Die industrielle Revolution

Newly elected president of the Federation of Austrian Industry Kapsch addresses a news conference in Vienna
Newly elected president of the Federation of Austrian Industry Kapsch addresses a news conference in ViennaREUTERS
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Georg Kapsch hat seine erste Amtsperiode als IV-Präsident noch nicht beendet – schon werden mögliche Nachfolger sondiert. Die interne Kritik an ihm steuert auf einen Eklat zu.

Für Georg Kapsch steht fest: „Das ist kein Thema“, sagt der Präsident der Industriellenvereinigung. Fragen sind sinnlos. „Ich werde mich“, sagt Kapsch, „jetzt noch nicht festlegen.“ Ende der Nichtdebatte.

In einem Jahr steht die Wahl des Präsidenten der mächtigen Interessenvertretung an. Wird Kapsch für eine zweite Amtsperiode zur Verfügung stehen? Wird er nicht? Wir erfahren es (noch) nicht. Kapsch will sich nicht in die Karten schauen lassen, und das ist natürlich sein gutes Recht.

Geduld ist also gefragt. Doch für Kurzweil ist eh gesorgt. Denn während der Präsident eisern schweigt, werden nicht ganz unwichtige Personen in der Interessenvertretung umtriebig: Die Präsidenten der IV-Bundesländerorganisationen führen schon längst informelle Vorgespräche darüber, wer ab 2016 der Chef am Wiener Schwarzenbergplatz sein könnte. Zahlreiche Namen werden bereits genannt. Georg Kapsch ist nicht darunter.

Das entbehrt nicht einer gewissen Brisanz. Wohlgemerkt: Sämtliche Vorgänger von Kapsch haben ihre Präsidentschaft zwei Amtsperioden lang innegehabt – also für insgesamt acht Jahre. Mehr ist laut den Statuten der Interessenvertretung auch gar nicht möglich. Weniger als zwei Perioden gab es aber auch niemals – jedenfalls will es das ungeschriebene Gesetz des alten Hauses so.

Unter Kapsch könnte mit dieser Tradition erstmals gebrochen werden. Besondere Schmach: Obwohl seine erste Funktionsperiode noch ein Jahr dauert, wird bereits höchst aktiv über Alternativen nachgedacht. Das ist im Haus der Industrie beispiellos.

Was aber hat der Mann angestellt, dass mit ihm derart ruppig umgegangen wird? Dazu muss ausgeholt werden: Georg Kapsch war schon im Juni 2012, als er die Industrie-Präsidentschaft von Vorgänger Veit Sorger übernahm, nicht unumstritten. Ein Jahr davor – da war Kapsch Präsident der Industriellenvereinigung Wien – hatte er sich schon für die Wahl in Stellung gebracht. Und massiven Gegenwind gespürt.

Kapsch war Ende der Neunzigerjahre Mitglied des Liberalen Forums in Wien – und das schmeckte dem konservativen Flügel im Haus der Industrie so überhaupt nicht. Er wurde dann doch gewählt, „mit einem fast hundertprozentigen Votum“, wie er heute betont, „das hat mich auch sehr gefreut“.

Die Freude ist mittlerweile recht einseitig. In nur drei Jahren sind etliche Kritikpunkte dazugekommen.

Generell wird am Schwarzenbergplatz moniert, dass die einst mächtige Interessenvertretung an politischem Einfluss verloren hat. Ja, das waren noch Zeiten – etwa als sogar „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky die Industriellenvereinigung geradezu hofierte. Im Jahr 1970, als er die SPÖ-Alleinregierung formierte, schickte er seinen Handelsminister, Josef Staribacher, umgehend auf den Schwarzenbergplatz und ließ die echauffierten Industriellen, die bereits Planwirtschaft und Enteignungen prophezeiten, seiner Wertschätzung versichern.

Diese Aura der Macht ist längst perdu – obwohl die Interessenvertretung immerhin rund 4200 Mitglieder zählt. Doch gerechterweise muss betont werden: Georg Kapsch hat das absolut nicht zu verantworten, die politischen Zeiten sind einfach anders. Aber er hat – so seine Kritiker – sein Scherflein dazu beigetragen.

Unter Georg Kapsch bringe sich die Interessenvertretung einfach zu wenig aktiv in die heimische Wirtschaftspolitik ein, heißt es intern. Der Präsident habe Bildungspolitik als Steckenpferd und vernachlässige andere für Unternehmen wichtige Themen. „Wir haben keine aktive Forderungspolitik“, schimpft ein ranghoher Industrieller. Und: „Es kann doch nicht sein, dass wir uns darüber freuen, bloß etwas verhindert zu haben.“

Was Georg Kapsch übrigens massiv in Abrede stellt:„Wir haben sehr wohl Konzepte für eine Steuerreform, für eine Verwaltungsreform, für eine Pensionsreform und für die Umweltpolitik veröffentlicht“, sagt er. Wie viel ist davon umgesetzt worden? Kapsch relativiert: „Dazu braucht man natürlich Partner.“ Und verweist auf die schwierige politische und wirtschaftliche Situation.

Aber seine Kritiker sind nicht zu besänftigen. Gern wird darauf hingewiesen, dass Kapsch als Vorstand des gleichnamigen Technologiekonzerns zeitlich sehr belastet sei. Da bleibe aktive Wirtschaftspolitik eben auf der Strecke. Dass die Industriellenvereinigung unter Kapsch ihren Einfluss bei der staatsnahen Industrie verloren hat, war da auch nicht gerade hilfreich: Seitdem die Staatsholding ÖIAG zur ÖBIB umgewandelt wurde, hat das Finanzministerium die Hand drauf – und nicht mehr die Industriellenvereinigung. Ein echter Stimmungskiller am Schwarzenbergplatz.

Und dann auch noch die Sache mit Wolfgang Hesoun. Der Siemens-Chef ist seit 2012 Präsident der Industriellenvereinigung Wien. Ein Roter, ausgerechnet. Auch das wird dem liberalen Georg Kapsch angelastet.

Die IV-Präsidenten in den Bundesländern sind jedenfalls schon zur Tat geschritten und sondieren mögliche Kandidaten für die Präsidentschaft der Interessenvertretung. Gleich vorweg: Jener Mann, der vor drei Jahren als Alternative zu Georg Kapsch gesehen wurde, kommt nicht mehr infrage: Jochen Pildner-Steinburg, Präsident der IV Steiermark, winkt im Gespräch mit der "Presse" ab: Er habe überhaupt vor, sich zurückzuziehen, sagt er. Nächstes Jahr werde er seine Präsidentschaft in der Steiermark zurücklegen.

Dafür wird von niederösterreichischer Seite der Industrielle Veit Schmid-Schmidsfelden in Position gebracht. Von Salzburg käme der Präsident der dortigen Industriellenvereinigung, Rudolf Zrost, infrage. Genannt wird auch der Präsident der IV in Tirol, Reinhard Schretter. Es sei denn, es wird jenen Gehör geschenkt, die eine Verjüngung an der Spitze der Industriellenvereinigung haben wollen. Dann käme Martin Ohneberg, Präsident der IV Vorarlberg, ins Spiel. Er ist 44 Jahre jung. Alle anderen genannten Kandidaten sind älter als der 56-jährige Kapsch.

Im Herbst wollen sich die Bundesländer-Präsidenten jedenfalls auf einen Namen einigen. Dann wird wohl auch Georg Kapsch sein Schweigen brechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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