Das Unglück des Michael Häupl

THEMENBILD GLUeCKSSPIEL: WIEN VERZICHTET AUF NEUES LANDESGESETZ
THEMENBILD GLUeCKSSPIEL: WIEN VERZICHTET AUF NEUES LANDESGESETZ(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Lotterien-Aufsichtsrat Erich Hampel verlangt, dass in Wien Automaten betrieben werden. Damit geht der Ex-Bank-Austria-Chef auf Konfrontation zu Parteifreund Michael Häupl.

Anteilseigner der Casinos Austria müsste man sein. Die haben es wirklich gut. In den vergangenen Jahren haben sie zwar sicherlich nicht so ruhig geschlafen – die Casinos haben ja vor allem im Ausland eine ganze Reihe von Problemen gehabt. Doch jetzt ist das Glück auf ihrer Seite: Finanzminister Hans Jörg Schelling will die Casinos verstaatlichen und hat allen, die Anteile am Unternehmen halten, ein entsprechendes Angebot gemacht.

Finanzminister will man hingegen eher nicht sein. Der Wert der Casinos Austria wird auf deutlich über 500 Millionen Euro geschätzt. Die muss man erst einmal stemmen. Angesichts der klammen Staatskassen gibt es sicher leichtere Übungen. Aber es kommt noch dicker: Eine Gruppe rund um den österreichischen Investor Peter Goldscheider hat ebenfalls Interesse an den Casinos-Anteilen bekundet. Armer Hans Jörg Schelling: Man darf getrost davon ausgehen, dass die kühne Investorengruppe den Preis ordentlich in die Höhe treiben wird.

Geht's noch schlimmer? Es geht. Doch dazu muss zunächst ein Blick auf das komplizierte Firmengeflecht rund um die Casinos Austria geworfen werden. Die halten nämlich 68 Prozent an den Lotterien – gleichsam der Cashcow des Konzerns. Und die restlichen 32 Prozent? Die gehören wiederum anderen Anteilseignern. Dem ORF beispielsweise. Etlichen Banken. Und der B&C Industrieholding GmbH.

Sie alle muss Schelling ebenfalls herauskaufen – wenn er den Konzern, wie geplant, dereinst an die Börse bringen möchte. Ein Börsenkandidat mit zersplitterter Eigentümerstruktur? Undenkbar.

Doch wie es aussieht, versucht die B&C Industrieholding den Preis noch einmal deutlich nach oben zu treiben. Jedenfalls arbeitet der frühere Bank-Austria-Generaldirektor Erich Hampel ganz emsig daran. Der ist Vorstand der B&C-Privatstiftung – der wiederum die B&C-Industrieholding gehört. Und: Hampel ist praktischerweise auch Mitglied des Lotterien-Aufsichtsrats. Vor wenigen Tagen hat sich Hampel also ans Werk gemacht. Das ging so: Hampel hat als Aufsichtsratsmitglied eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung der Lotterien beantragt. Sie findet kommenden Montag statt. Um 18 Uhr geht's los. Einziger, aber nicht undelikater Tagesordnungspunkt: Die Lotterien sollen in Wien groß ins Geschäft mit Video-Lotterie-Terminals einsteigen.

Aus unternehmerischer Sicht ist diese Forderung nicht ganz von der Hand zu weisen: Glücksspielautomaten dieser Art wären in Wien zweifellos der Renner. Und: so gut wie konkurrenzlos. Denn in der Bundeshauptstadt ist das sogenannte Kleine Glücksspiel seit Jahresbeginn verboten – SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl lässt grüßen. Konkurrent Novomatic hat jedenfalls postwendend seinen 1500 Spielautomaten in Wien den Stecker gezogen.

Für die Lotterien gibt es freilich eine Extrawurst: Sie haben nämlich für den Betrieb von Video-Lotterien eine bundesweite Konzession. Da kann Häupl noch so sehr Glücksspielautomaten verbieten – die Lotterien ficht das nicht an. Sie können – gesetzlich gedeckt und völlig problemlos – einen groß angelegten Roll-out für hunderte Video-Lotterie-Terminals machen. Wenn sie wollen. Wollen sie aber nicht. Aus reinen Imagegründen. Was auch nur zu verständlich ist: In einer Stadt, in der Glücksspielautomaten gerade erst verboten wurden, ebendiese flächendeckend aufzustellen – das kommt nicht gut. Gutes Geschäft hin oder her: Den Lotterien und also den Casinos Austria wäre der Zorn der SPÖ und der Grünen gewiss. Von der Bevölkerung ganz zu schweigen: In Umfragen haben sich rund 70 Prozent gegen Glücksspielautomaten ausgesprochen.

Jede Menge Unbill also, und da winkt Lotterien-Chef Friedrich Stickler dankend ab. Schon im Jahr 2011, als sich das Verbot für das Kleine Glücksspiel in Wien abzeichnete, gab er zu Protokoll: Die Lotterien würden im gegebenen Fall „freiwillig“ auf Video-Lotterie-Terminals verzichten. Damals schon hatte Stickler der Wiener Landesregierung schriftlich mitgeteilt, dass solche Terminals „nur in Abstimmung mit der jeweiligen Landesregierung“ installiert würden.

Heißt: Verbietet Wien solche Automaten, dann respektieren die Lotterien dies selbstverständlich.

Erich Hampel will das offenbar nicht zur Kenntnis nehmen. In einem Mail, das er Mitte April an die Lotterien-Geschäftsführung und die Aufsichtsräte geschickt hat, schreibt er: „Nur mit einem zügigen Auf- und Ausbau von VLT-Standorten (Video-Lotterie-Terminal; Anm.) in Wien kann eine Abwanderung des kleinen Automatenglücksspiels in die Illegalität verhindert werden.“

Erich Hampel geht also auf Konfrontation zur Lotterien-Geschäftsführung. Und nebenbei zu Parteifreund Michael Häupl. Wenn das nicht Brutalität ist.

Die Frage ist: Wer wird den Kampf gewinnen? Wird Hampel am Montag auch andere Aufsichtsratsmitglieder für die Sache gewinnen können? Werden die Lotterien also somit quasi gezwungen werden, das Automatengeschäft in Wien großspurig zu verfolgen? In den Casinos Austria herrscht jedenfalls so etwas wie Schockstarre: Der „Presse“ gegenüber wurde kein Kommentar zu der Angelegenheit abgegeben.

Detto Erich Hampel. Sehr schade. Aussagen über seine Beweggründe könnten durchaus aufschlussreich sein. Geht es tatsächlich darum, dass er den Preis für den Lotterien-Anteil in die Höhe treiben möchte? Oder spielen da andere, persönliche Motive mit?

Hinter vorgehaltener Hand wird erzählt, dass Hampel Akzente in der Glücksspielbranche setzen möchte. Demnächst scheidet nämlich Herbert Lugmayr als Aufsichtsratschef von Novomatic aus. Lugmayr war einst Chef der GiroCredit.

Was liegt also näher, als wiederum einen Ex-Banker an die Aufsichtsratsspitze zu setzen? Hampel soll bereits angefragt haben.

AUF EINEN BLICK

Kommenden Montag findet eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung der Lotterien statt. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Lotterien sollen in Wien groß ins Geschäft mit Video-Lotterie-Terminals einsteigen. Die Sitzung findet auf Initiative der B & C Industrieholding statt, sie ist in Person des früheren Bank-Austria-Generaldirektors Erich Hampel im Aufsichtsrat vertreten.


Die Stadt Wien hat das sogenannte Kleine Glücksspiel verboten. Das Verbot würde für die Lotterien nicht gelten, weil diese für den Betrieb von Video-Lotterien eine bundesweite Konzession haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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