Strategiespiele um den OMV-Chefsessel

Christian Kern
Christian KernDie Presse (Clemens Fabry)
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Personalpolitik. Was ist dran an dem Gerücht, dass ÖBB-Chef Christian Kern OMV-Boss werden könnte? Jede Menge. Doch durch die Frage brechen in der SPÖ Gräben auf.

Vier Wochen ist es her. OMV-Chef Gerhard Roiss wird es wohl wie gestern vorkommen, dass der Konzernaufsichtsrat seine vorzeitige Vertragsauflösung beschlossen hat. Doch für ein börsenotiertes Unternehmen sind vier Wochen eine ziemlich lange Zeit. Eine unerträglich lange. Eine Zeit, in der Gerüchte bestens gedeihen – und so etwas schmeckt Aktionären bekanntlich überhaupt nicht.
Der Posten von Roiss' Nachfolger soll noch heuer ausgeschrieben werden, so viel steht fest. Doch das ändert nichts daran, dass immer wieder über mögliche Kandidaten spekuliert wird. So weit, so normal.

Trotzdem: Ein Gerücht hält sich in diesen Tagen besonders hartnäckig. ÖBB-Chef Christian Kern soll, so heißt es, an die Spitze des Energiekonzerns wechseln. Interessant. Doch ist da auch wirklich etwas dran?
Bei ihm selbst nachzufragen, bringt nicht wirklich Licht ins Dunkel: „Das ist alles Gerede“, sagt Kern bloß. Und: „Ich beschäftige mich nicht mit diesem Thema.“ Alles klar. Andererseits: So ähnlich hat er auch argumentiert, bevor er seinerzeit vom Vorstand des Stromkonzerns Verbund zu den ÖBB wechselte.

Es kann aber natürlich auch sein, dass Kern gar nicht weiß, was da im Hintergrund so läuft.
Tatsache ist, dass die Rochade bereits Thema informeller Koalitionsgespräche war. Und: Die Frage, ob Christian Kern nicht ein probater OMV-Chef wäre, wurde von Bundeskanzler Werner Faymann aufs Tapet gebracht.
Warum das? Ganz einfach: Seit Langem gibt es das Gerücht, dass der bald 49-jährige Kern in die Politik wechseln könnte – und Faymann vom ohnedies höchst filigranen Thron stoßen soll. Kern dementiert solche Pläne zwar stets vehement, doch die Genossen wollen die Hoffnung offenbar nicht aufgeben.

Für viele ist Kern nachgerade perfekt für den SPÖ-Spitzenjob: Immerhin war er einst Sekretär von SPÖ-Politiker Peter Kostelka, und seine jahrelange Tätigkeit als Manager im Verbundkonzern macht ihn unter den Sozialdemokraten offenbar zu so etwas wie einem zweiten Franz Vranitzky. Ein politischer Hoffnungsträger also, zweifellos. Dass er seinen Job als ÖBB-Chef seit nunmehr fünf Jahren durchaus gut meistert, gilt als weiterer Pluspunkt.
Das kann einem Werner Faymann natürlich gar nicht behagen. Schnell soll also ein (auch finanziell) höchst attraktiver Job her. Ein Posten, der Christian Kern auch international Renommee bringen soll. Auf dass ihm die Lust auf die Politik endgültig vergehen möge.
Das Schöne für Faymann: Die ÖVP ist für sein Ansinnen durchaus zu haben. Erstens, weil sie mittlerweile große Stücke auf Kerns Managementfähigkeiten hält. Parteichef Reinhold Mitterlehner hat Kern ja erst kürzlich, bei der Eröffnung des Wiener Hauptbahnhofs, coram publico über den grünen Klee gelobt.
Aber so ganz ohne Hintergedanken läuft das bei der ÖVP natürlich auch nicht: Mit einem Roten an der OMV-Spitze, so das Kalkül, hätte die Volkspartei beim Koalitionspartner „etwas gut“. Das schadet nie – zumal in Zeiten der anstehenden ÖIAG-Reform. Vor allem aber: Der Volkspartei wäre ein politischer Gegenkandidat Christian Kern auch nicht wirklich geheuer.
Wunderbare Fügung: Auch OMV-Großaktionär Ipic, also der Staatsfonds von Abu Dhabi, ist Feuer und Flamme für Kern. An sich sind politische Besetzungen für das Scheichtum ein rotes Tuch. Aber Christian Kern werde in Abu Dhabi nicht mit Politik in Zusammenhang gebracht, erfuhr „Die Presse“ inoffiziell. Er werde dort ausschließlich als kompetenter Manager gesehen.
So weit also jene Argumente, die für Christian Kerns Wechsel sprechen. Doch Faymann möge sich mit seinem Freudentanz noch zurückhalten. Denn Hürden gibt es noch genügend zu bewältigen.

Zunächst einmal muss Kern überhaupt wollen. Außerdem ist es schon auch so, dass die Politik nicht so mir nichts, dir nichts einen neuen OMV-Chef bestellen kann – dafür gibt es ein Gremium, das sich Aufsichtsrat nennt. Für Faymann nicht zu vernachlässigen ist außerdem ein weiterer Konflikt, der sich gerade auftut: in der Person von ÖBB-Aufsichtsratspräsidentin Brigitte Ederer.
Ederer und Faymann – die beiden haben schon seit Jahren ein deutlich unterkühltes Verhältnis. Blöd für den Kanzler, dass Ederer bei der Rochade ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Und das ist recht eindeutig: „Dass Christian Kern die ÖBB verlässt, kommt überhaupt nicht infrage“, sagt sie der „Presse“ ohne Umschweife. Nach dem Tod ihres Vorgängers Horst Pöchhacker sei es denkunmöglich, „dass das Unternehmen destabilisiert wird, indem der Chef geht“. Dabei hat sie einen nicht unwesentlichen Trumpf in der Hand: Erst im Juni wurde Kerns ÖBB-Vertrag um fünf Jahre bis 2019 verlängert. Ederer: „Der Aufsichtsrat müsste beschließen, dass Kern vorzeitig aus seinem Vertrag entlassen wird.“
Wonach es eher nicht aussieht. Zumal auch die Eisenbahnergewerkschafter Kern ins Herz geschlossen haben. Auch sie wollen ihn nicht ziehen lassen.
Ganz übel für Werner Faymann, eine echte Bredouille. Aber wie den potenziellen Konkurrenten nachhaltig verhindern? Gut, dass erst kürzlich ein Rechnungshof-Bericht erschienen ist, der sich höchst kritisch mit dem seinerzeitigen Auslandsgeschäft des Verbundkonzerns auseinandersetzt. Ein Teil dieser Deals fällt in die Ära von Christian Kern.

Der Bericht ist freilich von zweifelhafter Qualität – aber darum geht es in diesem Fall auch gar nicht. Sondern um die Hintergrundmusik: Der Rechnungshof hat sich des Themas schon vor zweieinhalb Jahren angenommen. Schon damals hieß es gerüchteweise, dass der Anstoß dazu von Vertrauten Faymanns gekommen sei – um Kern politisch zu schaden. Jetzt ist der Bericht just kurz vor dem SPÖ-Parteitag fertig geworden. Wird aber sicher nur ein Zufall sein.
Wie auch immer: Faymann glaubt sich in der Sicherheit wiegen zu können, dass er mit Christian Kern keine innerparteiliche Konkurrenz bekommt. Sei es dank des Rechnungshof-Berichts, sei es dank der OMV.
Obwohl: Einer von Werner Faymanns Vorgänger als SPÖ-Bundeskanzler war bekanntlich Viktor Klima. Er ist zuvor Finanzvorstand gewesen. In der OMV.

zur Person

Christian Kern wurde am 4. Jänner 1966 geboren und startete seine Berufslaufbahn 1989 als Wirtschaftsjournalist. Zwei Jahre später wechselte er in die Politik, als Sekretär des SPÖ-Politikers Peter Kostelka.
1997 zog es ihn in die Wirtschaft. Er wurde Vorstandsassistent im Stromkonzern Verbund, später war er auch Vorstandsmitglied.
2010 wechselte er in den Chefsessel der ÖBB, der sich üblicherweise als Schleudersitz entpuppt. Nicht so für Kern: Sein Vertrag wurde erst im Sommer um weitere fünf Jahre verlängert.
In der SPÖ gilt Christian Kern schon lange als Hoffnungsträger. Sowohl in der Partei (viele würden ihn gern statt Werner Faymann an der SPÖ-Spitze sehen) als auch in der Wirtschaft – Kern ist einer der wenigen Manager, die zum sozialdemokratischen „Pool“ zählen. Neuerdings ist er als OMV-Chef im Gespräch.

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