Billa in Moskau: Ein Fall für den Staatsanwalt

Billa in Russland
Billa in Russland(c) Die Presse (Erich Kocina)
  • Drucken

Der Konkurs einer Wiener Firma offenbart eine abenteuerliche Geschichte: Das Unternehmen gehört einem Russen, Geschäftspartner des Billa-Konzerns. Die Liaison beschäftigt die Gerichte.

Das Leben ist voller Überraschungen – auch für Hans-Georg Kantner. Obwohl der Chef der Insolvenzabteilung im Kreditschutzverband beruflich schon viel erlebt hat. Trotzdem staunte Kantner nicht schlecht, als er dieser Tage Einblick in die Unterlagen der „Marta Unternehmensberatung GmbH“ nahm.

Das Unternehmen befindet sich seit dem 13. März im Konkurs – so weit nichts Ungewöhnliches, zumal es sich um ein scheinbar kleines und unbedeutendes Unternehmen mit einem Stammkapital von 37.000 Euro handelt. Doch siehe da: Das Unternehmen hat es geschafft, Schulden in Höhe von 157 Millionen Euro anzuhäufen. Zudem hat das Unternehmen auch noch Haftungen von über 400 Mio. Euro übernommen. Kantner kopfschüttelnd: „Ein Fall, der so unauffällig daherkommt. Und dann entpuppt er sich als ganz große Sache.“

Sieht ganz danach aus: Das „unscheinbare“ Unternehmen hat die größte Insolvenz Österreichs im ersten Quartal hingelegt.

Eine „ganz große Sache“ ist die Pleite aber auch in anderer Hinsicht. Die in Wien domizilierte Firma gehört mehrheitlich einem Russen, Georgy Trefilov. Und der ist in der österreichischen Wirtschaft kein Unbekannter. Trefilov galt jahrelang als großer Zampano im russischen Einzelhandel. Das US-Magazin „Forbes“ führte seine Firma regelmäßig in einer Liste der „Top 100“ Russlands, die ansonsten von Banken, Öl- und Gaskonzernen dominiert wird.

Heute stellt sich heraus: Trefilov dürfte das Schicksal mehrerer russischer Oligarchen teilen. Sein Imperium war offenbar auf finanziell tönernen (weil größtenteils fremdfinanzierten) Füßen gebaut.

Die österreichische Immobilienfirma Immoeast wollte einst mit Trefilovs Firma RTM ein Joint Venture eingehen – geplant war die gemeinsame Errichtung von Einkaufszentren in Russland. Die Sache kam allerdings nie zustande: Trefilov hatte zuvor seine Anteile an RTM – offenbar nicht ganz freiwillig – verkaufen müssen.


Dafür ist ein Joint Venture mit dem Lebensmittelkonzern Rewe (Billa, Merkur, Penny) sehr wohl zustande gekommen. Das war im Jahre 2004. Eine abenteuerliche Geschichte, wie sich heute herausstellt. Das einstige Miteinander beschäftigt mittlerweile die Gerichte – und hat wohl Trefilovs finanzielles Schicksal besiegelt.

Wobei die Partnerschaft mit Rewe anfangs noch durchaus erfolgversprechend gelaufen ist. 2004 wurden die Verträge, immerhin unter dem Beisein von Russlands Präsident Wladimir Putin und Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder, unterzeichnet. An „Rewe Russia“ hält Rewe seitdem 75 Prozent, die restlichen 25 Prozent entfallen auf Trefilovs Marta Holding – das ist die Tochtergesellschaft der nun pleitegegangenen Marta Unternehmensberatung.

Doch von Pleite war im Jahre 2004 natürlich noch keine Rede. Flugs wurde der erste Billa-Supermarkt in Moskau eröffnet, alles wunderbar. Doch bald gab es Sand im Getriebe: In Zeitungsinterviews beschwerte sich Trefilov, dass ihm die Entscheidungsfindung bei Rewe zu langsam gehe. Also krempelte er die Ärmel hoch und ließ im halben Land Supermärkte in Eigenregie errichten. Heute zählt er knapp 200 solcher Grossmart-Märkte.

Woher das Geld für die Großexpansion kam, liegt auf der Hand: Das ehrgeizige Projekt wurde vor allem fremdfinanziert. Was nicht schwierig gewesen sein dürfte: Trefilov war sich sicher, dass Rewe ihm die Märkte in Bausch und Bogen abkaufen würde. Mit so einem finanziell potenten Partner war es wohl ein Leichtes, die Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Das Problem war nur: Rewe zeigte keinerlei Interesse an den „Grossmart“-Geschäften. Der Konzern, der in Russland mittlerweile selbst 59 Billa-Supermärkte zählt, ist ausschließlich an Standorten im Großraum Moskau interessiert. Trefilovs Märkte seien aber im Lande zum Teil weit verstreut.

Im Frühjahr 2008 winkte Rewe also ab. Womit der Fall also eigentlich hätte erledigt sein sollen.

War er aber nicht.

In der Wiener Neudorfer Zentrale von Rewe Austria – die für die Ostexpansion des deutschen Konzerns zuständig ist – sagte sich alsbald hoher Besuch an: Trefilov erschien mit seinem Wiener Anwalt Gabriel Lansky. Und dabei legten beide ein Schriftstück vor, in dem sich Rewe verpflichtet haben soll, die „Grossmart“-Märkte zu übernehmen. Der Schock war groß – allerdings weniger im Sinne Trefilovs. Die Unterschriften der Rewe-Manager seien gefälscht, empörten sich die Österreicher.

Bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wurde daraufhin Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erstattet.

Dort wurden die Ermittlungen vor Kurzem abgeschlossen. „Es wurde ein Strafantrag gestellt“, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Wobei für Georgy Trefilov selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt.


Trefilov gab der „Presse“ gestern ein Interview, in dem er betonte, dass er die fraglichen Unterlagen von Mitarbeitern ausgehändigt bekommen hatte. „Ich habe darauf vertraut, dass die Unterschriften echt sind“, sagt er. Es habe auch keinen Grund für Zweifel gegeben: Zwischen Rewe und ihm habe es ursprünglich eine mündliche Vereinbarung gegeben, wonach Rewe die Grossmart-Kette übernehmen werde. „Wir haben den Märkten deshalb auch das Billa-Design verpasst“, sagt Trefilov. Und: „Hätte ich gewusst, dass Rewe die Märkte nicht haben will, hätte ich sie schon Jahre zuvor an einen russischen Interessenten verkaufen können.“

Bei Rewe gibt man sich in der Angelegenheit zugeknöpft. Konzernsprecher Martin Brüning will weniger über die Vergangenheit als über die Zukunft reden. Immerhin ist Trefilov nach wie vor Gesellschafter von „Rewe Russia“. sein 25-Prozent-Anteil wird wohl bald zur Disposition stehen. Brüning: „Rewe hat ein vertraglich vereinbartes Aufgriffsrecht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.