Telekom: Chronik eines absehbaren Rücktritts

Telekom Austria Chief Executive Ametsreiter listens during news conference in Vienna
Telekom Austria Chief Executive Ametsreiter listens during news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Die Woche im Zeitraffer: Hannes Ametsreiter trat als Chef der Telekom Austria zurück und wird Chef von Vodafone Deutschland. Die Hintergründe des Paukenschlags.

Und tschüss. Hannes Ametsreiter wird ab 1. Oktober Chef von Vodafone Deutschland. Der 48-Jährige hat allen Grund zur Freude: Karrieretechnisch hat er es sich ordentlich verbessert. Vodafone ist der größte europäische Mobilfunker, ein internationaler Player – ungefähr drei Mal so groß wie die Telekom Austria.

Dort ist Hannes Ametsreiter ja am Montag ziemlich plötzlich als Chef zurückgetreten. Und hat sich damit gleich zweier Bürden entledigt: Er ist per Ende Juli nicht mehr Chef des wirtschaftlich problembehafteten Telekomkonzerns. Vor allem aber: Ametsreiter lässt auch die massiven atmosphärischen, nervenaufreibenden Probleme im Unternehmen hinter sich.

Es ist ja dank einschlägiger, regelmäßiger Berichterstattung in den Medien ein offenes Geheimnis: Seit der mexikanische Konzern América Móvil des Milliardärs Carlos Slim Mehrheitseigentümer der Telekom ist, laufen die Dinge stimmungstechnisch einigermaßen unrund, um es einmal vornehm zurückhaltend zu formulieren. Doch in den vergangenen Wochen hat sich die Situation nochmal dramatisch zugespitzt.

Kein Wunder, dass sich Ametsreiter diskret nach einem neuen Job umgesehen hat.

Das Ungemach begann bereits 2011, nachdem sich Investor Ronny Pecik Zug um Zug in die Telekom Austria einkaufte. Und er machte kein Hehl daraus, dass er mit der Performance seines Neuerwerbs ziemlich unglücklich war – mit Hannes Ametsreiter erst recht. „Ich halte das Unternehmen für unterbewertet und undermanaged“, gab Pecik zu Protokoll. Und: „Es gehört eine bessere Führung her.“ Dann, ein Jahr später, übernahmen die Mexikaner Peciks Aktienpaket – mittlerweile haben sie auf rund 60 Prozent aufgestockt. Heißt: Sie haben im Konzern längst die Macht übernommen, für Ametsreiter bedeutete das Ungemach zum Quadrat. Im Vorstand wurde er entmachtet – etwa, indem ihm das Dirimierungsrecht genommen wurde. Ganz schlecht, eingedenk der Tatsache, dass seine beiden anderen Vorstandskollegen Vertraute der Mexikaner sind. Da konnte er sich noch so mit dem Titel „Vorstandsvorsitzender“ schmücken: Kam es mit seinen beiden Vorstandskollegen zu keiner einhelligen Entscheidung, konnte Ametsreiter nicht mehr ein Machtwort sprechen.

Klare Verhältnisse, könnte man meinen. Dennoch war Misstrauen an der Tagesordnung. Im Konzern wurde erzählt, dass sich die Mexikaner immer wieder von Ametsreiter vor den Kopf gestoßen fühlten. Sei es, als sie erfuhren, dass der Telekom-Lobbyist Michael Fischer, 2012 im Zuge der Korruptionsaffäre offiziell „beurlaubt“, in Wahrheit jahrelang bei der Telekom-Tochter media.at beschäftigt wurde. Sei es, als Ametsreiter im vergangenen Februar im Alleingang ÖVPler Michael Jungwirth zum Personalchef kürte – und dieser für die Mexikaner nicht nachvollziehbare Personalakquisitionen aus dem ÖVP-Umfeld tätigte. Sei es, als Hannes Ametsreiter erst kürzlich den Sponsoringvertrag mit dem Fußballklub Red Bull Salzburg (um sehr viel Geld) verlängerte. Aus der Telekom verlautet zwar, dass Ametsreiters Vorstandskollege Alejandro Plater seinen Segen dazu gegeben habe – aber in dem allgemeinen Stimmungsdesaster war das dann auch schon egal.

Das Misstrauen nahm also stetig zu, die Unternehmenskennzahlen eher nicht.

Besagter Alejandro Plater ist im März in den Vorstand der Telekom Austria eingezogen. Und seitdem hat sich das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Ametsreiter und den Mexikanern deutlich verschlechtert. Das liegt wohl daran, dass Plater von Anfang an die Marketingagenden des Konzerns überantwortet bekommen hat. Für den Marketing-Experten Ametsreiter muss das eine echte Niederlage gewesen sein.

Umgekehrt argwöhnten die Mexikaner, dass Ametsreiter hinter ihrem Rücken intern Stimmung gegen sie mache. Als Plater beispielsweise vor rund 14 Tagen erstmals seine wöchentlich geplante Videokonferenz mit allen Landesvorständen startete, witterten sie Sabotage: Von den Adressierten hatte sich genau niemand eingewählt.

Und so kam es in der Woche vor Ametsreiters plötzlichem Abschied zum großen Knall.

Schon zu Wochenbeginn erfuhr die „Presse“ aus Kreisen der Politik und der Staatsholding ÖBIB, dass die Mexikaner bereits vorfühlten: Es ging um die Frage, ob es von österreichischer Eigentümerseite quasi als „staatsfeindlicher Akt“ gesehen würde, wenn Ametsreiters Vertrag – der im Herbst zur Verlängerung anstand – nicht verlängert würde. Die Mexikaner, die im Telekom-Aufsichtsrat acht von zehn Kapitalvertretern stellen, hätten dazu formal zwar durchaus alle Möglichkeiten. Aber mit dem „Gastgeberland“ verscherzen wollte man es sich doch nicht.

Am Mittwoch, dem 10. Juni, kam es dann zum Eklat, wie auch Ametsreiter bestätigt: In einer Sitzung des Vorstands der Österreich-Tochter A1 Telekom Austria schritt Alejandro Plater zur Tat. Er ist bei dem Tochterunternehmen Aufsichtsratsvorsitzender, Ametsreiter ist dort Vorstand. Plater teilte dem Österreicher dort mit, dass er als A1-Vorstand nicht mehr erwünscht sei. Er, Plater, werde übernehmen. Ametsreiter fragte, ob es dazu einen Beschluss der Gremien gebe, Plater verneinte, Ametsreiter verweigerte.

Doch spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste der Telekom-Chef, was es geschlagen hatte.

Dann ging alles ganz schnell. Ametsreiter hatte ja schon das sanfte Ruhekissen einer Jobzusage. Die Zusage des langjährigen Telekom-Partners Vodafone, zu dem Ametsreiter schon lange einen guten Draht hat. Am vergangenen Wochenende machte er also mit Aufsichtsratschef Wolfgang Ruttenstorfer die Details seines Rücktritts dingfest.

Jetzt sind in der Telekom Austria endlich alle auf einer Linie: Sowohl Hannes Ametsreiter als auch die Mexikaner sind grenzenlos erleichtert.

Letztere ganz besonders: So wie es aussieht, wird der Telekom-Vorstand von drei auf zwei Köpfe verkleinert. Vor allem aber: Von österreichischer Seite scheint es keine Einwände zu geben – der neue Generaldirektor dürfte Alejandro Plater werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

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