Das Comeback der Politik

Rudolf Kemler
Rudolf Kemler (c) Die Presse - Clemens Fabry
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Die Entscheidung über den neuen OMV-Chef wurde auf Freitag vertagt. Mit gutem Grund: Ab der kommenden Woche bekommt die Regierung die Möglichkeit, mitzumischen

Sollte Rudolf Kemler einen Hang zu Eitelkeit haben, dann hat ihm der vergangene Mittwoch wohl Berge gegeben. Da stand der ÖIAG-Chef nämlich voll im Mittelpunkt des Interesses – in seiner Funktion als Präsident des OMV-Aufsichtsrates.
Wird er? Wird er nicht? Die bange Frage stellten sich nicht wenige Wirtschaftstreibende, Journalisten – und vermutlich auch Regierungsmitglieder. Wird Kemler den Aufsichtsrat über einen neuen OMV-Chef abstimmen lassen? Oder wird er die Angelegenheit vertagen lassen? Kemler hatte in den vergangenen Wochen ein regelrechtes Staatsgeheimnis aus der Sache gemacht.
Klar waren nur folgende Fixpunkte:
► der amtierende OMV-Chef Gerhard Roiss geht Ende Juni vorzeitig;
► auch Rudolf Kemler verliert demnächst seinen Job;
► die Politik hat bei der Kemler-Ablöse ordentlich gepatzt:

Der ÖIAG-Chef muss zwar im Laufe dieses Jahres gehen – aber die strategisch wichtige Entscheidung über den Roiss-Nachfolger liegt immer noch bei ihm.
Groß war also in den vergangenen Wochen die Empörung darüber, dass Kemler offenbar die Sache mit dem neuen OMV-Chef durchziehen würde, die Regierung war da machtlos.
Am Mittwoch ging das Schauspiel also los. Um 14 Uhr eröffnete Kemler die Aufsichtsratssitzung. Und nur zwei Stunden später war's dann offiziell: Kemler ließ die Entscheidung vertagen. Um zehn Tage: Am kommenden Freitag trifft das 15-köpfige Gremium neuerlich zusammen – diesmal allerdings zu einer außerordentlichen Sitzung. Und bei der sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Die kurze Aufeinanderfolge der beiden Sitzungen überrascht jedenfalls gewaltig. Eine Vertagung auf einen Termin nach dem 19. Mai hätte noch irgendwie Sinn ergeben. An dem Tag findet nämlich die Hauptversammlung der OMV statt, und dann wird auch ein neuer Aufsichtsratspräsident gewählt. Kemler hätte mit so einer Entscheidung also das Thema Roiss-Nachfolger elegant an seinen eigenen Nachfolger übergeben können.
Hat er aber nicht. Am kommenden Freitag ist Rudolf Kemler nach wie vor OMV-Aufsichtsratspräsident. Wozu also wurde die Angelegenheit verschoben?
Was Kemler betrifft: Er hat wohl weniger aus Goodwill gegenüber der Regierung vertagt. Sondern aus reinem Pragmatismus: Der OMV-Aufsichtsrat war in der Frage, ob schon jetzt oder erst später ein Roiss-Nachfolger bestellt werden soll, heillos zerstritten. Die Aufsichtsräte Helmut Draxler und Wolfram Littich etwa hatten dagegen protestiert, dass diese wegweisende Entscheidung noch unter dem scheidenden Aufsichtsratspräsidenten Kemler getroffen wird. Und die SPÖ hatte in den vergangenen Tagen massiv Druck auf die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat ausgeübt, keinen Roiss-Nachfolger zu küren.
Hätte Rudolf Kemler also die Sache durchgezogen, hätte er vermutlich zwar eine Mehrheit der Aufsichtsräte auf seiner Seite gehabt. Sicher konnte er sich aber nicht sein. Die allfällige Mehrheit wäre jedenfalls aber denkbar knapp gewesen.
Das macht keinen schlanken Fuß. Zumal es ja nicht um eine für den Konzern unwichtige Entscheidung geht.

Doch was soll in einer Woche anders sein? Jede Menge. Denn ab kommender Woche ist bei der OMV die Politik wieder im Spiel.
Vor Kurzem ist ja die ÖBIB – die Rechtsnachfolgerin der ÖIAG – gesetzlich ins Leben gerufen worden. Am kommenden Dienstag werden jene vier Personen, die das Nominierungskomitee der ÖBIB bilden werden, im Ministerrat bestellt werden: Die Staatssekretäre Sonja Steßl (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) sowie die Manager Wolfgang Leitner und Günter Geyer werden also in Hinkunft entscheiden, wer in die Aufsichtsräte von Post, Telekom Austria – und OMV kommen wird. Und: Schon am Mittwoch tagen die vier zum ersten Mal. Wie der „Presse“ hinter vorgehaltener Hand versichert wurde, soll an dem Tag auch schon fixiert werden, wer statt Rudolf Kemler in den OMV-Aufsichtsrat kommen wird. Der wird zwar erst im Mai tatsächlich in das Kontrollgremium gewählt werden. Aber: Bei der Auswahl des Roiss-Nachfolgers wird er ein gutes Wörtchen mitreden.
Wer dieser Nachfolger von Kemler im OMV-Aufsichtsrat sein wird, ist noch streng geheim. Aus Kreisen des Nominierungskomittees wird allerdings erzählt, dass in den vergangenen Wochen schon etliche Kandidaten sondiert wurden. Und es gebe eine starke Tendenz zum ehemaligen OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer.
Wie auch immer: Der Aufsichtsratspräsident in spe wird am kommenden Donnerstag informell hinzugezogen werden, wenn Kemler endlich das Geheimnis um seinen Favoriten für den OMV-Chefposten lüftet. Bisher wurden nur drei Aufsichtsratsmitglieder in dieses Geheimnis eingeweiht – was absolut unüblich ist: Details über so wichtige Entscheidungen werden dem gesamten Kontrollgremium gewöhnlich ein bis zwei Wochen im Voraus übermittelt – weil die Kontrollore sich gewissenhaft auf ihre Entscheidung vorbereiten sollten.
Dass Kemler sich nicht an die Usancen gehalten hat, ist wohl kein Zufall. Insidern zufolge ist sein Favorit der Deutsche Mario Mehren – Vorstand beim deutschen Erdöl- und Erdgaskonzern Wintershall. Zuständig für Exploration und Produktion in Russland.
Ob ein Manager mit einer gewissen Nähe zu Russland bei der österreichischen Regierung als neuer OMV-Chef durchgeht? Das ist nicht eindeutig zu beantworten. Immerhin grassiert unter den heimischen Polit-Granden die Sorge, dass die russische Gazprom bei der OMV einsteigen möchte. Verständlich also, dass Kemler den Namen seines Wunschkandidaten bisher nicht einmal seinem Aufsichtsrat kundgetan hat.

Kommende Woche wird Mehren jedenfalls vom künftigen OMV-Aufsichtsratschef unter die Lupe genommen. Außerdem werden Alternativen zu Mario Mehren sondiert: Finanzminister Hans Jörg Schelling wird sich als für die ÖBIB zuständiger Minister des Themas annehmen. Angeblich wird er mit OMV-Großaktionär Abu Dhabi diskrete Gespräche über einen neuen OMV-Chef führen. Bisher waren solche Gespräche laut Syndikatsvertrag nur zwischen Abu Dhabi und ÖIAG möglich – jetzt kommt hingegen die ÖBIB (auf die Schelling direkten Einfluss hat) ins Spiel.
Ob das Scheichtum mit sich reden lässt? Das wird heikel – aber Insider geben sich zuversichtlich, dass bis zum 27. März ein geeigneter OMV-Chef gefunden sein wird. Und für alle – Politik und OMV – alles wieder gut wird.
Für alle? Auf Gerhard Roiss trifft das eher weniger zu. Dass er, wie er hoffte, doch noch länger an der OMV-Spitze bleiben könnte, gilt mittlerweile als so gut wie ausgeschlossen.

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