Verbund: Finanz-Vorstand vor Abgang?

PK VERBUND AG 'JAHRESERGEBNIS 2012': ANZENGRUBER
PK VERBUND AG 'JAHRESERGEBNIS 2012': ANZENGRUBERAPA/HANS KLAUS TECHT
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In der Chefetage von Österreichs größtem Stromkonzern herrschen Zwist und Hader. Die Situation hat sich schon so zugespitzt, dass der Finanzvorstand geopfert werden könnte. Nach nur einem Jahr.

Ziemlich genau sechs Jahre ist es her, dass Wolfgang Anzengruber eine wichtige berufliche Entscheidung traf. Er wechselte vom relativ beschaulichen Leben als Chef des Salzburger Kranherstellers Palfinger zum größten Stromerzeuger des Landes. Seit Anfang 2009 ist er also Vorstandsvorsitzender des börsenotierten Verbund-Konzerns. Sollte er mit seinem Schicksal hadern – man würde es durchaus verstehen.

Das Unternehmen, das er leitet, hat schon länger keinen guten Lauf. „Das Umfeld ist miserabel“, so die offizielle Diktion: Die Strompreise sind schon lang im Keller, unter dem Strich bleiben also dahinschmelzende Gewinne. Gleichzeitig sind die Gaspreise hoch, womit sich die Stromerzeugung in Gaskraftwerken wirtschaftlich nicht mehr rentiert. Vor Kurzem hat der Verbund daher angekündigt, thermische Kraftwerke vom Netz zu nehmen, also einzumotten. Der Versuch, das sündteure steirische Gaskraftwerk Mellach zu verkaufen, scheiterte bereits zwei Mal.

Das ist nichts, was einen Manager ruhig schlafen lässt. Aber es kommt noch dicker. Seit einigen Tagen reiht sich eine Hiobsbotschaft an die andere.
Zuerst gab es Wickel mit der Finanzmarktaufsicht (FMA). Die Behörde ortet Versäumnisse des Verbund-Vorstands bei der Ad-hoc-Meldepflicht im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus dem Türkei-Geschäft. Ein anderer Vorwurf lautet Marktmanipulation, weil der Türkei-Ausstieg zuvor dementiert worden war. Wolfgang Anzengruber soll 77.000 Euro an Strafe zahlen. Seine Vorstandskollegen Hannes Sereinig und Günther Rabensteiner kommen auf jeweils 44.000 Euro. Die FMA-Bescheide sind nicht rechtskräftig, die Verbund-Manager haben dagegen berufen.
Der echte Paukenschlag erfolgte aber diese Woche: Der Konzern muss sein im Vorjahr gestartetes Sparprogramm fortsetzen. Damals haben 250 der rund 3300 Mitarbeiter ihren Job verloren. Die Zahl muss jetzt verdoppelt werden.
Unnötig zu erwähnen, dass die Stimmung im Konzern ziemlich im Keller ist. Kann's noch schlimmer kommen? Es kann.

Denn mittlerweile schlägt weiteres Ungemach auf das Gemüt der Belegschaft: Im Vorstand kracht es ganz gewaltig. Genauer gesagt: Zwischen Verbund-Chef Anzengruber und seinem Finanzvorstand, Peter Kollmann, fliegen seit geraumer Zeit die Fetzen. Die Differenzen haben sich nunmehr so zugespitzt, dass Kollmanns Verbleib im Konzern höchst fraglich ist: Er denkt über seinen Abschied nach – und läuft bei seinen Kollegen damit offene Türen ein.
Bloß ein Gerücht? Aufsichtsratspräsident Gilbert Frizberg dementiert jedenfalls heftig: „Wir haben im Verbund alle Verlustquellen beseitigt“, sagt er, „und der Vorstand ist den Weg geschlossen gegangen.“ Er, Frizberg, sei jedenfalls „mit Anzengruber und Kollmann – überhaupt mit dem gesamten Vorstand – sehr zufrieden“. Nachsatz: „Offenbar hat jemand Interesse daran, Unruhe hineinzubringen.“

Zusätzliche Unruhe kann der Konzern tatsächlich nicht brauchen. Da werden Erinnerungen an die jüngsten Ereignisse im Ölkonzern OMV wach, der ebenfalls wirtschaftlich schwierige Zeiten durchmacht. Dort war der Vorstand ja heillos zerstritten. Worauf Vorstandsmitglied Jaap Huijskes seinen vorzeitigen Abgang ankündigte. Im Endeffekt müssen nun jene Vorstände gehen, die sich in den Haaren lagen: OMV-Chef Gerhard Roiss und sein Kollege Hans-Peter Floren.

Trotzdem: Gar so rosig, wie Frizberg behauptet, ist die Stimmung im Verbund-Vorstand beileibe nicht. Was aber sind die Gründe für das Zerwürfnis der beiden Verbund-Manager? Da ist einiges zusammengekommen. Zunächst einmal sind die Voraussetzungen nicht die besten: Wolfgang Anzengruber war jahrelang Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand in einer Person. Das ist, allein vom Zeitmanagement her, schwer unter einen Hut zu bringen. Also entschied der Verbund-Aufsichtsrat im vergangenen Jahr, dass ein neuer Finanzvorstand her müsse.

Die Wahl fiel auf Peter Kollmann, und sie war nicht die schlechteste. Kollmann, gebürtiger Oberösterreicher, saß zu dem Zeitpunkt in der Chefetage der Investmentbank Merrill Lynch in Europa. Davor war er Boss der Londoner Niederlassung von Lehman Brothers International gewesen. Kaum ein österreichischer Mega-Deal, bei dem Kollmann nicht involviert gewesen war: beim Börsegang der Telekom etwa. Oder beim Verkauf der AUA. Nicht zu vernachlässigen: Seine Ehefrau, Dagmar Kollmann, einst Spitzenbankerin, gehört ebenfalls zur Wirtschaftselite. Sie sitzt in Aufsichtsräten großer deutscher Konzerne. Und sie ist Ratgeberin von Kanzlerin Angela Merkel. Alles in allem also ein enormer fachlicher Gewinn für den Verbund. Prestigeträchtig obendrein.

Das Problem dabei: Kollmann wurde bei den Verhandlungen signalisiert, dass er nach Jobübernahme durchaus auch die Perspektive habe, dereinst Verbund-Chef zu werden. Was Anzengruber ebenfalls zu Ohren kam. Kein besonders gutes Fundament für eine Männerfreundschaft.
Peter Kollmann sitzt also seit Anfang 2014 im Verbund-Vorstand, und die Dinge haben auch gleich ihren Lauf genommen. Anzengruber hat im Vorstand ein Dirimierungsrecht – ohne seine Zustimmung geht also gar nichts. Kollmann hingegen soll von Entscheidungen Anzengrubers – vor allem bilanzieller Natur – ganz und gar nicht angetan sein. Schreiduelle zwischen den beiden seien an der Tagesordnung, berichten verzweifelte leitende Mitarbeiter.

Wie geht's weiter? Man wird sehen. Kollmann ist inoffiziell als ÖIAG-Chef im Gespräch. Und einen Nachfolger für ihn als Verbund-Vorstand gibt es der Gerüchteküche zufolge ebenfalls: Anzengruber würde jedenfalls, so heißt es, seinen Konzernstrategen Gerhard Gamperl für den Job favorisieren. Jenen Gerhard Gamperl, der sich bereits im Vorjahr für den Posten des Finanzvorstands beworben hatte.
Anzengruber hat Gamperl jedenfalls Anfang 2009 in den Verbund geholt. Mit ihm kann er also. Das ist ja schon etwas.

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