dem Firmenkonglomerat sitzen auch überall ehemalige Creditanstalt-Leute – wie Petrikovics auch. Im Vorstand der Privatbank sitzt Karl Arco, der seinerzeit aus der CA kam. Immofinanz-Aufsichtsrat ist Ex-CA-Chef Schmidt-Chiari. Bis vor kurzem saß auch Erhard Schaschl im Aufsichtsrat von Immoeast und Immofinanz – er war einst im Konzernbereich der CA beschäftigt, ehe er Wienerberger-Chef wurde (eine CA-Konzernbeteiligung). Schaschls Nachfolger bei Wienerberger, Wolfgang Reithofer, ist Aufsichtsratschef von Immofinanz und Immoeast. Eine richtige Clique, argwöhnt ein Beobachter.

Jedenfalls gab es offenbar niemanden, der Petrikovics warnend zur Seite nahm. Und der interpretierte das wohl als Bestätigung seiner erfolgreichen Strategie. Bei der Immo-Krise handle es sich bloß um eine vorübergehende Delle, postulierte er stereotyp, alles im grünen Bereich. Derweil zog sich die Schlinge zu: Derzeit ist man damit beschäftigt zu klären, wo das Geld aus einer Megakapitalerhöhung geblieben ist. Und ob Gerüchte, wonach heimlich Aktien zwecks Kurspflege gekauft wurden, der Wahrheit entsprechen.

Turnauer-Tochter Christine de Castelbajac soll jedenfalls schon im Vorjahr hochgradig nervös geworden sein. Von Wirtschaft versteht die Kunstsinnige nur wenig – dass die unkontrollierte Machtansammlung von Petrikovics gefährlich ist, war ihr aber durchaus bewusst.

Sie wollte den Laden verkaufen. Jetzt ist es zu spät.

Was bisher geschah

Karl Petrikovics, 54, war gefeierter Manager der Immobilien-branche. Bis vor kurzem jedenfalls. Anfang Oktober wurde Petrikovics gefeuert – und seitdem offenbart sich schön langsam eine Katastrophe veritablen Ausmaßes:

Die Constantia Privatbank, die Petrikovics jahrelang führte, musste vor einer Woche an österreichische Großbanken „verschenkt“ werden – sonst wäre sie kollabiert.

Immofinanz und Immoeast, von der Bank kontrollierte Immobilienfirmen, haben akute Liquiditätsprobleme. Jetzt soll geklärt werden, was mit dem Geld aus Kapitalerhöhungen passiert ist, und ob es verbotene Aktienrückkäufe gegeben hat.

Alle drei Unternehmen wurden jahrelang von Petrikovics geführt. Gleichzeitig, versteht sich. Der Manager konnte offenbar jahrelang völlig unkontrolliert nach Belieben schalten und walten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2008)

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