OMV-Chef Roiss: Gekommen, um zu bleiben?

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Was ist dran an dem Gerücht, dass OMV-Chef Gerhard Roiss doch noch an der Konzernspitze bleiben könnte? Jede Menge: Wirtschaftstreibende machen sich für seinen Verbleib stark. Mit durchaus realistischen Chancen.

Unerwartete Wendungen gehören zum Berufsalltag eines jeden Managers: Märkte verändern sich in rasantem Tempo, Entscheidungen müssen regelmäßig adaptiert werden. Da braucht es Nerven wie Stahlseile – und vor allem: viel Flexibilität.

OMV-Chef Gerhard Roiss erlebt gerade so eine Hochschaubahn. Allerdings weniger, weil der börsenotierte Ölkonzern wirtschaftlich höchst schwierige Zeiten durchmacht. Nein, die erstaunliche Wendung, die er gerade erlebt, betrifft seine persönliche Lebensplanung. Es geht um seinen Job.

Dabei ist im vergangenen Oktober schon alles gesagt worden: Der OMV-Aufsichtsrat beschloss, den Roiss-Vertrag, der eigentlich bis Frühjahr 2017 läuft, vorzeitig aufzulösen. Sein Führungsstil war nicht sonderlich goutiert worden, es kam also zur „einvernehmlichen“ Trennung per Ende Juni 2015.

Ein Beben ging damals durch das Land: Roiss' Vertrag war erst ein Jahr davor verlängert worden. Und mit einem Mal soll sein Führungsstil unerträglich geworden sein? Eine reichlich späte Erkenntnis, die den Konzern Millionen Euro an Entgeltfortzahlung kosten wird. Wohlgemerkt: einen Konzern, der zu 31,5 Prozent im Staatsbesitz ist.

Nicht der einzige Kollateralschaden: Kurze Zeit später wurde auch der für die Entscheidung Verantwortliche geschasst. ÖIAG-Chef Rudolf Kemler, der den OMV-Aufsichtsrat präsidiert, muss ebenfalls noch heuer gehen – sobald die neue ÖIAG (jetzt: ÖBIB) arbeitsfähig ist.

Ende der Geschichte? Keineswegs. Denn im Hintergrund gibt es höchst interessante Aktivitäten. Wenn sie Erfolg haben, könnte das noch mal so etwas wie ein Beben auslösen. Denn dann würde Gerhard Roiss an der OMV-Spitze bleiben. Es wäre also der Rücktritt vom Rücktritt. In der heimischen Politik gern zelebriert – in einem international agierenden, börsenotierten Konzern allerdings seinesgleichen suchend.

Diese bemerkenswerte Wende hat sich bereits kurz nach dem Roiss-Paukenschlag im vergangenen Oktober abgezeichnet. Damals trat die Expertengruppe zur Reform der Staatsholding ÖIAG zusammen. Mit dabei: Brigitte Ederer, bis vor Kurzem noch Aufsichtsratsmitglied der ÖIAG. Sie erzählt, dass in der Gruppe rasch ein gravierendes Problem angesprochen wurde. Nämlich jenes, dass Kemler im Status abeundi noch den Roiss-Nachfolger küren soll. Und Ederer hielt mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg: „Wenn man weiß, dass man geht, soll man nicht mehr langfristige Entscheidungen treffen.“

Das hat was. Denn Kemler hat bei der Kür des Roiss-Nachfolgers tatsächlich jede Menge mitzureden: Nach der Roiss-Verabschiedung wurde alsbald der entsprechende Prozess in die Wege geleitet. Und der geht so: Kemler hat einen Headhunter mit der Suche nach geeigneten Kandidaten beauftragt. Der erstellte eine Liste potenzieller Kandidaten. Am Ende entscheidet aber der Nominierungsausschuss des OMV-Aufsichtsrates, welche Kandidaten dem Gremium schlussendlich zur Auswahl präsentiert werden. In diesem Nominierungsausschuss führt Kemler als Aufsichtsratspräsident selbstverständlich den Vorsitz. Er hat in der Frage also jede Menge Entscheidungsgewalt.

Ob das sinnvoll ist, ist halt die Frage. Ederer steht jedenfalls mit ihrer Meinung mittlerweile nicht allein da. Es hat sich eine regelrechte Phalanx an Wirtschaftstreibenden gebildet, die die Suche nach der Roiss-Nachfolge verschieben lassen wollen. Norbert Zimmermann gehört dazu, er war bis Sommer vergangenen Jahres OMV-Aufsichtsrat. Vor allem aber: Aktive OMV-Aufsichtsratsmitglieder sind ebenfalls mit von der Partie. Helmut Draxler etwa. Oder Allianz-Chef Wolfram Littich.

Sie sorgen sich vor allem um die Zukunft des österreichischen Flaggschiffs OMV. Eine Zukunft, die der neue Konzernchef natürlich in der Hand haben wird. Und sie fragen sich: Vertritt Rudolf Kemler als Manager mit Ablaufdatum überhaupt noch österreichische Anliegen? Welchen Einfluss hat ÖIAG-Aufsichtsratspräsident Siegfried Wolf auf ihn? Immerhin ist der ja ausgesprochen russlandfreundlich. Oder wird in diesem Vakuum OMV-Großaktionär Abu Dhabi seine Interessen durchsetzen?

Die OMV dürfe so einer Zerreißprobe nicht unterzogen werden – das ist das eine Argument. Das andere betrifft die derzeit schwierige Situation, in der sich der Konzern befindet. „Die OMV kann es sich in so einer Phase nicht leisten, einen neuen Chef zu bekommen, der sich erst mühsam einarbeiten muss“, sagt einer, der namentlich nicht genannt werden möchte, „Kontinuität wäre äußerst wichtig.“ Außerdem: Bis zum Vertragsablauf müsse Roiss' Gehalt ohnehin bezahlt werden – „dann soll er dafür auch ruhig arbeiten“. Und zwar zumindest ein Jahr lang, also bis Mitte 2016.

Die Variante hätte jedenfalls, so wird berichtet, den Vorteil, dass man eine Atempause bekäme, um in Ruhe nach einem geeigneten neuen Chef für das wirtschaftspolitisch immens wichtige Unternehmen suchen zu können. Eine Suche, bei der nicht nur die arabischen, sondern auch die österreichischen Interessen Gewicht bekämen – was bei einem scheidenden ÖIAG-Chef nicht mit Sicherheit gesagt werden könne.

Klingt gut und einleuchtend. Gerhard Roiss soll auch schon zugesagt haben, gegebenenfalls weiterzumachen. Die Sache hat dennoch einen Haken: Wie setzt man das Ganze durch?

Gespräche mit dem zuständigen Finanzminister, Hans Jörg Schelling, hat es schon gegeben. Brigitte Ederer ist auch optimistisch, dass Schelling „ein Auge drauf hat“. Aber: Er kann Kemler allenfalls gut zureden und auf dessen Goodwill hoffen. Weisungen darf er dem ÖIAG-Chef keine erteilen.

Es wird also ganz schön spannend. Wird Kemler als OMV-Präsident noch das Thema Roiss-Nachfolger angehen? Kemlers Pressesprecher ist denkbar zugeknöpft: „Das ist keine Entscheidung der ÖIAG, sondern des OMV-Aufsichtsrats“, sagt er. Stimmt. Und dieser Aufsichtsrat tagt am 18. März. Insider schätzen die Chancen, dass das Thema Roiss-Nachfolge nicht behandelt wird, auf immerhin über 50 Prozent. Und mit 19. Mai gibt es einen neuen Aufsichtsrat. Der könnte dann die Wende einleiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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