Der Schattenfinanzminister

(c) Fabry
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2014 wäre Gottfried Haber fast Finanzminister geworden. Heute gibt der Uni-Professor zahllose Interviews zu Steuerreform & Hypo. Erwin Pröll hält ihn nach wie vor für politiktauglich.

Der ORF hat so seine Lieblinge. Moderationen aller Art? Da lächelt uns gewöhnlich Mirjam Weichselbraun entgegen. Innenpolitische Bewertungen? Macht meist Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Juristische Expertisen? Fast immer vom Verfassungsjuristen Heinz Mayer. Und ökonomische Belange, wie Steuerreform, Heta-Abwicklung, Budgetfragen? Dazu gibt es neuerdings Gottfried Haber. Am Donnerstag vergangener Woche übrigens gleich dreimal: in der „ZIB 20“, in der „ZIB 2“ und dann auch noch im Wirtschaftsmagazin „Eco“.

Ja, der Mann erlebt karrieretechnisch gerade einen ziemlichen Lauf. Erst 42 Jahre jung, seit acht Jahren Universitätsprofessor (zuerst an der Universität Klagenfurt, seit zweieinhalb Jahren an der Donau-Universität Krems) – und schon so etwas wie ein Fernsehstar. Klar, dass ihn das freut. Allerdings weniger, wie er betont, weil er sich gern persönlich in den Vordergrund stellt. Vielmehr, „weil es mir Spaß macht, komplexe Dinge auf einfache Art zu erklären“.

Schön für ihn, schön für den ORF. Gottfried Haber – das ist also ein Name, den man sich merken sollte. Allerdings nicht nur, weil er dem Fernsehpublikum wohl noch öfter die komplizierte Welt der Finanzen erklären wird. Gut möglich, dass der junge, ehrgeizige Universitätsprofessor in Hinkunft auch in der Politik eine Rolle spielen wird.

Das hat er ja fast schon. Im vergangenen Herbst wäre er beinahe österreichischer Finanzminister geworden. Bekanntermaßen wurde es dann doch Hans Jörg Schelling. Aber immerhin: Letztlich waren nur Schelling und Haber im Rennen.

Das gibt Gottfried Haber auch unumwunden zu. Er habe zwar damals erst aus den Medien erfahren, dass er Kandidat für den Finanzministerposten sei, erzählt er. „Und ich war darüber ziemlich überrascht.“ Dann sei er aber „zu einem Gespräch mit der Regierungsspitze eingeladen worden“, bei dem es ein erstes Abtasten gab. „Ein konkretes Angebot für den Job habe ich dann aber nicht bekommen“, sagt Haber.

Damals hieß es, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll habe den jungen Professor als Finanzminister forciert. Was in seiner Umgebung freilich heftig dementiert wird. Eingeräumt wird in der niederösterreichischen ÖVP allerdings schon, dass dort die Begeisterung für Gottfried Haber groß ist.Interessantes Detail: In Niederösterreich gibt es viele, die gegenüber der „Presse“ von Gottfried Haber schwärmen. Namentlich genannt werden will aber niemand. „Um ihm nicht zu schaden“, wie es allerorts heißt. Für den Mann scheint es große politische Pläne zu geben.

Erwin Pröll hat Gottfried Haber erst Mitte 2014 kennengelernt und ist von dessen „profunder Expertise und Bescheidenheit“ sehr angetan, heißt es. Er schätze Habers ruhige Art und Objektivität. Und, so wird in Prölls Umfeld versichert: Der Landeshauptmann höre auf den Rat Habers. Erst unlängst war der Universitätsprofessor bei einer Klausur der niederösterreichischen Landesregierung als Vortragender eingeladen.

Dass der telegene Gottfried Haber in den Medien neuerdings fast inflationär gehandelt wird, nimmt Pröll mit großem Wohlwollen zur Kenntnis. Und wohl auch mit einer gewissen Genugtuung. Denn Haber versteht es tatsächlich, komplizierte Sachverhalte breitenwirksam zu erklären. Und Pröll postulierte es ja schon im Herbst 2014: Der Mann ist politiktauglich. Einen guten Draht zur Politik hat Gottfried Haber jedenfalls. Und diesem guten Draht verdankt er auch durchaus mächtige Positionen: Seit 2013 ist er Vizepräsident des Fiskalrates. Das ist jene Einrichtung, die die Entwicklung der Finanzschuld analysiert und die Politik dabei unterstützt, finanzpolitische Maßnahmen zu setzen. Haber bekam diese wichtige Funktion auf Vorschlag der Wirtschaftskammer.

Außerdem sitzt Haber, ebenfalls seit 2013, im Generalrat der Nationalbank. Und zwar mit einem schwarzen Ticket.

Ironie des Schicksals: In der Wissenschaftsszene genießt Haber nicht den besten Ruf. Das liegt einerseits daran, dass er Professor an der Donau-Universität Krems ist – einer „Weiterbildungs-Uni“, die hierzulande nicht gerade ein Top-Image hat.

Andererseits liegt es wohl auch an der medialen Omnipräsenz Habers: „Er ist sicherlich ein begabter Redner und kann sich sehr gut darstellen“, sagt ein Professor, „aber er hat keinen wissenschaftlichen Tiefgang. Er ist vor allem ein Showtalent.“ Ein anderer rümpft die Nase über Gottfried Habers persönliche Website, auf der Beiträge zu allen möglichen wirtschaftspolitischen Themen gelesen werden können. Fotos zum Herunterladen gibt es dort auch. „Das geht gar nicht“, heißt es kopfschüttelnd. Schon lustig: Nicht nur die Politiker, auch die Wirtschaftswissenschaftler wollen sich namentlich nicht nennen lassen, wenn es um eine Beurteilung von Gottfried Habers Arbeit geht. In erster Linie wohl deshalb, weil so etwas in der Szene als unelegant gilt.

Möglicherweise aber auch deswegen, weil Haber dereinst politisch etwas zu sagen haben könnte?

Die Frage, ob es Gottfried Haber in die Politik drängt, ist tatsächlich spannend. Er beantwortet sie so: Im Herbst, als das Thema aktuell wurde, habe er „natürlich darüber nachgedacht“. Und er sei für sich zum Schluss gekommen, dass er eine politische Funktion nur übernehmen würde, „wenn ich maßgeblich etwas bewegen kann“. Er sei nicht Mitglied einer Partei und genieße es grundsätzlich, „dass ich mich frei bewegen kann, frei von politischen Sachzwängen“.

Trotzdem gibt er zu: „Von meiner Persönlichkeitsstruktur her wäre es für mich damals schwer gewesen, Nein zu sagen.“ Zum Angebot nämlich, Finanzminister zu werden.

Dass er jetzt quasi frei von der Leber weg finanzpolitische Themen öffentlich kommentieren kann, genießt er. Und: „So gesehen war ich im Herbst nicht böse, dass mir die Entscheidung, in die Politik zu gehen, abgenommen wurde.“ Abwarten.

("Die Presse", Printausgabe vom 14.3.2015)

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