Telekom Austria: Kater statt Fiesta Mexicana

The logo of America Movil is seen on the wall of the reception area in the company's corporate offices in Mexico City in this file photo
The logo of America Movil is seen on the wall of the reception area in the company's corporate offices in Mexico City in this file photo(c) REUTERS
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Das Geld der mexikanischen América Móvil war der Telekom Austria durchaus recht. Doch jetzt herrscht großes Erstaunen: Der neue Mehrheitsaktionär will tatsächlich auch mitreden. Eine typisch österreichische Posse.

Nicht einmal ein Jahr ist es her, da hing der Himmel noch voller Geigen. In der Telekom Austria zumindest: Am 23. April 2014 haben die beiden Großaktionäre des Konzerns – ÖIAG und die mexikanische América Móvil – einen Syndikatsvertrag abgeschlossen, und alle freuten sich. Telekom-Chef Hannes Ametsreiter beispielsweise: Die vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit mit den Mexikanern markiere den „Aufbruch in ein neues Kapitel unserer Unternehmensgeschichte“, sagte er, dieses Kapitel werde er „mit Freude“ gestalten. ÖIAG-Chef Rudolf Kemler, der 28,4 Prozent der Telekom-Anteile verwaltet, brachte es auf den Punkt: "Heute ist ein guter Tag."

Klar: Die Mitgift der Mexikaner war ja auch durchaus üppig. Gemeinsam mit den anderen Aktionären hat América Móvil die Telekom Austria mit rund einer Milliarde Euro aufgepäppelt. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Herzen von Kemler und Ametsreiter höher schlugen. Dass die Mexikaner via Kapitalerhöhung letztlich auf rund 60 Prozent der Telekom-Anteile kommen sollten, war auch nicht dazu angetan, die Stimmung zu verderben. Warum auch? Als Österreicher weiß man: Es wird selten so heiß gegessen wie gekocht. América Móvil als neuer Mehrheitsaktionär? Geh bitte! Man wird sich schon irgendwie arrangieren – Syndikatsvertrag hin oder her.
Motto: „Schau ma mal.“

Heute, knapp ein Jahr später, müssen die Österreicher erkennen: Das spielt's so nicht. Große Überraschung: Die Mexikaner halten sich selbstverständlich eisern an den Syndikatsvertrag. Es hat sich ausgeflittert.
Die Stimmung zwischen den Mexikanern auf der einen Seite und den Österreichern auf der anderen ist ordentlich frostig. Was als partnerschaftliches Miteinander konzipiert war, ist zu einem beinharten Stellungskrieg mutiert. Die Telekom Austria ist im Syndikatsalltag angekommen.
Seitdem der Vertrag in Kraft getreten ist, haben die Mexikaner im wirtschaftlich schlingernden Konzern nach und nach das Ruder übernommen: Im vergangenen Sommer wurden Posten im Aufsichtsrat neu besetzt – acht der zehn Kapitalvertreter wurden von mexikanischer Seite nominiert. Womit ein wesentlicher Punkt der Vereinbarung mit dem neuen Mehrheitsaktionär erfüllt wurde. Ein weiterer Punkt wurde ebenfalls abgehakt: Hannes Ametsreiter hat sein Dirimierungsrecht verloren. Heißt: Er darf bei Stimmengleichheit im Vorstand nicht mehr alleine entscheiden. Eine klassische Entmachtung.

Punkt drei des Syndikatsvertrags wird am 5. März erfüllt: Da tritt der Aufsichtsrat der Telekom zusammen und wird Alejandro Plater als drittes Vorstandsmitglied installieren. Er fährt mit einem Ticket der Mexikaner in den Vorstand. Dazu muss freilich ein Platz freigemacht werden: Günther Ottendorfer muss den Vorstand verlassen. Er war im September 2013 in die Telekom-Chefetage avanciert, ein Kandidat der ÖIAG also. Mit der Rochade wird neuerlich dem Syndikatsvertrag entsprochen: Demnach darf die ÖIAG den Vorstandschef vorschlagen. Die anderen beiden Vorstandssessel dürfen nach Wunsch der Mexikaner besetzt werden.
So weit die Fakten. Es wäre freilich nicht Österreich, würde nicht versucht werden, neue Fakten zu schaffen. Frei nach der Devise: Geld ja. Aber bitte schön keine Veränderung der Machtverhältnisse. Was wohl auch daran liegt, dass die Mexikaner für einen regelrechten Kulturschock in der Telekom gesorgt haben: „Die Mexikaner sind knallharte Rationalisierer“, erzählt ein Telekom-Mitarbeiter, „sie drücken die Kosten, wo es nur geht.“ Willkommen in der rauen Welt der Privatwirtschaft, kann man dazu nur sagen.
Vor Kurzem flog ÖIAG-Chef Rudolf Kemler jedenfalls nach Mexiko, um dem Mehrheitsaktionär einen einigermaßen unkonventionellen Vorschlag zu unterbreiten: Man möge doch den Telekom-Vorstand auf vier Personen erweitern – zwei davon könnten, wie vereinbart, von den Mexikanern installiert werden. Die anderen beiden von der ÖIAG. Auf dass wieder Parität in der Chefetage herrsche. América Móvil lehnte ab.

Man kann es den Mexikanern nicht verdenken: Wie in der Telekom erzählt wird, sind sie über Hannes Ametsreiters Performance schon länger unzufrieden und zweifeln auch immer mehr an den von ihm präsentierten Konzernzahlen. Groß muss wohl ihr Ärger darüber sein, dass sie den Österreichern die Wahl des Vorstandsvorsitzenden überlassen haben.

Zumal Ametsreiter sich gegenüber den Mexikanern auch nicht sonderlich kooperativ zeigt: Erst Anfang Februar hat er einen neuen Personalchef ernannt. Das ist sein Vertrauter Michael Jungwirth. Unter den Mexikanern sorgte dies für Irritationen – zumal der Syndikatsvertrag vorsieht, dass wesentliche Posten im Konzern nur in Absprache mit dem Mehrheitseigentümer América Móvil besetzt werden dürfen.

Die Mexikaner haben solche Spielchen jedenfalls gründlich satt. Insgesamt habe Carlos Slim, der América Móvil kontrolliert, in den vergangenen zwei Jahren rund 2,5 Milliarden Euro in die Telekom Austria gebuttert. Da sei wohl ein bisschen Kooperation – oder zumindest die Einhaltung von Verträgen – nicht zu viel verlangt.

Und wie geht's weiter? Da braut sich noch einiges zusammen. Besonders spannend wird es im kommenden Herbst: Da muss Telekom-Chef Ametsreiter offiziell informiert werden, sollte man an einer Verlängerung seines Vertrages kein Interesse haben.

Das wird höchst interessant: Denn die Österreicher wähnen sich auf der sicheren Seite, weil sie laut Syndikatsvertrag das Recht haben, den Vorstandsvorsitzenden vorzuschlagen. Doch in dem konkreten Fall heißt das genau gar nichts: Es geht nicht um einen Vorschlag, sondern um eine allfällige Vertragsverlängerung.
Folgendes Szenario ist also durchaus möglich: Der Telekom-Aufsichtsrat, in dem die Vertreter der Mexikaner die Mehrheit haben, beschließt, dass Ametsreiters Vertrag nicht verlängert wird. Er müsste also gehen, die Österreicher wären dagegen machtlos.
Derzeit bleibt ihnen nur mehr die vage Hoffnung, dass América Móvil diesen Eklat „aus staatspolitischer Räson“ nicht riskiert. Und aus den Flitterwochen nicht ein Rosenkrieg wird.

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