Peter Untersperger: Der Kapitän streicht die Segel

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Peter Untersperger, Chef des Faserkonzerns Lenzing, verliert seinen Job. Ein weiteres Kapitel im Machtkampf um die industriellen Flaggschiffe, die einst der Bank Austria gehört haben.

Aktienanalysten sind ja einiges gewohnt: Gewinnwarnungen oder Kursstürze – es gibt kaum etwas, was sie aus der Ruhe bringt. Solche Dinge gehören zum Job, und der braucht Nerven. Umso erstaunlicher die Aufregung vor Ostern.

Da musste der börsenotierte Faserkonzern Lenzing kundtun, dass er 2014 in die roten Zahlen gerutscht ist. Das freilich war noch nicht dazu angetan, die Analysten sonderlich zu schrecken: Grund für den Verlust sind Abschreibungen bei den Töchtern in Indonesien und China. Operativ steht der Konzern noch gut da, wiewohl das Umfeld höchst schwierig ist. Außerdem realisiert Lenzing gerade ein massives Rationalisierungsprogramm – wofür Analysten auch anerkennende Worte gefunden haben.
Schockiert waren sie hingegen über die Begleitmusik zur Gewinnwarnung: Lenzing-Chef Peter Untersperger gab seinen Rücktritt per Ende Mai bekannt. „Auf eigenen Wunsch“, wie es offiziell hieß.

Mehr hat es nicht gebraucht – die Analysten verstehen die Welt nicht mehr. Stephan Trubrich von Kepler Cheuvreux bringt es auf den Punkt: „Lenzing hat in der schwierigen Zeit das Optimierungsprogramm erfolgreich auf den Weg gebracht. Verbesserungen sind in Sicht. Deshalb war die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt schon sehr überraschend.“ Den Verlust Unterspergers kommentiert er jedenfalls erstaunlich emotional: „Er war 30 Jahre lang im Konzern und ist vom Erfahrungsschatz her nicht zu ersetzen“, sagt Trubrich. Und: „Mir persönlich tut es leid um Untersperger, er hat einen guten Job gemacht. Wären alle CEOs so wie er, dann hätte der österreichische Kapitalmarkt eine andere Wahrnehmung.“

Vermutlich ahnt der Lenzing-Analyst, dass es mit dem „freiwilligen“ Abschied Unterspergers nicht weit her ist. Und damit liegt er total richtig.

Als sicheres Indiz dafür reicht schon einmal der Umstand, dass Untersperger für Journalisten nicht zu sprechen ist. Dafür wird im Konzern geplaudert: Untersperger sei wenige Wochen zuvor telefonisch mitgeteilt worden, dass in Hinkunft auf seine Dienste verzichtet werde. Weil er das Sparprogramm nicht rasch genug durchführe, weil er unfähige Vorstandskollegen zu lang habe gewähren lassen, weil er den Markteinbruch nicht rechtzeitig erkannt habe.
Die schlechte Nachricht habe ihm Hanno Bästlein überbracht.

Der ist stellvertretender Präsident des Lenzing-Aufsichtsrates. Und offenbar ein höchst mächtiger Mann.

Hanno Bästlein ist nämlich auch Geschäftsführer der B & C Holding Österreich GmbH. Die ist gleichsam die operative Einheit der sogenannten B & C-Privatstiftung. Und die wiederum wurde 2000 ins Leben gerufen. Das war jenes Jahr, in dem die Bank Austria an die deutsche HypoVereinsbank verkauft wurde. Es galt, die Unternehmensbeteiligungen der (noch) österreichischen Bank vor ausländischem Einfluss zu „retten“. Seitdem hält die Holding Mehrheitsanteile am oberösterreichischen Faserkonzern Lenzing und am Gummikonzern Semperit. Mitte 2013 kam dann noch die Mehrheit am Aluminiumkonzern Amag dazu.

Industrielle Flaggschiffe sollen also schön im Land bleiben. Der Stiftungszweck ist natürlich eleganter formuliert: „Förderung des österreichischen Unternehmertums“, heißt es da. Auf der Homepage der Stiftung wird erläutert: „Diese Förderung erfolgt insbesondere durch langfristig orientierte Beteiligung an österreichischen Industrieunternehmen.“
Ein hehres Ziel. Doch nicht ganz frei von Friktionen. Sprich: Die B & C-Zuständigen haben ihren (starken) Willen, die Chefs der ihnen anvertrauten Konzerne detto. Und da spießt es sich mitunter gewaltig. Vor allem bei Lenzing.

Am Beispiel Michael Junghans, seit sechs Jahren Chef der B & C-Holding. 2013 kam es zwischen ihm und Lenzing-Finanzvorstand Thomas Winkler zum Streit wegen vorgegebener Sparmaßnahmen. Winkler musste gehen.

Doch auch Junghans ist mittlerweile Opfer gröberer Differenzen. 2013, als die Amag erworben wurde, kam Hanno Bästlein zunächst als Berater zur B & C-Gruppe. Bästlein war bei der Amag einst Finanzvorstand gewesen und hatte den Deal eingefädelt. Er hat jedenfalls das Vertrauen des Stiftungsvorstands. Junghans wird Ende des Monats gehen.

Bästlein ist also ein mächtiger Mann in der B & C-Gruppe. Bei Lenzing soll er noch heuer Präsident des Aufsichtsrates werden. „Im Grunde führt er bei Lenzing die Geschäfte“, heißt es im Konzern. Dass da kein Platz für einen Manager vom Schlag eines Peter Untersperger ist, liegt auf der Hand.

Schön und gut. Aber dennoch ein Faktum, das unter den Lenzing-Mitarbeitern für Argwohn und Verunsicherung sorgt. Die häufig gestellte, bange Frage: Hat Bästlein bei der B & C-Gruppe eine eigene Agenda? Immerhin war er zuletzt in Führungsfunktion bei One Equity Partners Austria, einem Private-Equity-Unternehmen. Und die haben ja bekanntlich den Ruf, Heuschrecken zu sein – also Unternehmen zu kaufen, zu filetieren und gewinnbringend zu verkaufen.

Beobachter haben jedenfalls bereits ihr Urteil gefällt: Bästleins Herz schlage für die Amag.

Misstrauisch werden die jüngsten Entwicklungen beäugt: Der Alukonzern erfreut sich regelmäßig üppiger Investitionsprogramme – zuletzt gingen 220 Millionen in ein neues Warmwalzwerk und eine Plattenfertigung. Derzeit fließen 300 Millionen in ein neues Kaltwalzwerk und die Erweiterung der Gießerei.

Dagegen sind Investitionen bei Semperit derzeit auf Eis gelegt – dafür schüttet das Unternehmen eine Sonderdividende aus, von der in erster Linie Mehrheitseigentümer B & C profitiert. Und bei Lenzing stehen die Zeichen überhaupt auf drastisches Sparen: Im Mai 2013 musste die Tochter Lenzing Plastics verkauft werden. Derzeit geht es der Tochter Lenzing Technik, in der das Betriebs-Know-how gebündelt ist, an den Kragen. Dort werden hunderte Beschäftigte gehen müssen, Teilbereiche des Unternehmens sollen abgestoßen werden. Es geht dort also an die Substanz des Konzerns. Mitarbeiter argwöhnen, dass da eine Braut geschmückt werde, um nach China verkauft zu werden. So viel zum B & C-Stiftungszweck „Förderung des österreichischen Unternehmertums“ und „langfristig orientierte Beteiligung“.

Alles Blödsinn, heißt es aus dem Umfeld der B & C-Gruppe: Die Amag-Investitionen habe der Alukonzern selbst erwirtschaftet. Es gebe absolut keinen Zusammenhang mit dem Darben bei Lenzing und Semperit. In dem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass Hanno Bästlein gar keine Funktion bei Semperit habe.
Was sich aber schon bald ändern wird. Bästlein soll noch heuer, spätestens 2016, Präsident des Semperit-Aufsichtsrats werden. Man wird sehen, welche Überraschungen dort noch anstehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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